Urteil Leipziger SG: unpassende Kurse müssen nicht akzeptiert werden.

Begonnen von mousekiller, 02. August 2016, 10:40:52

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mousekiller

Leipziger Gericht: Arbeitslose müssen unpassende Kurse nicht akzeptieren

Dieses Urteil lässt Arbeitsagenturen und Arbeitslose in ganz Deutschland aufhorchen: Eine 61-jährige Ingenieurin hat sich gegen eine sogenannte Aktivierungsmaßnahme der Agentur für Arbeit zur Wehr gesetzt. Ihr Anwalt sieht das Urteil des Sozialgerichtes als wegweisend an.
| Artikel veröffentlicht: 01. August 2016 22:23 Uhr


Quelle: http://www.lvz.de/Leipzig/Lokales/Leipziger-Gericht-Arbeitslose-muessen-unpassende-Kurse-nicht-akzeptieren




Leipziger Sozialgericht (Aktenzeichen: S 1 AL 251/15)



Aktenzeichen ergänzt. LG Meck
Alle verrückt hier! Komm, Einhorn, wir gehen...

Ottokar

Damit wendet das SG die höchstrichterliche Rechtsprechung im Rechtskreis des SGB II zu Eingliederungsmaßnahmen auch im Rechtskreis des SGB III an.
Meine Beiträge beinhalten oder ersetzen keine anwaltliche Beratung oder Tätigkeit.
Für eine verbindliche Rechtsberatung und -vertretung suchen Sie bitte einen Anwalt auf.


Gast18959

Zitat von: Ottokar am 02. August 2016, 11:56:31Damit wendet das SG die höchstrichterliche Rechtsprechung im Rechtskreis des SGB II zu Eingliederungsmaßnahmen auch im Rechtskreis des SGB III an.

@Ottokar

Hab ich was verpasst ?
Werden nach höchstrichterlicher Rechtssprechung nun endlich "Angebote zur Aktivierung" mit RFB als Verwaltungsakte bezeichnet und nicht mehr als hinweisendes oder vorbereitendes Verwaltungshandeln ohne Rechtsbehelf (wie zB Kostensenkungsaufforderung) bezeichnet ?




Ottokar

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Unwissender

Heisst das jetzt man kann unnütze und sinnlose Maßnahmen (z.B. 5. o. 66. Bewerbungstraining mit Praktikum) sanktionsfrei ablehnen?
Dumm darf man sein, man muss sich nur zu helfen wissen!

Ottokar

Eine Zuweisung zu einer (Eingliederungs)Maßnahme im SGB II muss lt. Rechtsprechung des BSG hinreichend bestimmt sein und dazu enthalten:
- die Art der Maßnahme,
- die Inhalte der Maßnahme,
- den Träger/Veranstalter,
- den Maßnahmeort,
- den zeitliche Umfang,
- die zeitliche Verteilung,
- welches Eingliederungskonzept mit der Maßnahme verfolgt wird,
- warum diese Maßnahme individuell erforderlich ist.
Zu beachten ist auch, dass die Zusatzkosten, welche durch die Teilnahme an der Maßnahme entstehen, vom Leistungsträger zusätzlich gezahlt werden müssen.
Außerdem sind noch die allgemeinen Zumutbarkeitskriterien nach § 10 SGB II zu beachten.

Rechtsgrundlage für Eingliederungsmaßnahmen im SGB II ist § 16 Abs. 1 SGB II i.V.m. § 45 SGB III.
Es gibt also keinen logischen Grund, warum diese Anforderungen nicht auch für ALG I Empfänger für Maßnahmen nach § 45 SGB III gelten sollen.
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Gast18959

#6
Zitat von: Ottokar am 03. August 2016, 09:59:56Schon lange.

Also hier gibts die gegenteilige Aussage :

ZitatMaßnahmeangebote sind keine Verwaltungsakte i. S. d. § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB X, sondern lediglich Verfahrenshandlungen zur Vorbereitung einer Sachentscheidung (vgl. BSG, Urteil v. 19.1.2005, B 11a/11 AL 39/04, aub 2005 S. 152). Durch das Angebot allein wird die rechtliche Stellung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten noch nicht verändert. Auch Maßnahmeangebote müssen ausreichend bestimmt sein, die Maßnahme muss im Angebot so klar beschrieben werden, dass der Leistungsberechtigte sich ein Bild davon machen kann. Das ist eine wichtige Grundlage für seine Entscheidung über den Antritt.
https://www.haufe.de/oeffentlicher-dienst/tvoed-office-professional/sauer-sgbii-31-pflichtverletzungen-243-massnahmen-zur-eingliederung-in-arbeit_idesk_PI13994_HI2675052.html

Die Frage ist ja, ob bereits gegen diese "Angebote" Rechtsmittel eingelegt werden können.
Nach mir bekannter bisheriger Rechtspraktik war Widerspruch und Klage erst gegen die folgende Sanktion zulässig weil diese Angebote angeblich keine Aussenwirkung entfalten würden, der Betroffene noch nicht belastet wäre.

Das diese Angebote hinreichend bestimmt sein müssen bezieht sich wohl eher auf die Zumutbarkeitsprüfung die dem Betroffenen ermöglicht werden muss.

oldhoefi

Zitat von: Gast18959 am 04. August 2016, 18:11:52BSG, Urteil v. 19.1.2005, B 11a/11 AL 39/04 R, aub 2005
Dieses mir bekannte Urteil basiert auf längst überholten nicht mehr gültigen Rechtsgrundlagen. Zugleich sind das SGB II als auch das SGB III seit 2005 wiederholt geändert worden, insbesondere was Eingliederungsmaßnahmen betrifft.

Auch die JC stützen sich fälschlicherweise nur zu gerne auf dieses Urteil, wenn es um Angebote geht.

Das BSG führt in diversen Urteilen in 2011 aus, dass es sich bei Zuweisungsbescheiden immer dann um einen Verwaltungsakt i. S. d. § 31 SGB X handelt, wenn die erlassene Behörde eine insgesamt abschließende Regelung für den Einzelfall trifft und verbindlich regelt, was rechtens ist.

Wann es sich um ein gültiges Angebot und wann um einen rechtswirksamen Verwaltungsakt handelt, kann demnach nicht pauschaliert werden.

Gast18959

Zitat von: oldhoefi am 04. August 2016, 21:41:46Dieses mir bekannte Urteil basiert auf längst überholten nicht mehr gültigen Rechtsgrundlagen.

Ich stimme ausnahmslos zu, leider kommt´s ja darauf aber nicht an.

Zitat von: oldhoefi am 04. August 2016, 21:41:46Wann es sich um ein gültiges Angebot und wann um einen rechtswirksamen Verwaltungsakt handelt, kann demnach nicht pauschaliert werden.

Genau Das ist das Problem.
Mir ist noch ein LSG Urteil aus 2012 oder 2013 in Erinnerung wo der Prozess verloren wurde weil Rechtsmittel gegen "Angebote" verweigert wurden.
Ich hatte die Hoffnung, dass es mittlerweile ein BSG Urteil geben könnte, dass dieses Problem eindeutig aus der Welt geschafft hätte, zumal in § 39 Abs. 1 SGB II klar von Verwaltungsakten und gerade nicht von Angeboten, die   "Leistungen zur Eingliederung in Arbeit oder Pflichten erwerbsfähiger Leistungsberechtigter bei der Eingliederung in Arbeit regeln"  , die Rede ist.

Die von Otto zitierten Bestimmtheitskriterien sagen zwar etwas über die Qualität aber leider nichts über die rechtliche Form der "Angebote zur Eingliederung".

coolio

Das
Zitatdass es sich bei Zuweisungsbescheiden immer dann um einen Verwaltungsakt i. S. d. § 31 SGB X handelt, wenn die erlassene Behörde eine insgesamt abschließende Regelung für den Einzelfall trifft und verbindlich regelt
Ist aber wohl eindeutig.
Nicht das Wort entscheidet, sondern die Gesamtausformung.

Dragon

Viele kurs sind sowieso reine Zeit verschwendung wiei ch Finde"damit findet kaum einer bis garnicht erst einen Job auf dem ersten arbeitsmarkt.

Man Müsste die kurse,1€ Jobs am besten Verbieten! was aber bei unserer Verbrecher Regierung leider nie passieren wird.

oldhoefi

@mir reichts,

diese Diskussion wollte ich eigentlich vermeiden, da ich im Moment dafür so gar keine Zeit habe.

Angebot = Bloße behördliche vorbereitende Handlung, die der eigentlichen Sachentscheidung dient.
Ein ordnungsgemäßes (!) Angebot stellt keinen Verwaltungsakt dar, so dass dagegen kein Widerspruch eingelegt werden kann.

Schaue Dir einmal die FH der BA zu § 15 SGB II an, für was genau ein Angebot eigentlich angedacht ist, hierzu Rz 15.19a, 15.19b, 15.19c.

Verwaltungsakt = Sachentscheidung bereits abschließend von der Behörde getroffen.
Wie bekannt Widerspruch dagegen möglich.

Die JC sind auffallend vermehrt dazu übergegangen, verpflichtende Zuweisungen zu Maßnahmen (= abschließende Handlung) per Angebot (= vorbereitende Handlung) zu versuchen. Dahinter vermute ich Methodik, damit ein Widerspruch als unzulässig abgeschmettert werden kann.

Deshalb ,,liebe" ich auch solche Angebote bei abschließend geregelten Maßnahmezuweisungen, da man sich dabei die Finger wund schreibt, um das Angebot als Verwaltungsakt darzustellen. Wobei dann wiederum der Widerspruch zulässig ist.

Gast18959

Zitat von: oldhoefi am 04. August 2016, 23:54:40diese Diskussion wollte ich eigentlich vermeiden, da ich im Moment dafür so gar keine Zeit habe.

Eilt ja nicht meine Liebe, ich bin nicht betroffen, du musst mich auch nicht überzeugen, bin ja deiner Meinung.

Zitat von: oldhoefi am 04. August 2016, 23:54:40Die JC sind auffallend vermehrt dazu übergegangen, verpflichtende Zuweisungen zu Maßnahmen (= abschließende Handlung) per Angebot (= vorbereitende Handlung) zu versuchen. Dahinter vermute ich Methodik, damit ein Widerspruch als unzulässig abgeschmettert werden kann.
Deshalb ,,liebe" ich auch solche Angebote bei abschließend geregelten Maßnahmezuweisungen, da man sich dabei die Finger wund schreibt, um das Angebot als Verwaltungsakt darzustellen. Wobei dann wiederum der Widerspruch zulässig ist.

Meine Hoffnung war ja, dass man sich diese aufwendige Arbeit zukünftig ersparen kann, das BSG hier mal ne klare Linie reinbringt und den "Experten" der Arbeitsbehörde diesen Zahn endgültig zieht.

Ottokar

Der Punkt ist: eine Maßnahmezuweisung (=> Zuweisung) ist ein Verwaltungsakt. Ein Maßnahmeangebot (freiwilligkeit) kann eines sein, wenn es sich tatsächlich nicht um ein Angebot sondern eine Zuweisung handelt.
Sobald etwas eine Rechtsfolgenbelehrung nach § 31 SGB II beinhaltet, ist es ein Verwaltungsakt, da aus der Nichteinhaltung unmittelbare Rechtsfolgen resultieren.
Letztlich ist es egal, ob es sich um einen Verwaltungsakt oder Verwaltungshandeln handelt. Für beides gelten die Gleichen inhaltlichen Anforderungen und im Fall einer Sanktion geht man ohenhin gegen diese vor.
Meine Beiträge beinhalten oder ersetzen keine anwaltliche Beratung oder Tätigkeit.
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Unwissender

In den wenigsten Fällen ist eine Zuweisung so beschrieben, wie Ottokar das oben angegeben hat! Da steht i.d.R. nur,  um was für eine Maßnahme es sich handelt und diese zum Zweck der Wiedereingliederung in den 1. Arbeitsmarkt (eigentlich ja zur Bereinigung der Statistik  :wand:) als Ziel hat! Und das wars. Extra Leistungen gibts da auch nicht, denn dafür ist das ALGII da oder bei einer AGH der eine Euro pro Stunde ...

Meine Erfahrung: klagt man dann gegen so eine nicht genau definierte Zuweisung muss man da trotz des Widerspruchs hin und bis da eine Entscheidung (Aussetzung der Vollziehung, falls diese überhaupt angeordnet wird) gefallen ist, ist die Maßnahme meistens eh schon wieder vorbei und die nächste kommt und das Spiel geht von vorne los ...
Dumm darf man sein, man muss sich nur zu helfen wissen!