LSG Ba/Wü: Jobcenter muss keine Unterkunftskosten für Pritschenwagen zahlen

Begonnen von Orakel, 21. Mai 2016, 00:09:30

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Orakel

Das LSG Stuttgart hat entschieden, dass ein Hartz-IV-Leistungsempfänger, der in der Fahrerkabine eines offenen Pritschenwagens nächtigt, von dem zuständigen Jobcenter keine Unterkunftskosten verlangen kann.

Der 60-jährige Leistungsempfänger (Kläger) lebt im Bodenseeraum und ist seit einigen Jahren ohne festen Wohnsitz. Er nächtigte nach eigenen Angaben seit 2010 in einem Pritschenwagen. Das zuständige Jobcenter ging zunächst davon aus, es handle sich um eine Art Wohnmobil mit geschlossenem Überbau und erstattete dem Kläger die Kosten der Kfz-Haftpflichtversicherung sowie eine Heizkostenpauschale für die vorhandene Standheizung. Ende 2013 besichtigte das Jobcenter das Fahrzeug und weigerte sich sodann, dem Kläger dafür Unterkunftskosten zu zahlen. In dem offenen Wagen sei ein Mindestmaß an Privatsphäre nicht gewährleistet. Es fehle an der Vergleichbarkeit mit einer privaten Wohnung, die einen längeren Aufenthalt ermögliche. Mit seiner Klage hat der Kläger geltend gemacht, der deutsche Sozialstaat verweigere ihm sein menschenwürdiges Existenzminimum.
Das SG Konstanz hatte die Klage abgewiesen.

Das LSG Stuttgart hat die erstinstanzliche Entscheidung bestätigt.

Nach Auffassung des Landessozialgerichts stellt der offene Pritschenwagen keine Unterkunft im Sinne des SGB II dar, für die Kosten übernommen werden können. Das Fahrzeug sei lediglich mit einem geschlossenen einreihigen Fahrerhaus ausgestattet, das eine Sitzbank mit drei Sitzplätzen beinhalte. Eine Rückbank existiere nicht, und die Ladefläche sei offen. Wichtige Aspekte der Privatsphäre wie Hygiene oder ungestörter Kleidungswechsel sowie ein gewisses Maß an Komfort seien mangels Ausstattung und Platz (insbesondere mangels Möglichkeit zum Stehen) sowie aufgrund deutlicher Einsehbarkeit des Innenbereichs nicht einmal annähernd wie in einer Wohnung möglich.

Darüber hinaus habe der Gesetzgeber die Leistungen im SGB II zur Deckung der notwendigen Bedarfe nicht in verfassungswidriger Weise zu niedrig bemessen.

Quelle: Pressemitteilung des LSG Stuttgart v. 20.05.2016 - Az.: L 9 AS 5116/15

http://www.lsg-baden-wuerttemberg.de/pb/,Lde/Pritschenwagen+keine+geeignete+Unterkunft/?LISTPAGE=3790062

Wenn es ein Unterforum "Kuriose Klagen" gäbe, hätte ich das Thema dort eingestellt.  :zwinker:



AZ, Link ergänzt und Titel angepasst. LG Meck

Gast38171

Zitat von: Orakel am 21. Mai 2016, 00:09:30Wenn es ein Unterforum "Kuriose Klagen" gäbe, hätte ich das Thema dort eingestellt.

Mir kommen dabei ander Gedanken! Wie kann es sein das ein Mensch in der zweiten Lebenshälfte über Jahre unter solchen Umständen leben muss, in einem so reichen Land!!! Ein wirklich komischer und kurioser Sozialstaat!!! :teuflisch:

Meph1977

Jetzt ohne mich näher mit diesem Fall hier beschäftigt zu haben. Nicht immer ist daran der Staat schuld. Ich kenne einen Penner der mehrere Millionen auf dem Konto hat. Er lebt so weil er so leben will.
Seid vorsichtig was ihr dem JC erzählt. Die machen aus nem französischen Rotwein eine rothaarige Französin und drehen euch noch eine BG mit der Französin an.

Schnuffel01

"Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter - Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt."   Jean-Claude Juncker

Die glücklichen Sklaven sind die erbittertsten Feinde der Freiheit.   Marie von Ebner-Eschenbach

Gast38171

Zitat von: Meph1977 am 21. Mai 2016, 01:11:02Jetzt ohne mich näher mit diesem Fall hier beschäftigt zu haben. Nicht immer ist daran der Staat schuld. Ich kenne einen Penner der mehrere Millionen auf dem Konto hat. Er lebt so weil er so leben will.

Sicher gibt es Menschen, die lieber Platte machen als sich in Gebäuden einpferchen zu lassen. Nur wären diese Menschen bestimmt auch froh über einen Wetterschutz von dem sie nicht vertrieben werden.
Wenn sich der sogenannte Sozialstaat da um Hilfe kümmern würde anstatt Hilfe zu verweigern, wären wir in Punkto Menschlichkeit einen Schritt weiter, z.B. einen gebrauchten Wohnwagen als Unterkunft anbieten, damit er nicht mehr obdachlos ist, aber immer noch entscheiden kann wann er sich darin aufhält.

Das für den Pritschenwagen keine KdU übernommen werden kann, rein rechtlich, ist mir durchaus bewußt. Nur wäre es eben menschlicher, Alternativen anzubieten anstatt Gelder zu verweigern.

Gast37751

Zitat von: Gast38171 am 21. Mai 2016, 15:26:12
Wenn sich der sogenannte Sozialstaat da um Hilfe kümmern würde anstatt Hilfe zu verweigern, wären wir in Punkto Menschlichkeit einen Schritt weiter, z.B. einen gebrauchten Wohnwagen als Unterkunft anbieten, damit er nicht mehr obdachlos ist, aber immer noch entscheiden kann wann er sich darin aufhält.
Tut er doch. Meines Erachtens geht die hiesige Hilfe sogar schon so weit, dass mal von Bevormundung sprechen muss. Ich erinnere daran, dass das BSG es Leistungsempfängern nicht einmal zutraut, eigenverantwortlich darauf zu achten, wann die Bewilligung ihrer existenzsichernden Leistungen ausläuft.

Gast38171

Zitat von: Gast37751 am 22. Mai 2016, 13:57:50Ich erinnere daran, dass das BSG es Leistungsempfängern nicht einmal zutraut, eigenverantwortlich darauf zu achten, wann die Bewilligung ihrer existenzsichernden Leistungen ausläuft.

Das hat nichts mit zutrauen zu tun, sondern schlicht mit dem Kontrollwahn den unsere Staatlichkeit enwickelt hat seit der
Hartz IV-Einführung. Die einzige Eigenverantwortung die man uns läßt ist zu Überleben mit dem runtergerechneten Existenzminimum unter verschärften behördlichen? Bedingungen.

Gast37751

Zitat von: Gast38171 am 22. Mai 2016, 14:27:06
Das hat nichts mit zutrauen zu tun, sondern schlicht mit dem Kontrollwahn den unsere Staatlichkeit enwickelt hat seit der Hartz IV-Einführung.
Ich bin zu dumm um zu verstehen, was das mit "Kontrollwahn" zu tun haben soll. Magst du mir das mal erklären? Für klang das bisher nach "der Hartzi ist zu dämlich, sich im Kalender anzustreichen, dass er ein paar Wochen vor Ablauf des Bewilligungszeitraums einen WBA stellen muss, also soll das Jobcenter ihm diese Aufgabe abnehmen und in zeitlichem Zusammenhang mit dem Ablauf des Bewilligungszeitraums an den WBA erinnern".

Gast42062

LSG Stuttgart zu "Unterkunft" von Hartz-IV-Empfänger Im Prit­schen­wagen kann man nicht wohnen

Drei Jahre hat das Jobcenter die Unterhaltskosten eines Mannes übernommen, der in einem Pritschenwagen wohnte. Dann fand es heraus, was ein Pritschenwagen eigentlich ist und zahlte nicht mehr. Zu Recht, entschied das LSG in Stuttgart.



Das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg hat entschieden, dass ein Hartz-IV-Empfänger, der in der Fahrerkabine eines offenen Pritschenwagens nächtigt, dafür keine Kosten der Unterkunft geltend machen kann (Urt. v. 10.05.2016, Az. L 9 AS 5116/15).


https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/lsg-stuttgart-l9as511615-hartz-4-wohnung-pritschenwagen-kosten-unterhalt-jobcenter-keine-uebernahme/

Unabhängig von der rein rechtlichen Würdigung ist die Regulierungswut der Behörden grenzenlos.
Da wohnt der Mann, offensichtlich gewollt, seit vielen Jahren, in so einer Karre und jetzt werden ihm die paar Kröten gestrichen.
Mal schaun, ob ihm diese Behörde dann auch bei der Suche nach einer adäquaten Wohnung hilft, die dann die Steuerzahler locker das Dreifache (an die 500 Euro) kostet..