Keine Aussetzung von Sanktionen(?), keine Regelsatzerhöhung

Begonnen von Ottokar, 23. Februar 2022, 12:48:21

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Ottokar

Keine Aussetzung von Sanktionen(?), keine Regelsatzerhöhung

Da es immer wieder und sehr häufig zu Anfragen kommt, wann denn nun "wie versprochen" die Sanktionen ausgesetzt und die Regelleistungen erhöht werden, an dieser Stelle eine Klarstellung dazu.

Von der aktuellen Regierung wurde zu keinem Zeitpunkt angekündigt, Sanktionen auszusetzen oder die Regelleistungen zu erhöhen.

Die Grünen hatten vor der Wahl verkündet, Zitat: "Bis zu ihrer gesetzlichen Neuregelung setzen wir die Sanktionen aus (Sanktionsmoratorium) [...]", dieses Vorhaben wurde jedoch nicht in den Koalitionsvertrag aufgenommen und ist demnach gescheitert.
Lt. Koalitionsvertrag wird stattdessen der bereits lange vor der Wahl durch Urteil des BVerfG vom 05. November 2019 - 1 BvL 7/16 - festgelegte Status Quo bis zur Neuregelung des SGB II als Bürgergeld beibehalten, wonach Sanktionen auf max. 30% begrenzt sind.

Auch eine Erhöhung der Regelsätze in Anpassung an die Inflation der Preise für Nahrungsmittel und Energie wird es definitiv nicht geben (so u.a. Arbeitsminister Hubertus Heil hier).
Man kann sicher davon ausgehen, dass im Zuge der Umwandlung von Hartz IV in das Bürgergeld auch die Höhe desselben überprüft und gegebenenfalls neu berechnet wird. Ob dabei die Vorgaben des BVerfG eingehalten und realistische Zahlen zugrunde gelegt werden, oder ob die Verantwortlichen die ermittelten Bedarfe erneut durch Kürzungen für (in der Erhebungsgruppe nicht vorhandene) Luxusgüter wie Pelze, Yachten, Flugzeuge sowie elementare Grundbedürfnisse wie Blumen, Zahnersatz und Brillen auf ein politisch vertretbares Maß kleinrechnen, muss abgewartet werden.

Nachtrag (vom 05.04.2022)
Das Gesetz zum Sanktionsmoratorium wurde bislang weder im Bundestag beraten, noch beschlossen, und erst nachdem es beschlossen wurde, kann es im BGBl. verkündet werden und damit in Kraft treten.
Derzeit existieren dazu zwei Gesetzentwürfe, der Referentenentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, sowie der Gesetzentwurf der Bundesregierung. Beide sind inhaltlich verschieden. Andere Fraktionen des Bundestages können eigene Gesetzentwürfe einbringen.
Sobald diese Gesetzentwürfe in die parlamentarische Beratung gehen, kann vieles geschehen. Die Entwürfe können umfangreich durch Anträge anderer Fraktionen geändert werden, monatelang in Beratungsausschüssen verschwinden, oder ganz ad acta gelegt werden.
Mit anderen Worten: bislang wurde nichts entschieden und es ist noch alles möglich.

- zum Referentenentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales
Dieser beinhaltet eine Aussetzung der §§ 31a, 31b und 32, d.h. Sanktionen nach § 31 können weiterhin festgestellt aber nicht vollzogen werden.
Sanktionen nach § 32 (Meldeversäumnisse) können weder festgestellt noch vollzogen werden.

- zum Gesetzentwurf der Bundesregierung
Dieser beinhaltet eine Aussetzung des § 31a, d.h. Sanktionen nach § 31 können weiterhin festgestellt aber nicht vollzogen werden.
Sanktionen nach § 32 (Meldeversäumnisse) können weiterhin festgestellt und vollzogen werden.

Bei beiden Gesetzentwürfen ist es rechtlich möglich, nach Ablauf der Aussetzungsfrist für Pflichtverletzungen nach § 31, die noch keine 6 Monate her sind, die Minderung nach § 31b festzustellen, sodass diese Sanktionen nachgeholt werden könnten. Dazu wäre aber eine entsprechende (Übergangs)Regelung in der geplanten Neufassung des SGB II erforderlich, die ab 01.01.2023 in Kraft treten soll.
Um die Frage dazu vorab zu beantworten: es gibt zur geplanten Neufassung des SGB II (sog. Bürgergeld) derzeit keinen Gesetzentwurf.
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