Kostenübernahme Wohnung unrealistisch niedrig

Begonnen von Isa, 04. Februar 2023, 19:25:25

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Isa

Hallo alle, vor kurzem bekam ich das Kündigungsanschreiben für die Wohnung, Kündigung wegen Eigenbedarf. Das kam über den Anwalt des Vermieters und ist absolut wasserdicht. In etwas weniger als 3 Monaten muss ich eine neue Wohnung haben. Nun habe ich mich informiert, bis zu welcher Höhe die Wohnungskosten vom Jobcenter übernommen werden in dieser und den umliegenden Regionen. Das ist unterirdisch wenig und hat nichts zu tun damit, was heute selbst eine kleine Singlewohnung kostet!
Doch wenn ich von meinem Grundbedarf dann zuschießen muss in die Mietkosten, habe ich zuwenig zum Leben! Denn die Inflation hat ja die tolle Erhöhung des Bürgergelds bzw. Hartz IV mehr als überholt! Täglich scanne ich alle Wohnungsanzeigen und bekomme Panik. Dazu muss ich sagen, ich kann nicht mehr freiberuflich hinzuverdienen wie früher, ich bin 64 und gesundheitlich mittlerweile eingeschränkt und nicht mehr belastbar. Keine Ahnung wie das nun funktionieren soll!
Mein Verdacht ist, dass die Jobcenter sehr wohl wissen, dass sie die Wohnungskosten nicht dem heutigen Markt angepasst haben und darauf vertrauen, dass man dann von seinem Grundbedarf noch was abzwackt, um  ein Dach über dem Kopf zu haben! Was kann ich tun?

Ottokar

Ja, es ist üblich, das die JC Preise festlegen, für die es keine Wohnungen gibt. Das ist denen auch hinreichend bekannt und kein Versehen, sondern volle Absicht. Die Kommunen wollen so Geld zu Lasten der Grundsicherungsempfänger sparen, da die Kommunen für die KdUH aufkommen müssen.

Wohnungssuche beweiskräftig protokollieren.
Wenn es keine Wohnung zu den vom JC festgelegten Angemessenheitskriterien gibt, muss das JC die Kosten des tatsächlich verfügbaren Wohnraumes als angemessen anerkennen (so BSG). Das wird höchstwarscheinlich eine Klage erfordern, ist aber nicht zu ändern.
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FritzLoch

Bei mir sank die Angemessenheit von 390€ auf 330€ wohlgemerkt in einer 500.000+ Stadt. Die Begründung war die, dass in der Region viel freier Wohnraum zur Verfügung stehen würde.
Waldschrat Pferdepension e.V.

Ottokar

Das dürfte mit großer Warscheinlichkeit rechtswidrig sein.
Das Problem ist, das kaum ein Betroffener dagegen vorgeht, obwohl die rechtswidrigen Manipulationen so offensichtlich sind, das sogar ein 5.-Klässler sie erkennt.
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Isa

Eine Klage einreichen als einzige Lösung ist ein großes Problem: Ich habe die Erfahrung gemacht, dass kaum ein Rechtsanwalt hier in der Region für mich tätig wird, wenn ich mit diesem Beratungsschein vom Amt bei ihm auftauche: Denn der umfasst nur einen sehr geringen Betrag, gar nicht ausreichend als Bezahlung des Rechtsanwalts. Und aus dem Mieterverein bin ich wieder ausgetreten, weil hier in der Region die Standorte geschlossen haben und ich über 100 km fahren muss für einen Termin. Die Höchstdauer der Beratung beträgt dort 10 Minuten. Damit fühle ich mich komplett im Regen stehen gelassen. Wenn ich eine Klage verliere, bleibe ich auf den Kosten sitzen. Das funktioniert doch so alles nicht!
Aber danke dennoch für die Antworten! Letzte Frage:
Wer setzt sich denn dafür ein, dass die Jobcenter mal kontrolliert werden, um nicht solche finanzielle Ausblutung ihrer Klientel betreiben zu können, wie es jetzt durch die unterirdisch niedrige Kostenübernahme von Wohnungskosten fast flächendeckend der Fall ist? Wer im Staat kontrolliert das und sorgt dafür, dass sie die Kostenübernahme an die Mietspiegel annähernd anpassen? An wen kann ich mich da wenden? Und denen mal ein Anschreiben schicken?

Hary

Zitat von: Isa am 05. Februar 2023, 16:24:46Wer setzt sich denn dafür ein, dass die Jobcenter mal kontrolliert werden, um nicht solche finanzielle Ausblutung ihrer Klientel betreiben zu können, wie es jetzt durch die unterirdisch niedrige Kostenübernahme von Wohnungskosten fast flächendeckend der Fall ist? Wer im Staat kontrolliert das und sorgt dafür, dass sie die Kostenübernahme an die Mietspiegel annähernd anpassen? An wen kann ich mich da wenden? Und denen mal ein Anschreiben schicken?
In der Praxis wird das wohl schwer sein eine Art Kontrolle einzuführen, da jede Kommune andere Sätze und Methoden zur Ermittlung hat. Vom Prinzip macht dies ja auch Sinn weil die Kosten in München andere sind als in einem Dorf mit 10 Häuser. Diese hunderten Rechnungen und Richtlinien kann ja keiner überblicken, daher kann man nur praktisch Lokal in der Region die einen betrifft irgendwas bewirken. Ansprechpartner der etwas in die Wege leiten könnte in deinem Interesse wäre quasi nur ein eigener Anwalt. Hilfsvereinen und ähnlichen ist das Problem ja bekannt, sich dahin zu melden wird nur dazu führen einer mehr in der Statistik zu sein, dem das Geld für die KdU nicht reicht.

Isa

Aber so wie es ist, kann es doch nicht bleiben! Ich habe jetzt eine Mail an das BMAS geschrieben und das Problem geschildert. Ich bin gespannt, ob ich eine Antwort bekomme. Natürlich sollte die Höhe der Kostenübernahme dezentral geregelt werden, da die Miethöhen regional unterschiedlich sind. Aber wenn das dazu führt, dass die Jobcenter Narrenfreiheit genießen, dann sind Missbrauch und finanzielle wie seelische Ausblutung der Leistungsempfänger vorprogrammiert - solange die Stimmung in den Leistungsabteilungen und der Leitungspersonen nicht fürsorglich sondern abschätzig ist. Und das ist sie oft!
Wer bestimmt denn im Jobcenter die Höhe der Wohnungskosten? Wer legt die fest? Die ist ja nicht vom Himmel gefallen. Das tun Personen! Und die Orientierung am regionalen Mietspiegel ist nicht gesetzlich festgeschrieben! Nur nahegelegt! Oder? Da ist doch dem subjektiven Ausagieren missgünstiger Personen Tor und Tür geöffnet!

Hary

Zitat von: Isa am 05. Februar 2023, 18:00:14Ich habe jetzt eine Mail an das BMAS geschrieben und das Problem geschildert. Ich bin gespannt, ob ich eine Antwort bekomme.
Halte uns gerne auf dem laufenden. Erwarte aber keine wirkliche Reaktion. Deine Mitteilung hat vermutlich die gleiche Wirkung wie wenn ich dem Mafiaboss mitteile, dass seine "Mitarbeiter" zu hohe Gebühren von mir fordern :)

Isa

Wenn die Antwort kommt, veröffentliche ich sie hier. Wahrscheinlich werden es Floskeln sein, die nicht auf das Kernproblem direkt eingehen und keine Lösung vorsehen. Aber ich lasse mich überraschen.

Ottokar

Klagen kannst du auch ohne Anwalt.
Das BMAS wird dir vermutlich mitteilen, dass es nicht zuständig ist, weil es nicht zuständig ist.
Zuständig für die KdUH ist die Kommune, diese legt auch die Angemessenheitswerte fest.
Allerdings muss sich ausnahmslos jede Kommune an die vom BSG dazu gemachten Vorgaben halten - tut aber kaum eine. Hier vor Ort werden z.B. vollkommen realitätsfern 5,35€ KM festgelegt, selbst unsanierter Plattenbau kostet 5,80€ (natürlich bei unangemessen extrem hohen HK), sanierter 6,80€. Und es ist nicht so, als wäre das der Kommune - die selbst größter Anbieter von Plattenbauwohnungen ist - nicht bekannt.
Mangels örtlichem Betriebskostenspiegel sind lt. BSG zudem die Werte des bundesweiten des DMB für die Angemessenheit zugrunde zu legen, diese Werte werden hier mal eben um 30% gekürzt, was lt. BSG ganz klar rechtswidrig ist. Auch das ist der Kommune bekannt, trotzdem verstößt sie gegen die höchstrichterliche Rechtsprechung, weil sie damit durchkommt. Wehrt sich mal einer effektiv, wird vor Gericht ein Anerkenntnis abgegeben, so verhindert man ein Grundsatzurteil und kann fröhlich weitermachen wie bisher und die Bürger betrügen, denn nichts Anderes ist das.
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Fettnäpfchen

Isa

Solltest du eine passende Whg finden und eine Zusicherung vom JC brauchst (wegen der Kostenübernahme) dann achte darauf dass das Konzept also die Angemessenheitskriterien nicht älter als zwei Jahre sind und zusätzlich noch auf die Gesamtangemessenheit bestehend aus KM + NK + HK
und unter Umständen, also wenn es nachweislich keine Wohnungen innerhalb der Angemessenheitskriterien gibt musst du zuerst deinem JC klar machen dass du eine angepasste Erlass einer einstweiligen Regelung => Zustimmung zum Umzug
Klage einreichst.
Und dieses bei Ablehnung dann auch machen.
Ratgeber Angemessenheit der Kosten der Unterkunft
ZitatKaltmiete
Wie der Leistungsträger die Angemessenheit der Kosten für Unterkunft und Heizung zu ermitteln und zu beurteilen hat, hat das BSG in seiner Rechtsprechung seit 2006 ausführlich klargestellt (vgl. BSG Urteil vom 07.11.2006, Az. B 7b AS 10/06 R und B 7b AS 18/06 R, vom 18.06.2008, B 14/7b AS 44/06 R).
Danach muss der Leistungsträger (weiterlesen...
Die Zusicherung sollte umgehend vorgenommen werden und nicht mit einem Termin zu irgendwann abgespeist werden. Fristen gibt es da wegen der Eilbedürftigkeit nicht.
Von
Zitat von: coolioDie Zustimmung muss eigentlich vor Ort erteilt werden (Angemessenheitserklärung).
Wenn die nicht vor Ort getroffen wird, schriftliche Aussage fordern mit Begründung, sonst weiter zum Teamleiter / Geschäftsführer, gleich vom SB veranlassen lassen!.
Weil:
Das JC hat eine Treuepflicht und muss Zeit- Fristgerecht entscheiden.
D.H.
Kommt das JC seiner Treuepflicht nicht nach, kann man die Zustimmung bzw. die eigene Entscheidung vorm SG ersetzen lassen - solange die Angemessenheit klar bzw. unstrittig ist.
Die zitierte Treuepflicht ergibt sich aus § 17 Abs. 1 SGB I.

MfG FN
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Wer das Ziel kennt, kann entscheiden. Wer entscheidet, findet Ruhe. Wer Ruhe findet, ist sicher. Wer sicher ist, kann überlegen. Wer überlegt, kann verbessern. (Konfuzius)
Mach es: Sei stärker als deine stärkste Ausrede.

Isa

Ganz vielen Dank für eure differenzierten Infos und Gesetzesgrundlagen! Wenn es hart auf hart kommt, werde ich das nutzen und klagen!
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat mir geantwortet dahingehend, dass die Sozialministerien der Länder die Aufsicht über die Kommunen/Jobcenter haben bzgl. der Höhe der Wohnkostenübernahme. Daher habe ich jetzt an das Sozialministerium in Hessen gemailt, folgenden Wortlaut:

"ich bin 64 Jahre alt, lebe zurzeit von Bürgergeld. Nachdem mir jetzt der Vermieter wegen Eigenbedarf gekündigt hat, muss ich in weniger als 3 Monaten eine neue Wohnung finden. Nachdem ich mich beim Jobcenter informiert habe, kenne ich jetzt die Höhen der Wohnkostenübernahme für meine Region sowie für die umliegenden Regionen. Die sind selbst für eine kleine Singlewohnung weitab von dem, was solche Wohnungen heute kosten!!! Die Wohnkosten sind dem heutigen - aber auch dem Mietspiegel von vor ein paar Jahren - nicht im entferntesten angepasst worden!! Ein Beispiel: Im Raum Frankenberg des Kreises Waldeck-Frankenberg in Hessen beträgt die Wohnkostenübernahme 371 Euro! Aber da sind die Betriebskosten wie Wasser - Kanal - Müll, Versicherungen und Steuern, bereits mit enthalten!!!! Es handelt sich also um die Brutto-Kaltmiete! Das heißt, die Nettokaltmiete liegt in etwa bei knapp über 200 Euro! Niemals finde ich dafür eine Wohnung, die keine Bruchbude ist und durch Mängel wie fehlende Isolierung mir dann zu hohe Heizkosten oder Gesundheitsschäden bringt. Aber selbst eine Bruchbude finde ich nicht zu dem Preis.
Die Jobcenter legen es durch diese bewusst zu niedrig angesetzte Mietkostenübernahme darauf an, dass der Leistungsempfänger nun von seinem Grundbedarf, der für Nahrung, Kleidung usw. gedacht ist, noch eine Summe für die Mietkostenbezahlung abzwacken muss, also zulegen muss, um eine Wohnung finanzieren zu können. Denn sie übernehmen nicht die vollen Kosten für eine heutige bescheidene Wohnung! Das sind keine Einzelfälle, sondern ist, wie ich mittlerweile erfahren habe, flächendeckend Usus.
Da ich jetzt 64 Jahre alt bin und gesundheitlich eingeschränkt, kann ich die Situation auch nicht mehr durch Hinzuverdienen retten. Da ich einer minimalen Rente in fast 2 Jahren entgegensehe, die nicht das Existenzminimum abdecken wird, ist es auch keine Lösung, vorzeitig jetzt in Rente zu gehen mit Abschlägen. Auch das hilft mir nicht, um das finanziell zu stemmen, eine neue Wohnung anmieten zu können.

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales teilte mir auf meine Anfrage hin mit, dass die Aufsicht über die Kommunen hinsichtlich der Kosten der Unterkunft den Sozialministerien der jeweiligen Bundesländer obliegt. Daher wende ich mich mit meinem Anliegen nun an Sie!
Ich weiß, dass den Jobcentern nahegelegt wird, sich bzgl. der Wohnkostenübernahme an den Mietspiegeln ihrer jeweiligen Region zu orientieren.  Das ist aber gesetzlich nicht festgeschrieben. Daher halten sie sich nicht daran. Die Stimmung in den Leistungsabteilungen ist nicht fürsorglich und unterstützend, sondern verächtlich, abschätzig. Bitte helfen Sie!"

Bin gespannt, ob eine Antwort kommt, die nicht nur pauschale Floskeln enthält.


Lina

Na, Du glaubst noch an das Gute im Menschen.

Hartzer Rolle

Auch wenn eine Kommune ein schlüssiges Konzept anwendet, müssen die Werte spätestens alle 2 Jahre angepasst werden.
Von wann sind denn die Grenzen in deiner Kommune?

Wird sich nicht daran gehalten, gelten eigentlich die Wohngeldwerte plus 10%
https://www.wohngeld.org/wohnkosten/
Das durchzusetzen wird allerdings Nerven kosten