Bewertung einer vollständigen Rentennachzahlung

Begonnen von BO177, 22. Februar 2023, 12:03:59

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BO177

Folgende Situation:

Langjähriger SGB-II-Bezug. Nun, nach Klagestreit mit dem Rentenversicherer, rückwirkendes Anerkenntnis der dauerhaften vollen Erwerbsunfähigkeit seit 1/2020. Nachzahlungsbetrag, bereinigt um die Rückzahlungsansprüche des Jobcenters, ca. 5.300 €.

Die Höhe der Netto-Rente (Brutto abzgl. K.Vers. und Pfl.Vers.) liegt (ohne Kfz.-Haftpflicht) ca. 13 € unterhalb des SGB-XII-Anspruchs, sodass SGB-XII- bzw. Wohngeldanspruch besteht.

Meine Fragen:

Wird die Nachzahlung sozialrechtlich als Einkommen betrachtet? Es ist ja keine "gewöhnliche" Nachzahlung (wegen Rentenerhöhung oder Falschberechnung), sondern eine Zahlung, die rückwirkend, also zum bzw. mit dem Anfang des SGB-XII-Anspruchs bzw. Wohngeld-Anspruchs gezahlt wird!

Wenn die Nachzahlung trotzdem als Einkommen gewertet wird, wird sie dann auf 6 Monate umgelegt, d. h. muss dann 6 Monate auf ca. jeweils 13 € (bzw. das Wohngeld) verzichtet werden und werden die 13 € (bzw. das Wohngeld) dann ab dem 7. Monat bewilligt oder hat das Sozialamt irgendeine Möglichkeit, die 5.300 € vollständig abzugreifen bzw. den Verbrauch zu verlangen?

Bleibt man für diese 6 Monate formell SGB-XII-Bezieher (Vorteil GEZ, kein Neuantrag im 7. Monat)?

Ist die Verfahrensweise im SGB nachlesbar oder ausgeurteilt?

Ottokar

Zur konkreten Beantwortung der Frage fehlen einige Infos.
Wurde die ALG II/Bürgergeld Bewilligung rückwirkend zum Rentenbeginn komplett aufgehoben?
Hat das JC bei der DRV einen Erstattungsanspruch geltend gemacht?
Besteht eine Bedarfsgemeinschaft mit einer ALG II/Bürgergeld berechtigten Person?

Vorab:
Die Nachzahlung von GruSi nach SGB XII darf im SGB XII nicht als Einkommen berücksichtigt werden, die Nachzahlung von Wohngeld nach WoGG darf im WoGG nicht als Einkommen berücksichtigt werden.
Die Nachzahlung von GruSi nach SGB XII darf bei Bestehen einer BG und Leistungsausschluss der erwerbsgeminderten Person nach § 19 Abs. 1 S. 2 SGB II auch im SGB II nicht als Einkommen berücksichtigt werden.
Bei Bestehen einer BG und Leistungsausschluss der erwerbsgeminderten Person nach § 19 Abs. 1 S. 2 SGB II darf im SGB II die Nachzahlung von Wohngeld nach WoGG nur bei der erwerbsgeminderten Person als Einkommen berücksichtigt werden, dabei muss statt der Bedarfsanteilsmethode (§ 9 SGB II) die Bedarfsberechnung nach der Vertikalmethode erfolgen und das Wohngeld ist dabei aufgrund der gesetzlichen Zweckbindung nur bei den KdUH der erwerbsgeminderten Person zu berücksichtigen.
Meine Beiträge beinhalten oder ersetzen keine anwaltliche Beratung oder Tätigkeit.
Für eine verbindliche Rechtsberatung und -vertretung suchen Sie bitte einen Anwalt auf.


BO177

Ottokar,

danke für die Antwort!

Meine Frage bezieht sich auf die Nachzahlung des Rentenanspruchs, d. h. auf den Betrag, der nach dem Erstattungsanspruch des Jobcenters übrigbleibt.

Während der gesamten Rentenanspruchszeit wurde SGB II bezogen und nach erster Feststellung der Erwerbsunfähigkeit (also in etwa mit Rentenantragstellung) hilfsweiser Antrag auf SGB XII gestellt. D. h. das Jobcenter holt sich die seitdem geleistete Hilfe vom Rentenversicherer und ggfs. dem Sozialamt zurück. Das Sozialamt leistet fortan und ggfs. rückwirkend einen Zuschuss gem. SGB XII oder seit 1/2023 Wohngeld (da wurde erstmalig Wohngeldantrag gestellt).

Der Betroffene lebt allein, es besteht also keine Bedarfsgemeinschaft.

Die Anerkennung der Rente ist gerichtlich noch nicht abgeschlossen, insofern ist der Sozi-Apparat noch nicht in Bewegung gekommen.


Bei der Gelegenheit:

Der Rentenversicherer hat ein Vergleichsangebot gemacht - Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer seit dem 1.1.20 -, was dem vollen Anerkenntnis entspricht; er will auch die außergerichtlichen Kosten voll erstatten. Er will aber kein Anerkenntnis abgeben.

Das erschließt sich mir nicht, da beides faktisch denselben Inhalt und dieselben Konsequenzen hat. Ist da irgendein "Pferdefuß" bei? Hat also die Annahme des Vergleichsangebots einen Nachteil gegenüber dem Anerkenntnis bzw. Gerichtsbeschluss (sofern dieser ebenfalls Rentenanspruch wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer seit dem 1.1.20 beinhaltet - was man ja nicht wissen kann: "Vor Gericht und auf hoher See...")?


Ottokar

Zitat von: BO177 am 25. Februar 2023, 16:53:53Der Rentenversicherer hat ein Vergleichsangebot gemacht - Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer seit dem 1.1.20 -, was dem vollen Anerkenntnis entspricht; er will auch die außergerichtlichen Kosten voll erstatten. Er will aber kein Anerkenntnis abgeben.
Mit einem Vergleich sind die beiderseitigen Ansprüche abschließend erfüllt, d.h. man kann später nicht noch weitergehende Forderungen geltend machen, was wiederum bei einem Anerkenntnis möglich wäre.
Wenn das Vergleichsangebot dem vollen Anerkenntnis entspricht, sollte man imho darauf eingehen.

Zitat von: BO177 am 25. Februar 2023, 16:53:53Meine Frage bezieht sich auf die Nachzahlung des Rentenanspruchs, d. h. auf den Betrag, der nach dem Erstattungsanspruch des Jobcenters übrigbleibt.
Beim Wohngeld ist die Nachzahlung gemäß § 15 Abs. 2 S. 1 WoGG dem Zeitraum zuzuordnen für den sie geleistet wird. Soweit die Nachzahlung also für Zeiten vor dem aktuellen Wohngeldbezug geleistet wird, bleibt sie unberücksichtigt.
Im SGB XII ist das anders: Eine Nachzahlung laufenden Einkommens stellt im SGB XII ein laufendes Einkommen dar, welches im Zuflussmonat auf die Sozialleistung anzurechnen ist. Diese Nachzahlung ist ausdrücklich kein einmaliges Einkommen, sodass eine Aufteilung auf 6 Monate nicht zulässig ist. (u.a. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 16.02.2022 - L 2 SO 939/21) Lösung: erst im Folgemonat nach dem Zufluss der Nachzahlung Leistungen des SGB XII beantragen.
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