Artikel: „Berliner Wohnungsnot: Jobcenter muss teurere Mieten übernehmen“

Begonnen von Filip2610, 05. April 2023, 18:25:54

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Filip2610

Die Berliner Zeitung hat am 4.4.23 einen interessanten Artikel veröffentlicht.

Laut einem Gerichtsurteil des Berliner Sozialgerichts ,,dürfen Hartz IV-Empfänger nun auch teurere Wohnungen beziehen. Der Grund: Die Suche nach einer günstigen Wohnung in Berlin sei aussichtslos."

"Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung hat das Landessozialgericht die Revision zum Bundessozialgericht zugelassen."

https://www.berliner-zeitung.de/news/wohnungssuche-berliner-wohnungsnot-jobcenter-muss-laut-gerichtsurteil-fuer-hartz-4-empfaenger-auch-teurere-mieten-uebernehmen-li.334885

Ich beziehe Bürgergeld., die Miete meiner Wohnung beträgt ca. 530 Euro, das Jobcenter zahlt aber nur den Höchstsatz von ca. 480 Euro. Kann jemand einschätzen, ob es Sinn macht, jetzt auch eine höhere  Miete einzufordern? Sollte ich das ggf. gegenüber dem Jobcenter oder dem Sozialgericht machen?

Ellen_Alien

Ich denke schon, dass das Urteil von grundlegender Bedeutung ist.
ZitatKann jemand einschätzen, ob es Sinn macht, jetzt auch eine höhere  Miete einzufordern? Sollte ich das ggf. gegenüber dem Jobcenter oder dem Sozialgericht machen?
Klar kannst du es probieren. Dazu musst du schon den gängigen Verfahrensweg einhalten. Widerspruch gegen den Bescheid beim Jobcenter, danach ggf. Klage beim Sozialgericht.

Bedenken musst du dabei, dass (den Artikel hat jemand anderes bereits im Nachrichtenbereich gepostet, da etwas ausführlicher) es um einen strittigen Zeitraum von 2015/16 ging und das Urteil dazu jetzt kam. Auch schien die Beweisführung ziemlicher Aufwand zu sein. Das käme dann alles auf dich zu. Musst du entscheiden, ob es dir das wert ist.

Filip2610

Danke. Vermute mal, dass sich in den letzten acht Jahren die Miet-Situation in Berlin weiter verschlechtert und nicht verbessert hat. Vielleicht könnte man sich in Sachen Beweisführung einfach auf das Gerichtsurteil stützen und dann das Jobcenter bzw. dann das Sozialgericht machen lassen. Denke ich werde, falls es zu einem neuen Bescheid kommen sollte, Einspruch ergeben. 50 Euro pro Monat machen sehr viel aus.

JensM1

Warum bist du in die Wohnung eingezogen, geht um Klärung Umzugserfordernis. Oder ist jemand ausgezogen oder hat sich die vorher angemessene Miete aufgrund von Mieterhöhungen in eine nicht angemessene Miete geändert?

Wie setzt sich deine Miete zusammen (Nettokaltmiete, Betriebskosten, Heizkosten? Hast du evtl. eine Ahnung, wie hoch dein Verbrauch Heizkoten in kWh laut der letzten Abrechnung war. Wieviele Personen leben in der Wohnung?

Der Berliner Senat hat die Weisungslage zur AV Wohnen zum 01.03.2023 geändert, so dass inzwischen zumindest bei erforderlichen Umzügen o. ä. die Miete nur bis Angemessenheit zuzüglich - das ist neu! - der Höhe des Umzugsvermeidungszuschlages zu übernehmen ist. Dies betrifft sehr viele Fälle und wird derzeit nach meinem Eindruck nur selten korrekt umgesetzt.

Solltest du ohne Umzugserforderlichkeit umgezogen sein, dürfte aber nach wie vor die sogenannte Dynamisierung gelten, bei der das JC nur i. H. der entsprechenden Prozentsätze die Höhe der zu übernehmenden Kosten zu übernehmen hat. Insofern wäre es auch interessant zu wissen, mit welcher Begründung die Miete ursprünglich mal festgesetzt worden ist.

Edit: Wam ist die Festsetzung auf 480,00 Euro ca. erfolgt? Mit Neuantrag oder schon früher im laufenden Leistungsbezug?

horst

Zitat von: Filip2610 am 05. April 2023, 18:25:54ch beziehe Bürgergeld., die Miete meiner Wohnung beträgt ca. 530 Euro, das Jobcenter zahlt aber nur den Höchstsatz von ca. 480 Euro. Kann jemand einschätzen, ob es Sinn macht, jetzt auch eine höhere  Miete einzufordern? Sollte ich das ggf. gegenüber dem Jobcenter oder dem Sozialgericht machen?
wenn das JC eine Aufforderung schickt dir eine angemessene Wohnung zu suchen und du nachweist das es keine gibt müssen sie witer deine Wohnung zahlen.
Da kann aber der User Fettnäpfchen sicher noch mehr schreiben.

JensM1

Zitatwenn das JC eine Aufforderung schickt dir eine angemessene Wohnung zu suchen und du nachweist das es keine gibt müssen sie witer deine Wohnung zahlen. Da kann aber der User Fettnäpfchen sicher noch mehr schreiben.

Wir reden hier nicht über Kleinstadt xy, sondern über Berlin. In Berlin ist angemessener Wohnraum - tlw. zu extrem bescheidenen Verhältnissen - in den Randbezirken immer noch zu finden, d. h., dass zumindest die JC Berlins eine solche "Beweisführung" nicht anerkennen werden. Würde dann ggf. auf Klage etc. hinauslaufen, aber das ist hier ja gar nicht das Thema, da die KdU bereits gekürzt worden sind.

Edit: Aktuell wird es auch eine keine Aufforderungen zur Kostensenkung geben. Auf welcher Grundlage, wir haben Karrenzzeit. Entweder die sind durch oder es wird nach Umzug mangels vorheriger Zustimmung + Leistungsbezug auf die entsprechenden Kosten gekürzt.

Filip2610

Vielen Dank für die Informationen.

Ich wohne schon ewig in der Wohnung (damals von den Eltern ausgezogen) und beziehe auch schon ewig ALGII/Bürgergeld. Irgendwann (es ließ sich nicht mehr klären wann, habe dazu daher leider auch keinen Brief des Jobcenters, ist aber viele Jahre her) hat das Jobcenter anders als vorher nicht mehr die komplette Miete übernommen. Seit x Jahren werden rund 60 Euro weniger übernommen. Kann sein, dass die Miete irgendwann im Laufe der Jahre höher wurde als erlaubt, die Miterhöhungen waren aber immer relativ moderat. Ausgezogen ist hier nie jemand. Lebe allein. Ungefähr Angaben 380 Euro Grundmiete, 150 Euro Betriebskosten, Heizkosten 80 Euro. Die Heizkosten werden vom Jobcenter übernommen. Wenn es noch Sinn macht kann ich den kWh-Verbrauch raussuchen.


JensM1

ZitatUngefähr Angaben 380 Euro Grundmiete, 150 Euro Betriebskosten

Angemessene Bruttokaltmiete beträgt aktuell 426,00 Euro. Falls Wohndauer größer als 10 Jahre hättest du noch Anspruch auf einen Zuschlag von 10 %. Zusätzlich muss noch der Umzugsvermeidungszuschlag - bei nicht absehbaren Leistungsende ca. 50 Euro, genaue Höhe muss ich bei Bedarf noch mal googeln, berücksichtigt werden.

Insgesamt müssten also mindestens 476,00 Euro (ohne Zuschlag 10 %) Bruttokaltmiete + die Heizkosten übernommen werden.

ZitatSeit x Jahren werden rund 60 Euro weniger übernommen.

Kann nicht nachvollziehen, warum die BKM "nur" auf 480,00 Euro statt auf 426,00 Euro oder weniger festgesetzt worden ist.

Die Angemessenheit hat sich in den letzten Jahren mehrfach erhöht, zuletzt auf 426,00 Euro, seit 01.02.23 auf 426,00 Euro + Umzugsvermeidungszuschlag.

Evtl. haben die schon immer einen Zuschlag von 10 % bspw wegen längerer Wohndauer berücksichtigt. Oder der Umzugsvermeidungszuschlag, wäre mir aber neu, dass der vor 2023 berücksichtigt worden ist.

PaulHilft

Es gilt der gleich behandlugns Grundsatz.

Wenn eine Wohnung in dem gleichen Bereich vom JobCenter übernommen wird, dann muss der gleiche Betrag auch in dem gleichen Bereich für die anderen Möglich sein.

Egal, ob 1 Zimmer 30qm nahe des schönen Schlossgartens im Villenviertel. Diese kostet genau so viel wie 5 Zimmer 100qm am Rand des Villenviertels in einem runtergekommen en Altbau. Die kosten sind identisch.
Und wenn es eine SozialWohnung gibt die in diesem Viertel sogar noch teurer ist, und vom JC übernommen wird, dann steigt die Summe für die anderen Wohnungen mit. Es gibt eine Summe die für alle gleich ist. Und es bleibt dir überlassen, mit der Summe etwas zu finden.

JensM1

Habe noch mal gegoogelt. Laut den Ausführungsvorschriften zur Gewährung von Leistungen gemäß § 22 SGB II und §§ 35 und 36 SGB XII (AV-Wohnen) Nr. 6.4.1 Abs. 2 beträgt der Umzugsvermeidungszuschlag pauschal 15%.

Damit ergebe sich aktuell eine Angemessenheit BKM von 426,00 Euro + 63,90 Euro = 489,90 Euro.

Bei Wohndauer über 10 Jahre würde sich diese um 42,60 Euro auf 532,50 Euro erhöhen.

Nicht nachvollziehbar ist nach den Ausführungen TE die Angemessenheitssenkung auf eine BKM von ca. 470,00 Euro. Ich würde mir den Bescheid zur Kostensenkung in Kopie anfordern, um zu schauen, ob da schon irgendwelche Zuschläge drin waren (Obdachlosigkeitsvermeidungszuschlag o. ä. weil bspw. Rausschmiss von Eltern oder kurzfristig bei Bekannten ohne eigene Wohnung). Der müsste dir weiterhin zusätzlich gewährt werden und dann würden vermutlich schon seit Jahren zu wenig Kosten der Unterkunft übernommen werden.

Filip2610

Herzlichen Dank für die tolle Unterstützung. :sehrgut:

Laut letztem Jobcenter-Bescheid bekomme ich aktuell vom Jobcenter monatlich Grundmiete 471,50 Euro und Heizkosten 64,00 Euro und Mehrbedarf Warmwassererzeugung 10,26 Euro. Die Grundmiete beträgt 385,10 Euro und die Betriebskosten 149,89 Euro. Die Wohndauer ist schon mehr als 25 Jahre.

,,Habe noch mal gegoogelt. Laut den Ausführungsvorschriften zur Gewährung von Leistungen gemäß § 22 SGB II und §§ 35 und 36 SGB XII (AV-Wohnen) Nr. 6.4.1 Abs. 2 beträgt der Umzugsvermeidungszuschlag pauschal 15%.

Damit ergebe sich aktuell eine Angemessenheit BKM von 426,00 Euro + 63,90 Euro = 489,90 Euro.

Bei Wohndauer über 10 Jahre würde sich diese um 42,60 Euro auf 532,50 Euro erhöhen."

Wenn das stimmen würde, dann würde ich also anscheinend zu wenig Geld erhalten.

,,Ich würde mir den Bescheid zur Kostensenkung in Kopie anfordern, um zu schauen, ob da schon irgendwelche Zuschläge drin waren"

Das werde ich dann wohl mal machen.