Vorläufige Einstellung ihrer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes

Begonnen von Brotzeit, 27. September 2023, 11:19:42

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TripleH

Man muss den Absatz 3 auch verstehen. Den gibt es, weil z. B. bereits ein Verwaltungsverfahren (Antrag) oder ein Widerspruchsverfahren Hauptsache sein kann (und nicht erst nach x Monaten die darauf basierende Klage). Da hier das richtige Rechtsmittel aber nunmal die Leistungsklage ist, bedarf es nunmal der Klage als Hauptsache.

Petra

Zitat von: TripleH am 29. September 2023, 19:14:54Man muss den Absatz 3 auch verstehen. Den gibt es, weil z. B. bereits ein Verwaltungsverfahren (Antrag) oder ein Widerspruchsverfahren Hauptsache sein kann (und nicht erst nach x Monaten die darauf basierende Klage). Da hier das richtige Rechtsmittel aber nunmal die Leistungsklage ist, bedarf es nunmal der Klage als Hauptsache.

Ottokar

Zitat von: TripleH am 29. September 2023, 19:14:54Da hier das richtige Rechtsmittel aber nunmal die Leistungsklage ist, bedarf es nunmal der Klage als Hauptsache.
Das ist und bleibt Unsinn.
Eine Hauptsacheklage dauert mindestens 12 Monate, die ist damit offensichtlich ungeeignet, um gegen den Entzug existenzsichernder Leistungen vorzugehen.
Ein Antrag auf eine einstweilige Anordnung nach § 86b Abs. 2 S. 2 SGG setzt weder ein Hauptsacheverfahren noch ein Widerspruchsverfahren voraus.
Genau darin liegt ja die Bedeutung einstweiligen Rechtsschutzes.
Meine Beiträge beinhalten oder ersetzen keine anwaltliche Beratung oder Tätigkeit.
Für eine verbindliche Rechtsberatung und -vertretung suchen Sie bitte einen Anwalt auf.


TripleH

Du kannst gern diese Meinung haben. Ich fürchte nur, dass es ein Gericht nunmal so sieht:

ZitatUm einen Anordnungsgrund im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes glaubhaft zu machen, hat der Antragssteller darzulegen, welche Nachteile zu erwarten sind, wenn er auf den Ausgang des Hauptsacheverfahrens verwiesen wird

Link zur Entscheidung in einem meiner vorherigen Beiträgen.

Sinn und Zweck eines solchen Antrages ist es ja nunmal, dass eine vorläufige Regelung ergeht, damit die "12 Monate" bis zur Verhandlung der Hauptsacheklage überbrückt wird.

malsumis

Ja, das Verstehen scheint bei einigen wohl das größte Handicap zu sein.
In der von dir rosinengepickten Passage geht es um die Glaubhaftmachung des Anordnungsgrundes.
Um einen Anordnungsgrund im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes glaubhaft zu machen, hat der Antragssteller darzulegen, welche Nachteile zu erwarten sind, wenn er auf den Ausgang des Hauptsacheverfahrens verwiesen wird.
Mit welcher verqueren Logik du hieraus entgegen dem eindeutigen Wortlaut des Abs. 3 eine Klage als Voraussetzung für einen Antrag nach Abs. 2 schlussfolgerst, ist dir wohl selbst nicht klar.
Wenn Helga schon solche Defizite beim Textverständnis hat, dann hätte sie sich das ganze auch aus der einschlägigen Rechtsprechung und Literatur herauslesen können. Aber auch dafür muss man wissen, wie und wo man suchen soll.
ZitatLSG Berlin-Brandenburg, 30.06.2022 - L 7 KA 8/22 ER:
Der Antrag ist zulässig. Er ist auf Erlass einer Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 SGG gerichtet und statthaft. Der Senat hat bereits entschieden, dass vorläufiger Rechtsschutz gegenüber den Richtlinien des Antragsgegners zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes eröffnet ist, wenn das durch den Eilrechtsschutz zu sichernde Hauptsacheverfahren auf Überprüfung einer Norm in Gestalt der Feststellungsklage gerichtet ist (Beschluss vom 26. Januar 2011, L 7 KA 79/10 KL ER). Die Zulässigkeit des Antrags setzt nicht voraus, dass die in der Hauptsache statthafte Feststellungsklage bereits erhoben worden ist (§ 86b Abs. 3 SGG, vgl. Burkiczak in: Schlegel/Voelzke, juris-PK-SGG, § 86b Rdnr. 351 f.). Dies gilt jedenfalls solange, wie das Klagerecht in der Hauptsache nicht verwirkt ist.

Ottokar

Zitat von: TripleH am 06. Oktober 2023, 20:54:11Du kannst gern diese Meinung haben. Ich fürchte nur, dass es ein Gericht nunmal so sieht:
Das ist nicht meine Meinung, das ist Gesetz.

Zitat von: TripleH am 06. Oktober 2023, 20:54:11Sinn und Zweck eines solchen Antrages ist es ja nunmal, dass eine vorläufige Regelung ergeht, damit die "12 Monate" bis zur Verhandlung der Hauptsacheklage überbrückt wird.
Und genau da liegt dein Fehler, denn nicht nur das ist Sinn und Zweck eines solchen Antrages, sondern nur einer davon, wie § 86b Abs. 3 SGG klarstellt.

Nach § 86b Abs. 2 S. 2 SGG kann eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen werden.
Mit streitigem Rechtsverhältnis sind die Rechtsbeziehungen zwischen Personen oder Personen und Gegenständen gemeint.
Bei der Regelungsanordnung handelt es sich um zustandssichernde und zustandsverbessernde Maßnahmen.
Die Regelungsanordnung ist dabei zulässig, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint.
Die Regelungsanordnung ist dabei zulässig, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Sie kann eine Rechtsposition vorläufig begründen oder erweitern, z.B. die Verpflichtung zu einer weiteren Leistung aussprechen, allerdings kann sie auch eine Feststellung enthalten.

Auch hier müssen wie in § 86b Abs. 1 SGG die allgemeinen Prozessvoraussetzungen vorliegen. Demnach muss der Rechtsweg zu den Sozialgerichten gegeben sein und für den Fall einer weiteren Klageerhebung eine andere Klageart als die Anfechtungsklage vorliegen. Es gelten die allgemeinen Regelungen über die Beteiligtenfähigkeit und Prozessfähigkeit, es muss ein Rechtsschutzbedürfnis vorliegen und es ist ein Antrag erforderlich. Der Antrag ist dabei an keine besondere Form oder Frist gebunden, demnach gelten die allgemeinen Grundsätze.
Damit hier ein Rechtsschutzbedürfnis vorliegt, muss sich der Antragsteller zuvor schon an die Verwaltung gewandt haben, dort einen Antrag auf die Leistung gestellt und die normale Bearbeitungszeit abgewartet haben. Wenn die Sache sehr eilig sein sollte und der Antragsteller aus besonderen Gründen mit großer Wahrscheinlichkeit davon ausgehen kann, bei der Verwaltung kein Gehör zu finden, kann ausnahmsweise bereits ohne förmlichen Antrag auf die Leistung, ein Rechtsschutzbedürfnis bestehen.
Wenn ein Bescheid, welcher eine Leistung ablehnt, schon bestandskräftig ist, ist ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht zulässig. Der Antrag kann bereits vor der Klageerhebung in der Hauptsache gestellt werden, nach dem Erlass eines rechtskräftigen Urteils in der Hauptsache ist ein Antrag jedoch nicht mehr zulässig, außer es werden dabei neue Tatsachen glaubhaft gemacht. Auch kann ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung in einen Antrag auf einstweilige Anordnung umgedeutet werden.


Wie du schon richtig erkannt hast, ist aufgrund der vorläufigen Leistungseinstellung der Rechtsweg zum Sozialgericht in Form einer (echten) Leistungsklage eröffnet.
Aufgrund § 86b Abs. 3 SGG ist genau das als Voraussetzung für eine einstweilige Anordnung nach § 86b Abs. 2 S. 2 SGG bereits ausreichend, einer tatsächlichen Klageerhebung bedarf es hierzu nicht, es reicht die bloße Möglichkeit, dass eine Hauptsacheklage erhoben werden kann.
Eine zusätzliche tatsächliche Klageerhebung in der Hauptsache ist im Fall einer vorläufigen Leistungseinstellung nicht nur nicht erforderlich, sondern auch deshalb nicht zielführend, weil die vorläufige Leistungseinstellung nach § 40 Abs. 2 Nr. 4 SGB II i.V.m. § 331 SGB II aufgrund § 331 Abs. 2 SGB III nur für die Dauer von 2 Monaten zulässig ist, danach muss die Behörde eine abschließende Entscheidung treffen, also entweder einen Aufhebungsbescheid erlassen, oder die Zahlung rückwirkend wieder aufnehmen. Tut sie das rechtswidrig nicht, kann an dieser Stelle immer noch eine Leistungsklage erhoben werden.
Der Klagegrund einer Leistungsklage würde wegen § 331 Abs. 2 SGB II somit regelmäßig bereits spätestens 2 Monate nach Klageerhebung wieder entfallen, was die Leistungsklage ab dann unzulässig macht. Sofern man nicht aufgrund der besonderen Umstände beabsichtigt, die Klage dann als Fortsetzungsfeststellungsklage weiterzuführen, macht eine Leistungsklage bei einer vorläufigen Leistungseinstellung also keinen Sinn.
Ein Abwarten der 2monatfrist des § 331 Abs. 2 SGB III ist im Bereich der Grundsicherung allerdings absolut unzumutbar, weshalb hier eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 S. 2 SGG zulässig ist.
Im Falle einer vorläufigen Leistungseinstellung nach § 40 Abs. 2 Nr. 4 SGB II i.V.m. § 331 SGB II ist somit i.d.R. eine einstweilige Anordnung nach § 86b Abs. 2 S. 2 SGG sowohl ausreichend als auch das Mittel der ersten Wahl, um die 2monatfrist des § 331 Abs. 2 SGB III zu überbrücken.
Meine Beiträge beinhalten oder ersetzen keine anwaltliche Beratung oder Tätigkeit.
Für eine verbindliche Rechtsberatung und -vertretung suchen Sie bitte einen Anwalt auf.


Brotzeit

Moin,

kurzer Zwischenbericht:die vorläufig eingestellten Leistungen wurden mir heute überwiesen. Schriftlich habe ich zur Sache bis dato nichts weiter erhalten.

Eine Einladung nach §59 SGB II in Verbindung mit §309 SGB III (Besprechung der beruflichen Situation) habe ich ohne mein Zutun in der Zwischenzeit auch erhalten.

Nochmal vielen Dank @Ottokar für die Formulierungshilfe.

Gruß
Brotzeit