Darf das Grundsicherungsamt medizinische Daten abfragen?

Begonnen von divja, 04. Dezember 2023, 09:08:29

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divja

Hallo allerseits!

Das Jobcenter hat mich wegen Erwerbsunfähigkeit (durch Gutachter vom JC festgestellt) an das Grundsicherungsamt verwiesen. Anspruch auf Erwerbsminderungsrente besteht nicht, da ich die Versicherungsbedingungen nicht erfülle.

Das Grundsicherungsamt sollte somit einen Antrag auf Feststellung meiner Erwerbsminderung beim Rentenversicherungsträger stellen. Hierzu wurde ich zu einem persönlichen Gespräch bei einem Sachbearbeiter der Gemeindeverwaltung vorgeladen. Er hat meine Daten abgefragt und am PC den Antrag ausgefüllt. Fragen zu gesundheitlichen Einschränkungen habe ich nicht beantwortet, da mir das in diesem Setting nicht angemessen erschien. Zumal noch andere Personen im Raum waren und ein Verwaltungsangestellter quasi aus dem nächsten Dorf meinem Gefühl nach nicht die Person ist, der ich meine gesundheitlichen Daten offenlegen möchte.

Dieser Antrag wurde nun abgelehnt, da dem Rentenversicherungsträger keine ausreichenden medizinischen Unterlagen vorliegen und ich bezüglich meiner Gesundheitsstörungen gegenüber dem Grundsicherungsamt keine Angaben gemacht hätte. Ich bin davon ausgegangen (so wie es mir auch bei der Vorsprache gesagt wurde) dass der Rentenversicherungsträge zu mir Kontakt aufnimmt, mir einen Gesundheitsfragebogen zusendet bzw. mich zu deren Gutachter bestellt.

Ich will nun Widerspruch einlegen und meine Frage wegen der Begründung wäre: Darf eine Gemeindeverwaltung überhaupt in einem persönlichen Gespräch medizinische Daten von mir erfragen, um sie an den Rentenversicherungsträger weiterzuleiten? Wie ist diesbezüglich die Gesetzeslage?

PaulHilft

Bei mir genau die gleiche Konstellation.
Ja, mach Widerspruch und reich gerne die Unterlagen direkt ein.

Der Sachbearbeiter hätte sonst die Medizinischen Unterlagen in einem verschlossenen Umschlag von dir annhemen können und diese weiterleiten können.

Das zumindest ein weg.

PS: Die lehnen momentan alles ab um Geld zu sparen. Wehr dich.

TripleH

ZitatIch will nun Widerspruch einlegen

Gegen was? Die gutachterliche Stellungnahme der DRV ist kein Verwaltungsakt.

divja

Zitat von: TripleH am 04. Dezember 2023, 13:56:47Gegen was?

Gegen den Bescheid von der Gemeindeverwaltung, dass der Antrag von der DRV abgelehnt wurde.

Auf dem Bescheid gibt es eine Rechtsbehelfsbelehrung, dass ich Widerspruch einlegen kann.

Kopfbahnhof

Zitat von: divja am 04. Dezember 2023, 09:08:29Darf eine Gemeindeverwaltung überhaupt in einem persönlichen Gespräch medizinische Daten von mir erfragen, um sie an den Rentenversicherungsträger weiterzuleiten?
NEIN

Zitat von: divja am 04. Dezember 2023, 15:18:11Auf dem Bescheid gibt es eine Rechtsbehelfsbelehrung, dass ich Widerspruch einlegen kann.
Was heist das jetzt, du bekommst gar kein Geld mehr?

Ich habe doch schwere Zweifel, dass das JC hier Rechtmäßig gehandelt hat.

Widerspruch ist hier schon mal ein Muss.
Kein Geld von irgendwo? Dann sofort auf zum SG und gegen das JC und evtl. Grusi Amt vor gehen.

divja

Zitat von: Kopfbahnhof am 04. Dezember 2023, 16:38:48Was heist das jetzt, du bekommst gar kein Geld mehr?

Doch, ich bekomme Geld vom Jobcenter bis die DRV ebenfalls über meine Erwerbsunfähigkeit entschieden hat und mir dann Grundsicherung zustehen würde.

Kopfbahnhof

Zitat von: divja am 04. Dezember 2023, 16:55:37bekomme Geld vom Jobcenter bis die DRV ebenfalls über meine Erwerbsunfähigkeit entschieden hat
Das muss auch so sein.
An den Bescheid der RV ist das JC dann gebunden!

Was das mit dem Grusi Amt dann soll, verstehe ich nicht.

Du bist beim JC, was dich nicht einfach zum Grusi Amt schicken kann.
So lange bis deine Erwerbsfähigkeit bei der RV nicht geklärt ist.

https://www.test.de/Sozialhilfe-Voraussetzungen-Antrag-Pflichten-5795178-0/

Jimmy Neutron

Der korrekte Weg wäre gewesen:
1. Feststellung der Erwerbsfähigkeit durch das Jobcenter
2. Sind die Vorraussetzungen für einen Rentenanspruch offensichtlich nicht erfüllt, ist der Sozialhilfeträger zu informieren und das JC macht einen Erstattungsanspruch geltend. Ein Antrag auf Sozialhilfe nach dem 3. Kapitel (Hilfe zum Lebensunterhalt) SGB XII ist nicht erforderlich, da die Zuständigkeit automatisch eintritt. Anspruch auf Grundsicherung nach dem 4. Kapitel würde nur bei einer vollen und dauerhaften Erwerbsminderung. Das JC kann grundsätzlich fordern, dass man einen Antrag nach dem 4. Kapitel stellt.
3. Der Sozialhilfeträger muss die Feststellung aus 1 nicht akzeptieren und kann dem widersprechen. Hierfür sind aber berechtigte Zweifel erforderlich. 
4. Bei einem Widerspruch übersendet das JC und der Ärztliche Dienst die Widerspruchsbegründung und alle anderen notwendigen Unterlagen an den Rentenversicherungsträger.
5. Das Ergebnis des Gutachtens ist sowohl für das JC als auch den Sozialhilfeträger bindend.


Einfach ablehnen, darf der Sozialhilfeträger den Antrag auf Leistungen nicht. Ich würde der Entscheidung des Sozialhilfeträgers widersprechen und in die Schranken weisen. Du bist nicht verpflichtet gesundheitliche Daten an einen Sachbearbeiter zu geben. Offensichtlich fehlte es an Zweifeln für den Widerspruch und so hat man diesen Weg gefehlt. Bevor es aber Probleme diesbezüglich mit dem Jobcenter gibt, würde ich einen Widerspruch einreichen. Ab Eingang in deinem Briefkasten hast du einen Monat Zeit für den Widerspruch. Naht das Ende der Frist, würde ich zunächst einmal fristwahrenden Widerspruch einreichen und mitteilen, dass die Begründung nachgereicht wird. Außerdem im Rahmen des Widerspruchs Akteneinsicht nach § 27 SGB X beantragen, um mal nachzuschauen, was die da so zu deiner Sache stehen haben und mit wem die versucht haben Kontakt aufzunehmen um Gesundheitsdaten von dir zu bekommen.
Wenn man dir dabei helfen soll, wäre es notwendig, den Ablehnungsbescheid mal durchlesen zu können. Könntest du diesen hier einstellen und deine und die Daten der Behörde unkenntlich machen?

Zitat von: PaulHilft am 04. Dezember 2023, 12:00:29Der Sachbearbeiter hätte sonst die Medizinischen Unterlagen in einem verschlossenen Umschlag von dir annhemen können und diese weiterleiten können.

Das zumindest ein weg.
Nein, ist er nicht!

Zitat von: PaulHilft am 04. Dezember 2023, 12:00:29PS: Die lehnen momentan alles ab um Geld zu sparen. Wehr dich
Absoluter Quatsch!

divja

Danke für die ausführliche Antwort!  :ok:

Ich habe hier mal den Ablehnungsbescheid hochgeladen.

Kopfbahnhof

Daran kann ich jetzt nichts falsches Erkennen.

Du bist beim JC, somit ist das Sozialamt gar nicht für dich zuständig.

Offenbar fehlen der RV wichtige Unterlagen, um die Erwerbsfähigkeit bei dir fest stellen zu können?

Ottokar

Zitat von: divja am 04. Dezember 2023, 09:08:29Darf eine Gemeindeverwaltung überhaupt in einem persönlichen Gespräch medizinische Daten von mir erfragen, um sie an den Rentenversicherungsträger weiterzuleiten?
Nein, darf sie nicht. Dies verstößt gegen den Sozialdatenschutz.
Eine Mitwirkungspflicht besteht diesbezüglich auch nur gegenüber dem Gutachter: § 62 SGB I.
Die Antragsablehnung ist rechtswidrig, da du gegenüber dem Sozialamt keine medizinischen Daten offenlegen musst.
Im Übrigen ist das JC verpflichtet, dir weiterhin Bürgergeld zu zahlen (§ 43 SGB I).

Abgesehen davon würde ich hier selbst einen Antrag auf Erwerbsminderungsrente bei der DRV stellen.
Meine Beiträge beinhalten oder ersetzen keine anwaltliche Beratung oder Tätigkeit.
Für eine verbindliche Rechtsberatung und -vertretung suchen Sie bitte einen Anwalt auf.


divja


TG

Das Jobcenter hat mich wegen Erwerbsunfähigkeit (durch Gutachter vom JC festgestellt) an das Grundsicherungsamt verwiesen. Anspruch auf Erwerbsminderungsrente besteht nicht, da ich die Versicherungsbedingungen nicht erfülle.

Damit ist die DRV raus und automatisch Grundsicherung drin.

Kopfbahnhof

Zitat von: TG am 22. Dezember 2023, 17:30:13Damit ist die DRV raus und automatisch Grundsicherung drin
So ein Blödsinn, lies dir erst mal das Thema durch.

Die RV hat bzw. konnte noch gar nichts dazu entscheiden.

So lange ist das JC weiter zuständig.