Pflegende Angehörige

Begonnen von mark80, 09. Dezember 2023, 19:29:42

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Ottokar

@begees
Das ich Verwaltungsanweisungen meine, hatte ich schon korrigiert.
Wenn du keine kommunalen Verwaltungsanweisung kennst, die hinsichtlich der Nichtanrechnung weitergegebenen Pflegegeldes bundesweit einheitliche Regelungen haben, kann ich daran auch nichts ändern. Einen Widerspruch beinhaltet diese Aussage jedoch nicht.
Das die Nichtanrechnung dazu auf der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts basiert, und gerade deshalb die kommunalen Verwaltungsanweisung in dem Punkt bundesweit einheitlich sind, hatte ich bereits geschrieben.
Das ich ein Kompetenzzentrum verlinkt habe und keine Kommune, weis ich selbst, ich habe auch nicht geschrieben, dass es sich um eine Kommune handelt.
Wie du auf diesen Unfug kommst, über den du dich hier aufbläst, ist nicht nachvollziehbar. Aber du kannst dich gern weiter aufblasen und damit dein Ego pushen.
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Jimmy Neutron

Zitat von: Ottokar am 28. Dezember 2023, 10:49:47Die sittliche Pflicht wird nur im EStG bei der Beurteilung der Steuerfreiheit als rechtliche Voraussetzung genannt (§ 3 Nr. 36 EStG). Im SGB II und XII gibt es keine Regelungen, wonach Einnahmen, die aus der Erfüllung einer sittlichen Pflicht resultieren, nicht als Einkommen zu berücksichtigen sind.
Ist dies neu? Ich bin eigentlich davon ausgegangen, dass deine bisherige Feststellung bzgl. der Verbindung zwischen Steuerfreiheit und Anrechnungsmöglichkeit korrekt ist.

ZitatDas an eine Pflegeperson vom Pflegebedürftigen weitergeleitete Pflegegeld gem. § 37 SGB XI bleibt bei Ansprüchen auf Alg II nur dann anrechnungsfrei, wenn die Pflege von Angehörigen oder von Personen, die damit eine sittliche Pflicht gegenüber dem Pflegebedürftigen erfüllen, erbracht wird. (Leitsatz des Verfassers)
LSG Hamburg, Urteil vom 08.09.2016 - L 4 AS 569/15

Zitat1. Pflegegeld, welches die zu pflegende Person an eine Pflegeperson weiterleitet, wird als Einkommen nach dem SGB II angerechnet.

2. Etwas anderes gilt nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 ALG II-VO nur dann, wenn die Leistungen der Grundpflege oder hauswirtschaftlichen Versorgung von Angehörigen des Pflegebedürftigen erbracht werden oder von anderen Personen, die damit eine sittliche Pflicht gegenüber dem Pflegebedürftigen erfüllen, d.h. von Personen, die sich dieser Pflicht aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen können (§ 3 Nr. 36 i.V.m. § 33 Abs. 2 S. 1 EStG). (Leitsätze des Verfassers)
LSG Hessen, Urteil vom 12.11.2014 - L 6 AS 491/11
https://openjur.de/u/755013.html

Die Leitsätze stammen aus der Anmerkung von Rechtsanwalt Prof. Dr. Hermann Plagemann, Plagemann Rechtsanwälte Partnerschaft mbB, Frankfurt am Main zu den Entscheidungen.

Zitat§ 1 Abs. 1 Nr. 4: Nicht steuerpflichtige Einnahmen einer Pflegeperson für Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung (sog. weitergegebenes Pflegegeld). Nicht steuerpflichtig sind (§ 3 Nr. 36 EStG) Einnahmen für Leistungen zur Grundpflege oder hauswirtschaftlichen Versorgung bis zur Höhe des Pflegegeldes (§ 37 SGB XI), wenn diese Leistungen von Angehörigen des Pflegebedürftigen oder von andern Personen, die damit eine sittliche Pflicht (im Sinne des § 33 Abs. 2 EStG) gegenüber dem Pflegebedürftigen erfüllen, erbracht werden; entsprechendes gilt, wenn der Pflegebedürftige Pflegegeld aus privaten Versicherungsverträgen nach der Vorgabe des SGB XI oder eine Pauschalbeihilfe nach Beihilfevorschriften für häusliche Pflege erhält. Die Leistungen der Pflegeversicherung an den Berechtigten sind nach dem SGB XI (§ 13 Abs. 5) nicht zu berücksichtigen, ebenso Leistungen der Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII (§§ 61 ff.) gemäß § 11a Abs. 3 Satz 1.
Münder/Geiger/Lenze, SGB II 8. Auflage 2023, Rn. 41

ZitatPrivilegiert werden diese Leistungen bei Pflege von Angehö-
rigen. Angehörige sind Ehepartner/in, Verlobte/r, Geschwister, Verwandte und Verschwägerte sowie Geschwister des Ehepartners/der Ehepartnerin und Ehepartner/in und Kinder von Geschwistern, auch Pflegeeltern und Pflegekinder. Eine sittliche Verpflichtung kann auch infolge innerer Bindungen z. B. als Stiefkind, Partner/in in eheähnlicher Gemeinschaft oder langjährige Haushaltshilfe angenommen werden, insbesondere bei Vorliegen einer Haushaltsgemeinschaft (HG). Im Übrigen kommt es vornehmlich auf langjährige Beziehungen oder soziale Bindungen an, z. B. bei Nachbarn/Nachbarinnen.
Fachliche Weisungen §§ 11-11b SGB II, Rn. 11.110, Stand 01.07.2023

Im SGB XII finde ich unterschiedliche Meinungen. Die einen schließen eine Anrechnung aus und die anderen nur, wenn eine sittliche Verpflichtung besteht.

Im SGB II jedenfalls ist meine aktuelle Kenntnis, dass die Aufwandsentschädigung aus der Nachbarschaftshilfe bzw. weitergeleitetes Pflegegeld bzw. Verhinderungspflege als Einkommen berücksichtigt wird, bis auf genannten Ausnahmen und das Pflegegeld, was man als Pflegebedürftiger erhält, nicht als Einkommen angerechnet werden kann. Wenn sich da was geändert hat, wäre das hochinteressant.

Zitat von: Ottokar am 28. Dezember 2023, 10:49:47Dein Sozialamt, und vermutlich auch noch andere, legen hier offensichtlich die veraltete und nicht mehr anwendbare Vorgängerversion der Landesverordnung zur sog. Nachbarschaftshilfe zugrunde, wonach man sich bei der Kommune oder einer als gemeinnützig anerkannten Organisation als ehrenamtlicher Nachbarschaftshelfer registrieren musste, und die Einnahmen - imho in falscher Anwendung bereits damals geltender Rechtsnormen - als steuerfreie Einnahme nach § 3 Nr 26 EStG angesehen wurde.
Sehr interessant.
Die Nachbarschaftshilfe wird in Niedersachsen seit 2022 gezahlt. Dass die das dann immer noch nach veralteter Normen einführen, wie dämlich ist das denn bitte.

PaulHilft

Was mir gerade noch einfällt, ist dass "Pflegegeld darf nicht gepfändet werden. ... weitergeleitetes Pflegegeld nicht als Arbeitseinkommen gilt." Quelle.

Ich find das beißt sich etwas mit den ganzen anderen auch guten Aussagen der letzten Jahre. =)

@Jimmy Neutron, ja, in Niedersachsen werdne nur die zwei Versionen von 2021 verlinkt.
Ehrenamt und Nachbarschaftshilfe.

Echt klasse, was wir alle gemeinsam wissen. Ich hab all eure Links durchgelesen.

Ottokar

#33
Zitat von: Jimmy Neutron am 29. Dezember 2023, 21:58:08Ist dies neu?
Das ist schon immer so.
Meine bisherigen Feststellungen bzgl. der Verbindung zwischen Steuerfreiheit und Anrechnungsmöglichkeit basieren allein auf den Regelungen in SGB II und XII mit Gesetzesverweisen auf das EStG.
Offenbar siehst du das nur aus der falschen Richtung: nicht die Steuerfreiheit führt zur Nichtanrechung, sondern die Festlegung zur Nichtanrechung im SGB II/XII.

Zitat von: Jimmy Neutron am 29. Dezember 2023, 21:58:08Im SGB II jedenfalls ist meine aktuelle Kenntnis, dass die Aufwandsentschädigung aus der Nachbarschaftshilfe bzw. weitergeleitetes Pflegegeld bzw. Verhinderungspflege als Einkommen berücksichtigt wird, bis auf genannten Ausnahmen und das Pflegegeld, was man als Pflegebedürftiger erhält, nicht als Einkommen angerechnet werden kann. Wenn sich da was geändert hat, wäre das hochinteressant.
Da hat sich nichts geändert.

Der Bezug in deinen Quellen auf die sog. sittliche Pflicht resultiert aus zwei Urteilen:
1. Bundesfinanzhof vom 29.08.1996, Az. III R 4/95
2. Bundesverwaltungsgericht vom 04.06.1992, Az. 5 C 82/88
In beiden Urteilen geht es um Pflegegeld, wobei es auch für die Verhinderungspflege Pflegegeld gibt, der Entlastungsbeitrag ist jedoch ausdrücklich kein Pflegegeld.
Zudem ist das Urteil des BFH nur hinsichtlich der Steuerfreiheit relevant und nicht für die Berücksichtigung als Einkommen im SGB II/XII.
Und, dabei ganz besonders interessant, das Bundesverwaltungsgericht verwendet den Begriff der sittlichen Pflicht gar nicht. Vielmehr stellt es darauf ab, dass das Pflegegeld im SGB XII ja auch zusätzlich zur Grundsicherung gezahlt wird, also auf die von mir bereits genannte Normenkette (§ 63b Abs. 1 SGB XII i.V.m. § 82 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB XII), und deshalb auch dann nicht als Einkommen berücksichtigt werden darf, wenn es an einen Grundsicherungsempfänger weitergeleitet wird ("jedenfalls dann unzulässig ist, wenn es sich bei der Pflegeperson um den nicht getrennt lebenden Ehegatten des Pflegebedürftigen handelt.").

Während das BVerwG nur nahe Angehörige privilegiert (strenggenommen sogar nur Haushaltsmitglieder), geht die ALG II-V/Bürgergeld-Verordnung weiter und privilegiert in § 1 Abs. 1 Nr. 4 "nicht steuerpflichtige Einnahmen einer Pflegeperson für Leistungen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung," ohne Einschränkung des Personenkreises.
Zwar ist der Entlastungsbetrag nach § 45b SGB XI lt. § 3 Nr. 36 EStG steuerfrei und zu den nach Landesrecht anerkannten Angeboten zur Unterstützung im Alltag im Sinne des § 45a SGB XI gehört auch die Haushaltsführung (=hauswirtschaftliche Versorgung), jedoch ist der Nachbarschaftshelfer keine Pflegeperson (und darf es auch nicht sein). Somit lässt sich § 1 Abs. 1 Nr. 4 Bürgergeld-V auch nicht auf den Entlastungsbetrag anwenden.

Was den Entlastungsbetrag als Einkommen im SGB II/XII betrifft, bleibt es bei dem, was ich bereits schrieb.
Eine Nichtberücksichtigung der Einnahme aus Nachbarschaftshilfe war und ist nur dann gegeben, wenn der Nachbarschaftshelfer für und im Auftrag einer gemeinnützigen Organisation tätig ist und von dieser bezahlt wird. Denn nur dann ist für diese Einnahme § 3 Nr 26 EStG anzuwenden, für welche sowohl im SGB II als auch XII eine Nichtanrechenbarkeit geregelt ist.
Andernfalls ist die Einnahme aus Nachbarschaftshilfe Einkommen aus einer Nebentätigkeit.
Das diese Einnahme nach § 3 Nr. 36 EStG steuerlich privilegiert ist, spielt dabei keine Rolle, da weder SGB II noch XII eine Regelung beinhalten, welche Einnahmen aus steuerfreiem Einkommen nach § 3 Nr. 36 EStG privilegiert.
Ob der Nachbarschaftshilfe eine sittliche Pflicht zugrunde liegt, spielt dabei ebenfalls keine Rolle, da weder SGB II noch XII eine Regelung beinhalten, welche Einnahmen privilegiert, die aus einer sittlichen Pflicht resultieren.
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