Darf ein Änderungsbescheid einen eigenständigen Regelungsgehalt haben?

Begonnen von gloegg, 19. März 2024, 11:02:30

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gloegg

Liebe Forumsmitglieder,

darf ein Änderungsbescheid einen "eigenständigen Regelungsgehalt" besitzen?

Meinem Verständnis nach darf ein solcher Bescheid nur bei "Änderung der Verhältnisse" erlassen werden.

Im konkreten Fall soll über einen Änderungsbescheid eine Leistung "nach erneuter Prüfung" entzogen werden.

Ottokar

Ein Änderungsbescheid muss einen "eigenständigen Regelungsgehalt" besitzen, andernfalls würde er ja nichts regeln.
Ein Änderungsbescheid ist ein kombinierter Aufhebungs- und Bewilligungsbescheid, er hebt die vorhergegangene Bewilligung auf und bewilligt die Leistung neu.
Gründe können z.B. höheres Einkommen, eine Betrebskostennachzahlung, Erhöhung der Regelleistung uvm. sein. Also alles, was zu einer Veränderung der Leistungshöhe führt.

Mit einem Änderungsbescheid kann eine Leistung nicht entzogen sondern nur eine höhere oder geringere Leistung festgestellt werden.
Für den Entzug der Leistung ist ein Aufhebungs- bzw. Versagungsbescheid erforderlich, der die Leistungsbewilligung für die Zukunft entzieht (§ 66 SGB I), aufhebt (§ 48 SGB X, § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 330 SGB III, auch rückwirkend), zurücknimmt oder widerruft (§ 45, § 47 SGB X, hier immer rückwirkend).
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TripleH

Zitat von: gloegg am 19. März 2024, 11:02:30darf ein Änderungsbescheid einen "eigenständigen Regelungsgehalt" besitzen?

Würde er keinen eigenständigen Regelungsgehalt (neue Regelbedarfe, Mehrbedarf Alleinerziehung nach Geburt, Mehrbedarf Schwangerschaft, neue Miethöhe etc.) beinhalten, wäre es eine "wiederholende Verfügung".

Wozu sollte ein solcher Bescheid gut sein?

Zitat von: gloegg am 19. März 2024, 11:02:30Im konkreten Fall soll über einen Änderungsbescheid eine Leistung "nach erneuter Prüfung" entzogen werden.

Ein Versagungs- oder Entziehungsbescheid ist im Normalfall die Folge fehlender Mitwirkung, § 66 SGB I.

gloegg

@Ottokar
@TripleH

Erst einmal vielen herzlichen Dank, dass Ihr Euch meiner Fragen angenommen habt.

Den Hinweis, dass ein Änderungsbescheid einen "eigenständigen Regelungsgehalt" hat, werde ich bei passender Gelegenheit unserem Sozialgericht erklären. Dort erklärte man mir letztens, dass Aufhebungsbescheide eben keinen "eigenständigen Regelungsgehalt" haben und deswegen auch nicht mit einem Widerspruch angefochten werden könnten...

Aber die Erklärung von Dir, Ottokar ist eindeutig, nachvollziehbar und - meiner Meinung nach - richtig. Und auch Dein Einwand, TripleH, ist logisch und nachvollziehbar.

Damit ist meine Frage beantwortet. Ich danke Euch von ganzem Herzen!


TripleH

Zitat von: gloegg am 19. März 2024, 16:36:19Dort erklärte man mir letztens, dass Aufhebungsbescheide eben keinen "eigenständigen Regelungsgehalt" haben und deswegen auch nicht mit einem Widerspruch angefochten werden könnten...

Ging es in dem Verfahren ausschließlich um diesen Aufhebungsbescheid oder um vorhergehende Bescheide?

Gibt es zu dieser Aussage etwas schriftliches vom SG?

Ottokar

Jeder Verwaltungsakt hat einen eigenen Regelungsgehalt und ist mittels Widerspruch anfechtbar.
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TripleH

Zitat von: Ottokar am 19. März 2024, 19:40:42Jeder Verwaltungsakt hat einen eigenen Regelungsgehalt und ist mittels Widerspruch anfechtbar.

Ich dachte an Bescheide, die ggf. aufgrund § 86 oder 92 SGG Gegenstand geworden sind. Da wäre ein Widerspruch unzulässig. Oder es ist tatsächlich ein Anscheinsverwaltungsakt, da die Aufhebung bereits in einem anderen Bescheid verfügt war.

Ottokar

Zitat von: TripleH am 19. März 2024, 21:37:17Ich dachte an Bescheide, die ggf. aufgrund § 86 oder 92 SGG Gegenstand geworden sind. Da wäre ein Widerspruch unzulässig.
Das ist richtig, dagegen wäre ein Widerspruch unzulässig, allerdings nicht aus dem Grund, weil diese keinen "eigenständigen Regelungsgehalt" haben.

Der Regelungscharakter unterscheidet ja gerade den Verwaltungsakt vom Verwaltungshandeln, nach § 31 SGB X ist es ja erst dann ein Verwaltungsakt, d.h. charakterisiert das Tun einer Behörde als solchen, wenn damit etwas nach außen hin geregelt wird.
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gloegg

Ich danke Euch. Das wird mir in Zukunft sicher sehr weiterhelfen.

Es ging vor dem Sozialgericht um einen anderen Aufhebungsbescheid. Die Begründung, dass "kein eigenständiger Regelungsgehalt" vorliegen würde, kam tatsächlich schriftlich, sowohl vom Jobcenter als auch vom Sozialgericht.
Ich hab's dann gelassen, wenn die sich gegenseitig beim Blödsinn machen hochschaukeln, gibt der Klügere lieber nach...  :zwinker:

hotwert

Wäre halt interessant was in dem Bescheid stand, das beide Seiten den selben Fehler machen ist ist schon komisch....

Wobei gerade in kleineren Kommunen das SG auch einfach mal mit dem JC telefoniert (die kennen sich ja auch, gerade bei uns hab ich das auch schon erlebt), evtl hat einer den Einwand gebracht und der andere das einfach so übernommen, obwohl es falsch ist.

TripleH

Zitat von: gloegg am 19. März 2024, 23:58:12wenn die sich gegenseitig beim Blödsinn machen hochschaukeln, gibt der Klügere lieber nach... 

Ich würde das auch sehr gern mal lesen. Das wäre äußerst ungewöhnlich, wenn ein Prädikatsjurist keine Ahnung von formellen Anforderungen haben soll.