Ratgeber Vermögen

Begonnen von Ottokar, 15. November 2008, 13:04:16

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Ottokar

Bei jedem Bürgergeld Antrag findet eine Vermögensprüfung statt.
Auch ein Weiterbewilligungsantrag ist rechtlich ein Neuantrag.

Voraussetzung für die Berücksichtigung als Vermögen ist, dass dieses kurzfristig verwertet werden kann (§ 12 Abs. 1 SGB II).

Das SGB II kennt verschiedene Vermögensfreibeträge und privilegierte Vermögen.
Grundsätzlich hat man auch das Recht, Vermögen vor Antragstellung so umzuverteilen, dass man diese maximal ausnutzen kann.
Auch bestehende Schulden darf man tilgen und notwendige Anschaffungen machen.
Wenn man weis, dass man Bürgergeld beantragen muss, sollte man unverzüglich sein Vermögen überprüfen, ob es unter die Freibetragsgrenzen fällt und es, falls erforderlich, umverteilen.
Wird der Antrag wegen zuviel Vermögen abgelehnt, darf dieses zwar immernoch umverteilt werden. Die Tilgung von Schulden ist dann jedoch insofern unzulässig, als dass das Vermögen vorrangig zur Lebensführung verwendet werden muss.
Generell nicht zulässig ist es, Vermögen zu verschleudern oder zu verschenken, dies löst immer einen Ersatzanspruch wegen sozialwidrigem Verhalten aus (§ 34 SGB II).

Vermögen
Vermögen ist alles das, was man am Tag vor der Antragstellung auf Bürgergeld bereits hatte (BSG B 14 AS 26/07 R).
Dazu gehört u.a.:
- Haus, Grundstück, Eigentumswohnung,
- Bargeld auf Konten und Depots,
- Aktien, Wechsel, Gesellschaftsanteile, Genossenschaftsanteile, Rechte aus Grundschulden,
- Verkehrswert des PKW abzgl. 7.500€ (BSG B14/7b AS 66/06 R),
- Rückkaufswert von Versicherungen,
- Schmuckstücke, Gemälde, Möbel, goldenen Wasserhähne, Diamanten besetzte Kronleuchter usw.,
- landwirtschaftliche Nutzflächen,
- Anwartschaften auf betriebliche Altersversorgung,
- Erbschaften,
u.v.m.
(Hinweis zum KFZ: Die Weisung der BA nennt seit 01.01.2023 einen Freibetrag von 15.000€, der sich auch in der Anlage VM findet, dieser hat jedoch bislang keine rechtliche Grundlage und ist u.a. für Optionskommunen nicht rechtsverbindlich.)

Privilegiertes Vermögen
Unter anderem nicht als Vermögen zu berücksichtigen sind (§ 12 Abs. 1 S. 2 SGB II, § 7 Abs. 1 Bürgergeld-Verordnung):
- angemessener Hausrat,
- ein KFZ pro Person ab 15 Jahren (Auto, Motorrad) bis zu einem Verkehrswert i.H.v. 7.500€,
- für die Altersvorsorge bestimmte Versicherungsverträge und andere Formen der Altersvorsorge, wenn diese nach Bundesrecht ausdrücklich als Altersvorsorge gefördert werden,
- ein selbst genutztes Hausgrundstück mit einer Wohnfläche von bis zu 140qm oder eine selbst genutzte Eigentumswohnung von bis zu 130 Quadratmetern für bis zu vier Personen, zzgl. 20qm für jede weitere Person,
- Vermögen zur Beschaffung oder Erhaltung eines angemessenen Hausgrundstücks oder Eigentumswohnung für Behinderte oder Pflegebedürftige,
- Vermögensgegenstände, die für die Aufnahme oder Fortsetzung einer Berufsausbildung oder Erwerbstätigkeit unentbehrlich sind.

Freibeträge
Für verwertbares Vermögen, welches nicht privilegiert und auch nicht eigenständig durch einen Freibetrag geschützt ist, gilt ein Freibetrag i.H.v. 15.000€ pro Person.
Dieser kann in unbenutzer Höhe auf eine beliebige andere Person oder Personen der Bedarfsgemeinschaft übertragen werden.
Während der einjährigen Karenzzeit nach erstmaliger Beantragung von Bürgergeld gilt nur für den Antragsteller ein Freibetrag i.H.v. 40.000€.

Verwertung
Eine Verwertung von Vermögen kann gefordert werden, wenn dieses nicht privilegiert oder durch Freibeträge geschützt ist. Die Verwertung darf zudem nicht unwirtschaftlich sein, oder eine besondere Härte bedeuten.
Eine Verwertung ist generell nicht unwirtschaftlich, wenn der Verkehrswert bis zu 10% unter dem Substanzwert liegt.
Eine besondere Härte liegt z.B. vor, wenn eine spezielle schutzwürdige Zweckbindung (z.B. Bestattungssparbuch) besteht, oder es sich um besondere Familien- und Erbstücke von nur geringem Wert handelt.
Im Gegensatz zu der weit verbreiteten Annahme, das Hausgrundstücke von Eigentümergemeinschaften nicht verwertbar sind, bietet die sog. Auseinandersetzungsversteigerung des "Gesetz über die Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung" (ZVG) sehr wohl diese Möglichkeit, d.h. ein Miteigentümer hat das Recht, jederzeit eine solche Zwangsversteigerung zu beantragen, womit dieses Vermögen i.S.d. § 12 Abs. 1 SGB II verwertbar ist.

Erbschaften
Im laufenden Leistungsbezug eintretende Erbschaften oder zufließende Pflichtteile oder Vermächtnisse sind ab dem Folgemonat als Vermögen zu berücksichtigen (§ 11a Abs. 1 Nr 7 SGB II) und stellen eine mitteilungspflichtige Änderung dar, wenn die dadurch eingetretene Vermögensänderung leistungsrelevant ist.
Leistungsrelevant ist eine Vermögensänderung immer dann, wenn dadurch Teile des Vermögens nicht mehr durch Freibeträge und/oder Privilegierungen geschützt sind.
Meine Beiträge beinhalten oder ersetzen keine anwaltliche Beratung oder Tätigkeit.
Für eine verbindliche Rechtsberatung und -vertretung suchen Sie bitte einen Anwalt auf.


Ottokar

Für die Altersvorsorge bestimmte Kapitallebensversicherungen und andere Anlageformen

Seit dem 01.01.2023 sind lt. § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB II alle für die Altersvorsorge bestimmten Versicherungsverträge nicht als Vermögen zu berücksichtigen und müssen in der Anlage VM auch nicht mehr angegeben werden. Welche Versicherungsverträge das sind, bestimmt grundsätzlich der Versicherungsnehmer.
Zeitgleich wurde § 168 VVG geändert und der bis dahin existierende Verwertungsausschluss von Kapitallebensversicherungen vor dem Eintritt in den Ruhestand ersatzlos gestrichen, diese sind somit seit dem 01.01.2023 nicht mehr nach § 168 VVG vor Verwertung geschützt.
Nach § 168 VVG geschützt sind nur noch Rentenversicherungen mit monatlicher Leistungsauszahlung.

Dies führt zu dem Problem, dass bis zum 31.12.2023 durch den Verwertungsausschluss nach § 168 VVG a.F. die lt. § 12 Abs. 2 Nr. 3 SGB II a.F. geschützten Kapitallebensversicherungen seit 01.01.2023 scheinbar nicht mehr geschützt sind und zum normalen Vermögen zählen.
Immer mehr Jobcenter fordern nun die vorrangige Verwertung solcher Kapitallebensversicherungen, insbesondere unter Berufung auf die Fachliche Weisungen der Bundesagentur für Arbeit zu § 12 SGB II, welche darauf abstellt, dass der Schutz von für die Altersvorsorge bestimmten Versicherungen nach § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB II nur für Versicherungsverträge gilt, die nach § 5 Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz zertifiziert sind.
Die Gesetzesbegründung zu § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB II ergibt jedoch nichts Derartiges und es ist ernsthaft zu bezweifeln, dass diese willkürliche Gesetzesauslegung der BA dem Willen des Gesetzgebers entspricht.
Es spricht im Gegenteil einiges dafür, dass der Gesetzgeber hier regeln wollte, dass alle für die Altersvorsorge bestimmten Versicherungen vollständig von der Vermögensberücksichtigung ausgenommen werden, auch die bislang nach § 168 VVG a.F. geschützten Kapitallebensversicherungen. Dazu schreibt der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung zur Änderung des VVG (Bt-Drs. 20/3873, Seite 123), Zitat:

Da für die Altersvorsorge bestimmte Versicherungsverträge künftig gemäß § 12 Absatz 3 Satz 2 Nummer 3 SGB II in unbegrenzter Höhe und unabhängig von der Frage eines Verwertungsausschlusses nicht als Vermögen zu berücksichtigen sind, entfällt der Grund für die bisherige Regelung in § 168 Absatz 3 Satz 1 VVG a. F., die daher gestrichen wird. Diese Änderung der Interessenlage gilt auch für bereits abgeschlossene Verträge.
Von der Schaffung einer Übergangsregelung wird daher abgesehen.
(gemeint ist offensichtlich "§ 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 3 SGB II")

Der Gesetzgeber will mit der neuen Regelung in § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB II somit nicht den bisherigen in § 12 Abs. 2 Nr. 3 SGB II a.F. geregelten Schutz von Kapitallebensversicherungen mit Verwertungsausschluss nach § 168 VVG a.F. abschaffen, sondern sieht diesen Schutz durch den neuen § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB II weiterhin und nunmehr sogar in unbegrenzter Höhe fortbestehen, was die Regelung in § 168 VVG a.F. auch für bereits bestehende Verträge entbehrlich macht.
Das der Gesetzgeber mit der neuen Regelung in § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB II nicht den bisherigen in § 12 Abs. 2 Nr. 3 SGB II a.F. geregelten Schutz von Kapitallebensversicherungen mit Verwertungsausschluss nach § 168 VVG a.F. abschaffen will, sondern dieser durch § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB II weiterhin und nunmehr sogar in unbegrenzter Höhe fortbestehen soll, ergibt sich auch aus der Gesetzesbegründung zur Änderung des § 12 SGB II (Bt-Drs. 20/3873, Seite 78/79).
Danach wollte der Gesetzgeber nicht nur den bisherigen Schutz fortbestehen lassen, sondern ihn verallgemeinern. Zitat:

Sofern Bürgergeldberechtigte für ihre Altersvorsorge Versicherungsverträge abgeschlossen haben, ist es nicht zweckmäßig, dass diese wegen einer möglicherweise nur vorübergehenden Phase des Leistungsbezugs aufgelöst werden. Zudem kann ihre Verwertung in Einzelfällen unwirtschaftlich sein. Deshalb wird neu geregelt, dass für die Altersvorsorge bestimmte Versicherungsverträge künftig vollständig von der Vermögensberücksichtigung ausgenommen werden. Dazu gehören auch alle Versicherungsverträge in der nach Bundesrecht ausdrücklich geförderten Altersvorsorge (,,Riester"). In dieser kann es zudem auch andere Formen als Versicherungsverträge geben (zum Beispiel Banksparpläne). Auch diese sind – wie bisher – vollständig geschützt.

Es spricht somit alles dafür, dass auch Kapitallebensversicherungen lt. § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB II zu den für die Altersvorsorge bestimmten Versicherungsverträgen gehören und nicht als Vermögen zu berücksichtigen sind, demnach auch nicht in der Anlage VM angegeben werden müssen.
Gegen anderslautende Entscheidungen von Jobcentern sollten Betroffene energisch vorgehen.
Meine Beiträge beinhalten oder ersetzen keine anwaltliche Beratung oder Tätigkeit.
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