BSG:Nebenkostenübernahme nur für aktuell bewohnte Wohnung

Begonnen von Gast38010, 01. Oktober 2015, 08:47:15

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Gast37751

Ganz im Gegenteil. Das BSG bedient sich einer anerkannten rechtswissenschaftlichen Auslegungsmethode. Sogar derjenigen, die als "Königsdisziplin" bezeichnet wird. Im Gegensatz dazu behauptest du, die Entscheidung sei falsch, ohne auch nur den Ansatz eines rechtswissenschaftlichen Arguments zu bringen. Insofern frage ich dich nochmal: Warum sollte die Betriebskostennachzahlung für eine nicht mehr bewohnte Wohnung einen sozialrechtlichen Bedarf darstellen? Bitte begründe deine Ansicht anhand des SGB II mittels rechtswissenschaftlich sauberer Auslegung der Norm, ggf. Definition der Begrifflichkeiten und Subsumtion.

coolio

Das lass ich Dir  :cool:
Nette Worte, die Du da aneinander reihst.
und weg.

Gast37751

Mit anderen Worten: Du kannst die Argumente des BSG nicht entkräften bzw. deine eigene Auffassung nicht juristisch begründen. Habe ich ehrlich gesagt auch nicht erwartet.

Gut, das ist dann mein Zeichen, ins Bett zu gehen. Habe die Ehre...

Turbo

Zitat von: coolio am 01. Oktober 2015, 23:21:07Bei fortgesetztem Bezug, ist es plötzlich kein Bedarf mehr?
Hat nicht das JC zu wenig zu dem tatsächlichen Bedarf vorher geleistet?
--------
Findet sich im Volltext nicht noch eine rationale Erklärung ist das ein krasses Fehlurteil

Der Kläger war, während er in der alten Wohnung (für die jetzt die Nachzahlung fällig ist) wohnte, nicht im Leistungsbezug.

coolio

Das ist dann wohl der von mir vermutete Knackpunkt, auch wenns dem Urteil zu Erstattung von Nebenkosten einer anderen Kammer sinngemäss widerspricht

Gast38010

#20
Mindestens bei diesem Urteil ist die bisherige eigene BSG-Rechtssprechung Zeitpunkt der Fälligkeit zumindest gelockert wenn nicht gar vom Tisch.
Ob die JC dies versuchen aus zu weiten, da das Gericht diesen Satz
Zitatdie Nichtübernahme beeinträchtige das Grundbedürfnis Wohnen nicht, da die Übernahme nicht dem Erhalt der aktuell bewohnten Unterkunft diene.
ausdrücklich genannt hat, bleibt ab zu warten.
Allerdings traue ich dieser Institution nunmal alles zu:
Bei aktuellem ALG II-Bezug und zur Vermeidung von Wohnungsverlust: übernahme der Nachzahlung als Darlehen; Tilgung zwischen 10 & 30%.
Ich urteile nicht über eLB die sich evtl. Nachforderungen von xXXX.XX € gegen über sehen und dieses "Angebot" annehmen
Von wem sonst?
Zuckerbrot und Peitsche bez. das System absolut unzureichend.   

Vampir= Blutspender?

Ich habe absolut keine Worte für ein solches System  :weisnich:


Jepp- ich habe extra diesen unvollständigen Satz bewusst so zitiert, weil ich vermute das die JC-Anwälte dies auch so für ihre eigenen Zwecke machen werden. Zumindest ist es so zu erwarten, denn die Argumentationen/ Rechtsauffassungen# in meinem Sprachgerbauch= Feinheiten# werden diffiziler.

oldhoefi

Ich kann aus diesem Urteil keine Revolution entnehmen. Erst Recht kein Grundsatzurteil, da der Sachverhalt nicht generell übertragbar ist, da bei der Entscheidung mehrere Faktoren zusammen gespielt hatten.

Volltext --> http://juris.bundessozialgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bsg&Art=en&nr=13941

Zitat aus dem Urteil:
Leitsätze
Nebenkostennachforderungen für eine Wohnung, die erst fällig geworden sind, nachdem diese nicht mehr bewohnt wird, und deren tatsächliche Entstehung nicht auf Zeiten der Hilfebedürftigkeit zurückgeht, sind kein anzuerkennender Bedarf für Unterkunft und Heizung (Abgrenzung von BSG vom 20.12.2011 - B 4 AS 9/11 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 50).

Damit ist bereits alles Wesentliche gesagt.

Zitat aus dem verlinkten Artikel:
Leistungsbezieher sollten aufgrund dieser neuen Rechtsprechung darauf achten, dass der Vermieter die Nebenkostenabrechnung noch zu einer Zeit erstellt, zu der die Wohnung bewohnt wird.
Aha – und wie soll das in der Praxis zu bewerkstelligen sein?
Mir ist noch kein einziger Vermieter untergekommen, der bereits VOR Auszug die Nebenkostenabrechnung erstellt hätte, zumal die endgültigen Zählerstände (z. B. für Wasser) noch gar nicht abgelesen werden können.

Gast22457

#22
Interessant auch die zwei Kommentare von RA:

Bernd Petersen
1. Oktober 2015 um 10:35

... und wie ist es mit Guthaben aus NK-Abrechnungen, die zu einem Zeitpunkt fällig geworden sind, zu dem die Wohnung nicht mehr bewohnt wird ? Es wird sich sicherlich ein Argument finden, dass dieses Guthaben an das Jobcenter zu erstatten ist ....
Antwort

Helge Hildebrandt
1. Oktober 2015 um 23:20

Haargenau das ist der Punkt: Guthaben werden in diesen Fallkonstellationen bedarfsmindernd berücksichtigt, die Übernahme von Betriebskostennachzahlungen kann zukünftig unter Berufung auf diese BSG-Entscheidung abgelehnt werden. Ein schlüssiges Konzept lässt sich in der Rechtsprechung des BSG einmal mehr nicht erkennen und es existiert wohl auch nicht. Einzelfallkasuistik mit wenig überzeugenden Begründungen (keine Unterkunftsbedarf?) anstatt logisch begründeter und kohärenter Rechtsprechung.

Die Anrechnung etwaiger Guthaben ließe sich in diesen Fallkonstellationen nur vermeiden, indem in dem/den letzten Monaten außerhalb des Leistungsbezuges keine Betriebskostenabschläge mehr gezahlt werden, um ein Guthaben zu vermeiden.

Bei Leistungsbezug auch zu Zeiten des Wohnens in der alten Wohnung ist zu beachten, dass das bisher örtlich zuständige Jobcenter für die Übernahme der Nebenkostennachzahlung verpflichtet ist (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 31.01.2013 – L 34 AS 721/11, Rn. 50 sowie BSG, Urteil vom 23.05.2012, B 14 AS 133/11, Rn. 15).


Betriebskostenguthaben sind "Einkommen", ganz gleich, ob es sich um Guthaben aus der "aktuelle bewohnten Wohnung" handelt, bei Nachzahlungen soll es aber nicht mehr auf den (unstreitig bestehenden!) "Bedarf" ankommen, sonder auf einmal darauf, ob die Übernahme der BK-Nachzahlung der Unterkunftssicherung für die aktuelle bewohnte Wohnung dient.   

Floeti

Was ich bedenklich finde, ist, dass das BSG die Kostenübernahme weiter einschränkt.
Die Übernahme soll nicht nur davon abhängig sein, ob die Kosten während des Leistungsbezugs entstanden sind, sondern auch noch davon, ob es wegen einer Kostensenkungsaufforderung des JCs zum Umzug kam.
Zitat[18] b) Eine Ausnahme von diesem Grundsatz hat das BSG anerkannt, wenn der Leistungsberechtigte sowohl im Zeitpunkt der tatsächlichen Entstehung der Kosten im Leistungsbezug nach dem SGB II stand als auch im Zeitpunkt der Fälligkeit der Nachforderung noch steht sowie die Aufgabe der Wohnung in Erfüllung einer Kostensenkungsobliegenheit gegenüber dem Leistungsträger erfolgt ist und keine anderweitige Bedarfsdeckung eingetreten ist. In diesem Fall sind auch Aufwendungen für eine Betriebs- und Heizkostennachforderung aus einem nicht mehr bestehenden Mietverhältnis durch Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem SGB II zu übernehmen (BSG Urteil vom 20. 12. 2011 - B 4 AS 9/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 50 RdNr 17 und Leitsatz).

[19] Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Der Kläger hat die frühere Wohnung nicht während des ununterbrochenen Leistungsbezugs aufgrund einer Kostensenkungsaufforderung des Leistungsträgers aufgegeben.

Im Fall der Klägers erfolgte der Umzug wegen Mängeln der alten Wohnung, weswegen er vom JC sogar als notwendig anerkannt wurde. Trotzdem muss die Nachzahlung nicht übernommen werden. Ich halte es für möglich, dass die JC das in Zukunft erstmal auf alle Fälle ausdehnen, in denen zwar durchgehend Leistungsbezug bestand, aber nicht wegen einer Kostensenkungsaufforderung umgezogen wurde. Ganz egal, ob der Umzug notwendig war oder nicht.

Das würde die Freizügigkeit für ALG-II-Bezieher in meinen Augen unzulässig eingrenzen bzw. einen Umzug "sanktionieren", weil die Nachzahlungen immer selbst getragen werden müssten, wenn der Umzug nicht vom JC veranlasst wurde.