Hallo allerseits,
da ich den Medien und auch teils diesem Forum entnommen hatte, dass seit einer Gerichtsentscheidung eigentlich maximal Sanktionen in Höhe von 30% des maßgeblichen Regelbedarfes zulässig sind, bitte ich euch um Hilfe. Vielleicht habe ich es schlicht falsch verstanden?
Ich möchte hervorheben, dass es mir nicht darum geht, "auf Kosten anderer ein entspanntes Leben zu führen". Da ich gegenwärtig selbst ALG II beziehe, möchte ich schlicht sicher wissen, wie die Spielregeln sind.
In einer mir zugegangenen Rechtsbehelfsbelehrung meines Jobcenters steht:
"Durch Verletzungen der o.g. Pflichten können sich ggf. Überschneidungen der Sanktionszeiträume ergeben (Beispiel: 10% Minderung aufgrund erster Verletzung der Meldepflicht vom 01.05. bis 31.07. und 10% Minderung aufgrund einer weiteren Verletzung der Meldepflicht vom 01.06. bis 01.08. - dadurch Überschneidung vom 01.06. bis 31.07. mit insgesamt 20% Minderung.)
Minderungen wegen Meldepflichtverletzungen treten zu Minderungen nach §31 SGB II hinzu (Beispiel: 10% Minderung wg. Verletzung der Meldepflicht vom 01.05. bis 31.07. und 30% Minderung aufgrund einer Verletzung der Grundpflichten vom 01.05. bis 31.07. - dadurch vom 01.05. bis 31.07. Insgesamt 40% Minderung)
Bei einer Minderung des ALG II um mehr als 30% des maßgeblichen Regelbedarfes können auf Antrag ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen erbracht werden. Diese sind grundsätzlich zu erbringen, wenn minderjährigen Kindern in der Bedarfsgemeinschaft leben. Beachten Sie aber, dass Sie vorrangig Einkommen und verwertbares Vermögen zur Sicherung des Lebensunterhaltes einsetzten müssen."
(Klarstellung: Ich habe weder Einkommen noch verwertbares Vermögen, daher beziehe ich ganz regulär ALG II).
Meine grundsätzliche Frage ist nun, ob es unter Berücksichtigung der gegenwärtigen Rechtslage denkbare Szenarien gibt, die im Extremfall eine ALG II Kürzung von mehr als 30% rechtlich nachhaltig möglich machen oder ob diese hier zitierte Rechtsbehelfsbelehrung (stammt aus diesem Monat) grundsätzlich falsch ist.
Sollte sie falsch sein, würde dies zur Unwirksamkeit aller in dem Schreiben angedrohten möglichen Sanktionen führen?
Vielen Dank für eure Zeit und eure Unterstützung!
Beste Grüße
Roland
Normaler Weise darf eine Sanktion nicht dazu führen, dass gar kein Geld mehr gezahlt wird, vor allem die Miete mit Nebenkosten, Heizkosten und Krankenversicherung muss dringend weitergezahlt werden, was damals sogar auf 100% für drei Monate wegfiel (sehr unmenschlich). Das Bundesverfassungsgericht wollte mit dem Urteil vom 5. Nov. 2019 auch verhindern, dass mehr Menschen mit ALG-2 Bezug evtl. obdachlos/wohnungslos werden können.
30% darf maximal gekürzt werden. Keiner kann sagen wie die einzelnen Jobcenter dies handhaben (nach reiner Willkür?), aber offiziell ist eine erneute Kürzung nach der ersten Kürzung von 30% nicht vorgesehen. Kürzungen können nicht so addiert werden, dass nichts mehr gezahlt wird. Las ich bereits in der Presse. Ich weiß nicht, ob ich einen Link hier reinstellen darf?
Bei 30% des Regelsatzes ist derzeit der Deckel. Darüberhinaus auflaufende Sätze können zwar zu Drohzwecken (z. B. 40%) errechnet werden, sind aber nicht anrechenbar. Siehe Urteil Bundesverfassungsgericht vom 05.11.2019.
Sollte Gegenteiliges passieren, müsste man gegen diesen Bescheid Widerspruch einlegen und ggf. klagen. Das JC würde dann aber gegen seine eigenen Fachlichen Weisungen verstoßen, siehe:
http://infothek.paritaet.org/pid/fachinfos.nsf/0/dccfb918a6a4779ac12584c6003377f4/$FILE/fw-sgb-ii-31-31b_ba015902.pdf
http://infothek.paritaet.org/pid/fachinfos.nsf/0/dccfb918a6a4779ac12584c6003377f4/$FILE/fw-sgb-ii-32_ba015867.pdf
Das hatte ich noch dazu gefunden:
[gelöscht durch Administrator wegen Erreichen der Speicherfrist]
Wenn Du Pech hast, stellen sie die Leistungen vorläufig komplett ein, wie bei mir, dürfen sie zwar eigentlich nicht, aber scheint manchen Jobcentern egal zu sein.
Vermutlich haben sie in der Belehrung die alten Texte drin gelassen, um so noch etwas mehr Druck aufzubauen. Ob dadurch jetzt alles unwirksam wird, weiß ich nicht, aber vermutlich eher nicht. Es geht bei der Belehrung hauptsächlich darum, dich zu informieren, dass Du Rechtsmittel einlegen kannst (Widerspruch), was ja trotzdem erfüllt wird.
Eine falsche oder unvollständige Rechtsfolgenbelehrung ist gleichzusetzen mit einer fehlenden Rechtsfolgenbelehrung.
Zitat von: BigMama am 23. Oktober 2021, 10:43:31
Eine falsche oder unvollständige Rechtsfolgenbelehrung ist gleichzusetzen mit einer fehlenden Rechtsfolgenbelehrung.
Hast Du ein Urteil dazu? Ich kenne nur Urteile, die festgestellt haben, dass eine Rechtsfolgebelehrung ungültig ist, wenn sie große Dinge verschweigt.
ZitatDer Rechtsfolgebelehrung kommt in der Praxis eine große Bedeutung zu. Sie dient dazu, dem Leistungsempfänger die Sanktionen vor Augen zu führen, welche ihm drohen,sofern er sich pflichtwidrig verhält. Eine nicht durchgeführte oder fehlerhaft durchgeführte Rechtsfolgebelehrung führt sogar zur Rechtswidrigkeit des Sanktionsbescheides. Wie sieht also die Rechtslage aus?
Quelle und mehr Infos (https://buergerratgeber.de/rechtsfolgebelehrung/)
Da sind leider auch keine konkreten Urteile drin, die diesen Fall abdecken. Mir ist klar, dass sie als fehlerhaft gilt, wenn man z. B. gar nichts von den potentiellen Sanktionen schreibt, oder wenn man verschweigt, dass ein Attest nötig ist, falls man nicht hingeht.
Aber ob sie schon als fehlerhaft gilt, wenn man einfach nicht erwähnt, dass die Sanktionen nur noch maximal 30% in Summe sein können?
Ich würde mich da nicht drauf verlassen.
Herausfinden kann er es wohl nur, wenn er Widerspruch wegen diesem Grund einlegt und dann auch den Weg zum Sozialgericht nicht scheut, falls das JC den Widerspruch nicht akzeptiert.