Liebes Forum,
ich bin ganz neu hier im Forum und hoffe, ich bin hier richtig. :bye:
Ich habe auch gleich eine Frage :zwinker:
Es geht um die Übernahme der Kosten der Unterkunft (KdU).
Sachverhalt: Ich bin im Dezember 2021 nach Eigenbedarfskündigung durch die Vermieterin notgedrungen umgezogen, ohne mir vorher eine Genehmigung des JC einzuholen. Wenn ich diese Genehmigung abgewartet hätte, wäre die neue Unterkunft selbstverständlich weg gewesen. Die Genehmigung ist bis heute nicht eingetroffen.
Die neue Unterkunft ist rund 40 EUR teurer als die alte. Das jetzt zuständige JC weigert sich, den Differenzbetrag zu zahlen. Ich zahle derzeit die Differenz aus eigener Tasche.
Soweit ich gehört habe, soll es eine Gerichtsentscheidung geben, dass die tatsächlichen angemessenen Kosten der Unterkunft vom JC zu übernehmen sind.
Mein Rechtsanwalt, ein im Sozialrecht recht bekannter und engagierter Anwalt, hat wirksam Widerspruch gegen den Bescheid ab Februar 2022 eingelegt. Gestern Anfang Mai 2022 kam ein Brief an, in dem das JC klarmacht, dass es sich auch weiterhin weigern wird, den Differenzbetrag zu zahlen.
Kurz nach Einzug in die neue Unterkunft ist leider klargeworden, dass diese extrem hellhörig ist, der Nachbar über mir (er ist Enkel der Vermieterin) trampelt wie ein Elefant und feiert bis spätabends Partys, an ein normales ruhiges Wohnen ist nicht zu denken. Die Vermieterin reagiert nicht auf entsprechende Beschwerden. Ich führe ein entsprechendes Lärmprotokoll.
Jetzt die Frage: wenn ich erneut umziehe und die abermals neue Wohnung gleich teuer ist wie die jetzige, welche Kosten der Unterkunft werden dann zugrundegelegt? Die Kosten der ursprünglichen Wohnung oder die Kosten der jetzigen Wohnung, die ja 40 EUR teurer ist als die ursprüngliche?
Das jetzt zuständige JC ist das JC Charlottenburg-Wilmersdorf. Nach dem neuerlichen Umzug wird es dasselbe JC bleiben.
Zum erfolgten Umzug braucht es gar keine Rechtsprechung. Es steht bereits im Gesetz (§ 22 Abs. 1 SGB II), dass nur nach einem Umzug ohne wichtigen Grund die neuen Unterkunftskosten, soweit sie höher sind, nicht anerkannt werden. Wenn du aber einer Eigenbedarfskündigung ausgesetzt warst, liegt ein wichtiger Grund vor, die neue Miete ist anzuerkennen. Außer, die Eigenbedarfskündigung war nicht rechtmäßig.
Hinsichtlich des neuerlichen Umzuges sehe ich das mit dem wichtigen Grund anders. Da musst du schon härtere Geschütze auffahren als "es ist zu laut und meine Vermieterin macht nichts". Also z. B. Mietminderung, Einschaltung Anwalt etc.
Liegt denn die Wohnung, in die du nach der Eigenbedarfskündigung gezogen, innerhalb der Angemessenheitsgrenzen?
Oder wurde deshalb nicht voll gezahlt?
Ja, die Bruttokaltmiete liegt bei beiden Wohnungen deutlich unterhalb der Angemessenheitsgrenzen (es zählten ja noch die Werte für 2021).
Was haltet Ihr hiervon (http://www.ra-fuesslein.de/wordpress/?p=1135) und von dem dort zitierten Beschluss des SG Berlin vom 09.02.2022 S 203 AS 466/22 ER? (Ist allerdings einstweiliger Rechtsschutz und von daher nach meinem Verständnis nicht gefestigte Rechtsprechung)
rioreisender
Zitat von: rioreisender am 04. Mai 2022, 10:11:32Mein Rechtsanwalt, ein im Sozialrecht recht bekannter und engagierter Anwalt, hat wirksam Widerspruch gegen den Bescheid ab Februar 2022 eingelegt. Gestern Anfang Mai 2022 kam ein Brief an, in dem das JC klarmacht, dass es sich auch weiterhin weigern wird, den Differenzbetrag zu zahlen.
Das solltest du eigentlich mit deinem RA klären, ansonsten müsste das Wort "wirksam" neu definiert werden.
Zitat von: rioreisender am 04. Mai 2022, 10:11:32Die Kosten der ursprünglichen Wohnung oder die Kosten der jetzigen Wohnung, die ja 40 EUR teurer ist als die ursprüngliche?
Das jetzt zuständige JC ist das JC Charlottenburg-Wilmersdorf. Nach dem neuerlichen Umzug wird es dasselbe JC bleiben.
Wenn es das selbe JC wie jetzt ist dann nur die KdUH die auch jetzt übernommen werden.
Deswegen solltest du ja deinen RA informieren wenn dein JC sich weigert die innerhalb der Richtlinien liegenden Werte anzuwenden.
MfG FN
Zitat von: Fettnäpfchen am 04. Mai 2022, 16:07:00Das solltest du eigentlich mit deinem RA klären, ansonsten müsste das Wort "wirksam" neu definiert werden.
Sorry, da verstehe ich Deine Anmerkung nicht. Mit "wirksam" meinte ich form- und fristgerecht. Soweit ich weiß, hat das JC ja drei Monate Zeit zur Bearbeitung des Widerspruchs, diese wären Mitte Mai vorbei. Allerdings hat das JC zwischenzeitlich bereits klargemacht, dass es die Kosten der KdUH nur in bisheriger Höhe übernehmen wird.
Zitat von: Fettnäpfchen am 04. Mai 2022, 16:07:00Wenn es das selbe JC wie jetzt ist dann nur die KdUH die auch jetzt übernommen werden.
Deswegen solltest du ja deinen RA informieren wenn dein JC sich weigert die innerhalb der Richtlinien liegenden Werte anzuwenden.
MfG FN
Genau das ist ja der Punkt. Wenn die jetzigen KdUH rechtswidrig zu niedrig übernommen werden, müsste eine Korrektur derselben ja auch für die Zukunft gelten.
Ich habe auf einer Rechtsanwaltsseite das hier gefunden:
"Aufgrund der Corona-Krise werden die tatsächlichen Mietkosten in voller Höhe übernommen. Es wird daher nicht geprüft, ob die Mietkosten angemessen sind. Diese Regelung war zunächst bis zum 31.12.2021 befristet. Die Regelung wurde jedoch bis zum 31.03.2022 verlängert. Von dieser Regelung profitieren jedoch nur Personen, die zum ersten Mal einen Antrag auf Hartz 4 stellen und Personen deren Bewilligungszeitraum abläuft und einen Weiterbewilligungsantrag stellen müssen."
Quelle: https://www.anwalt.de/rechtstipps/hartz-4-uebernahme-der-mietkosten-durch-das-jobcenter-197386.html
Das müsste doch dann in meinem Fall gelten, die Bedingungen treffen jedenfalls zu.
Es ist ja schon ein Anwalt in dem Fall drin, der sollte seinen Job machen und können.
Ich würde raten, einen Überprüfungsantrag für die Bewilligungen ab Dezember 2021 zu stellen, dem Zeitpunkt als du aus der Eigenbedarfswohnung raus musstest. Damals lag ein wichtiger Grund für den Umzug vor und die Zustimmung zu Anmietung der jetzigen Wohnung hätte erteilt werden müssen. Das kann auch nachträglich geschehen, die KDU müssen in voller Höhe übernommen werden, weil trotzdem angemessen.
Wenn das JC das anerkennt, wäre der erneute Umzug in eine gleich teure Wohnung kein Problem, gäbe nur keine umzugsbedingten Kosten, da kein ausreichender Grund vorliegt.
Die Sonderregelung aus §67 trifft auf dich nicht zu, da sie nicht für laufende Mietverhältnisse gilt, bei denen schon eine Kostensenkung erfolgt ist.
ZitatMit "wirksam" meinte ich form- und fristgerecht. Soweit ich weiß, hat das JC ja drei Monate Zeit zur Bearbeitung des Widerspruchs, diese wären Mitte Mai vorbei. Allerdings hat das JC zwischenzeitlich bereits klargemacht, dass es die Kosten der KdUH nur in bisheriger Höhe übernehmen wird.
Und was hat es zu den Gründen geschrieben? Kann man das Schreiben mal sehen?
Zitat von: Flip am 05. Mai 2022, 05:01:50Und was hat es zu den Gründen geschrieben? Kann man das Schreiben mal sehen?
Das Jobcenter schreibt zu den Gründen:
"...da Sie ohne Zustimmung des vorherigen kommunalen Trägers umgezogen sind und die Kosten Ihrer neuen Unterkunft höher sind, als die Ihrer alten Wohnung, können gemäß § 22 (1) S.2 SGB III nur die bisherigen Kosten berücksichtigt werden. Im Gesetz heißt es hierzu wörtlich:
'(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherigen Bedarf anerkannt...'
Dies wurde Ihnen auch bereits in Ihrem Bewilligungsbescheid vom 10.02.2022, Seite 2 oben, erläutert."Entgegenstehende Aspekte,wie z.B. der Aspekt eines möglicherweise vorliegenden wichtigen Grundes werden in dem Schreiben des JC wie üblich nicht erwähnt. Ich habe den Eindruck, dass das JC mich vorliegend für dumm verkaufen will.
Dein Anwalt sollte eigentlich wissen, was zu tun und wie zu argumentieren ist. Wie du siehst, hat das JC den § 22 Absatz 1 SGB II zitiert. Dort steht aber eben nicht " Wer ohne Zustimmung umzieht" (wie es das JC argumentiert), sondern "wer ohne wichtigen Grund" umzieht.
rioreisender
Zitat von: rioreisender am 04. Mai 2022, 16:37:27Sorry, da verstehe ich Deine Anmerkung nicht. Mit "wirksam" meinte ich form- und fristgerecht.
Wirksam ist für mich wenn du Recht bekommen hast und speziell wenn du im Recht bist.
Was ja der Fall ist wenn du ein neues JC hast also in einem anmderen Zuständigkeitsbereich bist als dein altes JC sich verantwortlich zeigt.
Unterkunftskosten und Urteile (http://hartz.info/index.php?topic=1879.msg14632#msg14632)
Zitat- Urteil vom 07.11.2006, Az. B 7b AS 10/06 R:
Die Zustimmung des Leistungsträgers zum Umzug ist nicht für die Übernahme der Unterkunftskosten nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II erforderlich, wenn mit dem Umzug ein neuer Leitungsträger zuständig wird, sondern kann nur für die Bewilligung der Wohnbeschaffungs- und Umzugskosten (§ 22 Abs 3 SGB II) verlangt werden. Eine Kürzung nach § 22 Abs. 1 S. 2 SGB II kommt dabei regelmäßig nicht in Betracht, da der Maßstab der Angemessenheit der aktuelle Wohnort ist.
Zitat- Urteil vom 01.06.2010, Az. B 4 AS 60/09 R:
Die Vorschrift des § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II gilt nur im "kommunalen Bereich" des aktuell zuständigen Trägers.
Bei einem Umzug in den Zuständigkeitsbereich eines anderen Trägers besteht hingegen Anspruch auf die dort angemessenen Unterkunftskosten.
und was die Gründe für deinen nächsten Umzug angeht da gibt es ein Urteil das relativ aussagekräftig ist auch wenn keine Auflistung diverser Gründe dabei ist.:
Zitat- Urteil vom 24.11.2011, Az. B 14 AS 107/10 R:
§ 22 Abs. 1 S. 2 SGB II umfasst auch Fälle, in denen der Umzug zwar nicht zwingend notwendig ist, aber aus sonstigen objektiv sachlichen Gründen erforderlich erscheint. Ausreichend ist, dass ein plausibler, nachvollziehbarer und verständlicher Grund für den Wohnungswechsel vorliegt, von dem sich auch ein Nichtleistungsberechtigter leiten lassen würde.
Die neue Wohnung muss geeignet sein, die nicht mehr hinnehmbaren Nachteilen der bisherigen Wohnung abzuwenden.
Die Kosten der neuen Wohnung müssen angemessen sein, wobei der durch den Umzug erzielbare Gewinn an Lebensqualität innerhalb der Angemessenheitsgrenze allenfalls eine geringfügige Kostensteigerung zulässt.
MfG FN
Ich danke Euch erstmal herzlich für die tollen Antworten. :ok:
RA meint übrigens, dass in Berlin überhaupt keine Mietobergrenze gilt bzw. die tatsächlichen Kosten stets vom JC übernommen werden müssen. Teilt Ihr diese Meinung? :weisnich:
rioreisender
Bei den Ikes weiß man das sie einige Eigen/Sonderregelungen haben und zwar zum Vorteil eines eLB.
Aber der RA sollte wissen und nicht meinen und am besten auch belegen, also lass dir das von Ihm zeigen oder schau in die entsprechenden KdU Listen z.B.: bei https://harald-thome.de/informationen/bundesweite-dienstanweisungen-kdu.html
MfG FN