Guten Tag,
ich befinde mich seit Monaten in einem laufenden Rechtsstreit mit meinem Jobcenter, das mich zu einer Untersuchung durch den medizinischen Dienst zwecks Untersuchung der Erwerbsfähigkeit zwingen will. Ein Anwalt vertritt mich in der Sache und die Sache ist vor Gericht anhängig. Nun habe ich diese Woche zwei Briefe vom Jobcenter erhalten (Scan im Anhang), wonach ich einen Antrag auf Sozialhilfe und einen Antrag auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit stellen und dies dem Jobcenter bis zum sagen wir 4.2.23 nachweisen solle. Ich fürchte dies jetzt tun zu müssen, möchte es aber nicht tun und würde gerne wissen, ob ich dazu tatsächlich rechtlich verpflichtet bin. Bin Anfang 50 und seit sagen wir fünf Jahren dauerhaft krank geschrieben und beziehe noch länger ALGII. Meinem Anwalt habe ich gerade die Briefe des Jobcenters gemailt und hoffe, kurzfristig eine Antwort zu erhalten, bin mir aber nicht sicher. Habe auch null Wissen über die Beantragung von Sozialhilfe und von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Werde mich gleich mit Google informieren, aber wenn dazu jemand einen Tipp hat, wäre ich dafür auch dankbar.
Vielen Dank für jede Hilfe!
Und allen einen schönen Tag 😉
[Dateianhang durch Administrator gelöscht]
@Filip2610
Zitat:
"das mich zu einer Untersuchung durch den medizinischen Dienst zwecks Untersuchung der Erwerbsfähigkeit zwingen will."
Bist Du jetzt schon vom medizinischen Dienst untersucht worden?
Oder sollst Du ohne untersucht worden zu sein einen Antrag auf Sozialhilfe und Erwerbsminderungsrente stellen?
Die DRV muß doch erst abklären lassen, inwieweit Du erwerbsgemindert bist.
Das JC scheint ja sicher zu sein, dass Du die Voraussetzungen für ALG2 Leistungs Empfänger nicht mehr erfüllst. Woher haben die genaue Kenntnis über Deinen Gesundheitszustand?
ZitatWoher haben die genaue Kenntnis über Deinen Gesundheitszustand?
Vielleicht kam diese Vermutung aufgrund seit 5 Jahren durchgehend eingereichter Krankenscheine auf:
Zitatseit sagen wir fünf Jahren dauerhaft krank geschrieben
@TE: und du hältst dich trotz der seit 5 Jahren bestehenden Erkrankung für erwerbsfähig?
,,Bist Du jetzt schon vom medizinischen Dienst untersucht worden?"
Nein, ich habe mich beim zwangsweise angesetzten Untersuchungstermin des medizinischen Dienstes krank gemeldet, die Krankmeldung lag dem Jobcenter sowieso vor.
,,oder sollst Du ohne untersucht worden zu sein einen Antrag auf Sozialhilfe und Erwerbsminderungsrente stellen?"
Ja, das will das Jobcenter jetzt.
,,Woher haben die genaue Kenntnis über Deinen Gesundheitszustand?"
Die haben keine genauen Kenntnisse über meinen Gesundheitszustand, das Jobcenter bekommt nur immer die Krankschreibungen.
,,@TE: und du hältst dich trotz der seit 5 Jahren bestehenden Erkrankung für erwerbsfähig?"
Ich weiß nicht, wie man ,,erwerbsfähig" genau definiert. Aber ich möchte auf jeden Fall in relativ naher Zukunft mit einer neuen Selbstständigkeit loslegen und die zum Erfolg führen.
Ein mir sehr wichtiger Punkt ist: Ich möchte nicht zwangsweise medizinisch untersucht werden und einer mir fremden Person alles über mich erzählen müssen. Ich fürchte aber, jetzt eventuell schon bei der erzwungenen Antragstellung für die Rente/die Sozialhilfe dazu gezwungen zu sein.
In diesem ganzen Zusammenhang war mein Rechtsanwalt der Auffassung, dass die ärztliche Verschwiegenheitspflicht auch für ALGII-(jetzt Bürgergeld)-Bezieher gelten müsste und man daher einen Bürgergeld-Bezieher wie mich nicht zwingen dürfe, Ärzte von der Verschwiegenheitspflicht zu befreien. Ich fürchte, dass die verlangten Anträge für die Rente und die Sozialhilfe dies wieder vorsehen, habe vorhin kurz einen Antrag eingesehen.
@Filip26
Zitat:
"Bist Du jetzt schon vom medizinischen Dienst untersucht worden?"
Nein, ich habe mich beim zwangsweise angesetzten Untersuchungstermin des medizinischen Dienstes krank gemeldet, die Krankmeldung lag dem Jobcenter sowieso vor."
Du läßt Dich immer krankschreiben, wenn Du unangenehme Termine beim JC hast, dass ist ein Grund, warum das JC Dich zum Medinischen Dienst schicken will.
und
Zitat:
"Ein mir sehr wichtiger Punkt ist: Ich möchte nicht zwangsweise medizinisch untersucht werden und einer mir fremden Person alles über mich erzählen müssen. Ich fürchte aber, jetzt eventuell schon bei der erzwungenen Antragstellung für die Rente/die Sozialhilfe dazu gezwungen zu sein."
Du musst gar nichts erzählen, nur was Du willst. Die werden Dich beim medizinischen Dienst angucken, vielleicht einen Urintest machen, und wenn die was über Deine Krankheit wissen, dich diesbezüglich genauer ins Visier nehmen. Die werden sich einen Eindruck über Dich verschaffen. Du musst nichts unterschreiben oder erzählen, was Du nicht willst!
Gehe lieber ersteinmal zum medizinischen Dienst vom JC, lass Dich evtl. vorher von Deinem Anwalt beraten. Üblicherweise bist Du zur Mitwirkung verpflichtet, als AlG2 Empfänger, egal ob Du das möchtest. Es ist schrecklich.
und
Zitat:
"In diesem ganzen Zusammenhang war mein Rechtsanwalt der Auffassung, dass die ärztliche Verschwiegenheitspflicht auch für ALGII-(jetzt Bürgergeld)-Bezieher gelten müsste und man daher einen Bürgergeld-Bezieher wie mich nicht zwingen dürfe, Ärzte von der Verschwiegenheitspflicht zu befreien. Ich fürchte, dass die verlangten Anträge für die Rente und die Sozialhilfe dies wieder vorsehen, habe vorhin kurz einen Antrag eingesehen."
Da hat Dein Anwalt Recht. Aber angucken dürfen die Dich und Fragen stellen auch. Du musst aber nur erzählen, was Du willst.
,,Du musst gar nichts erzählen, nur was Du willst. Die werden Dich beim medizinischen Dienst angucken, vielleicht einen Urintest machen, und wenn die was über Deine Krankheit wissen, dich diesbezüglich genauer ins Visier nehmen. Die werden sich einen Eindruck über Dich verschaffen. Du musst nichts unterschreiben oder erzählen, was Du nicht willst!"
Das ist nach meiner Erfahrung falsch. Ich war vor Jahren mal mit einem Bekannten bei einer solchen Zwangsuntersuchung und die erste Frage an mich war, dass ich mal mein Leben ab der Kindheit erzählen solle. Und wenn ich Fragen nicht beantwortet hätte, wäre vermutlich dem Jobcenter gemeldet worden, dass ich nicht kooperiert hätte. Letzteres ist aber nur meine Annahme.
Thema erzwungene Aufhebung der ärztlichen Verschwiegenheitspflicht:
,,Da hat Dein Anwalt Recht. Aber angucken dürfen die Dich und Fragen stellen auch. Du musst aber nur erzählen, was Du willst."
Das Jobcenter und eine Richterin des Sozialgerichts waren der Auffassung, dass ich zur Aufhebung der Verschwiegenheitsverpflichtung verpflichtet bin bzw. mein Verweis auf sehr persönliche Gespräche mit dem Arzt als Grund für die Nichtaufhebung der Verschwiegenheitspflicht unbedeutend sei. Also laut meinem Jobcenter und der Richterin kann ich zur Aufhebung der Verschwiegenheitspflicht gezwungen werden.
Zitat:
"Das ist nach meiner Erfahrung falsch. Ich war vor Jahren mal mit einem Bekannten bei einer solchen Zwangsuntersuchung und die erste Frage an mich war, dass ich mal mein Leben ab der Kindheit erzählen solle. Und wenn ich Fragen nicht beantwortet hätte, wäre vermutlich dem Jobcenter gemeldet worden, dass ich nicht kooperiert hätte. Letzteres ist aber nur meine Annahme."
Die waren bei Deiner Kindheit nicht dabei. Du kannst erzählen was Du willst.
Warst Du beim psychologischen Dienst vom JC? Die haben wohl die tiefergehende psychologische Befragung mit Dir gemacht.
"Das Jobcenter und eine Richterin des Sozialgerichts waren der Auffassung, dass ich zur Aufhebung der Verschwiegenheitsverpflichtung verpflichtet bin bzw. mein Verweis auf sehr persönliche Gespräche mit dem Arzt als Grund für die Nichtaufhebung der Verschwiegenheitspflicht unbedeutend sei. Also laut meinem Jobcenter und der Richterin kann ich zur Aufhebung der Verschwiegenheitspflicht gezwungen werden."
Niemand kann dazu gezwungen werden. Frage Deinen Anwalt, ob es Ausnahmen gibt und wenn ja welche Ausnahmen das sind.
Hier bei uns ist es so, dass man einfach Defizite angedichtet bekommt die es gar nicht gibt. Die setzten sich einfach über den Betroffenen hinweg, machen ihn sozusagen zur Unperson.
ZitatNiemand kann dazu gezwungen werden. Frage Deinen Anwalt, ob es Ausnahmen gibt und wenn ja welche Ausnahmen das sind.
Weil der Anwalt über der Richterin steht, oder was soll das bringen?
ZitatAber ich möchte auf jeden Fall in relativ naher Zukunft mit einer neuen Selbstständigkeit loslegen und die zum Erfolg führen.
Eine Selbstständigkeit ist u. U. keine Tätigkeit unter den Anforderungen des allgemeinen Arbeitsmarktes. Und danach definiert sich Erwerbsfähigkeit.
Im SGB II definiert sich Erwerbsfähigkeit so, § 8 SGB II:
Zitat(1) Erwerbsfähig ist, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Als "absehbare Zeit" werden dabei 6 Monate angesehen. Vergleiche das jetzt mal mit deinen 5 Jahren!
Wenn man bedenkt, dass die DRV im Normalfall Erwerbsminderung erstmal nur auf Zeit für jeweils 2 Jahre feststellt, treibst du das Spiel schon sehr lange. Und jetzt ist dem Jobcenter anscheinend der Geduldsfaden gerissen, denn 5 Jahre sind mindestens 4 Jahre zuviel.
Zitat:
"Es gibt jedoch Ausnahmen von der Schweigepflicht – beispielsweise, wenn der Arzt zur Meldung von Krankheiten gegenüber Behörden verpflichtet ist.
Ärztliche Schweigepflicht muss gewahrt werden. ...
Anzeigepflicht schwerer Straftaten. ...
Rechtfertigender Notstand. ...
Meldepflichtige Krankheiten."
Der medizinische/ärztliche Dienst unterliegt generell der Schweigepflicht.
Er darf jedoch grundsätzlich die von ihm erhobenen Daten an jede Behörde weitergeben, welche ein sog. berechtigtes Interesse nachweisen kann - wenn man dieser Datenübermittlung nicht gemäß § 76 Abs. 1 und 2 SGB X widerspricht. Lies dazu mal hier: https://hartz.info/index.php?topic=32.0
Der Inhalt des persönlichen Gespräches zwischen Arzt und Patienten/Begutachtetem ist aber generell vertraulich und fällt nicht unter diese Datenübermittlung.
Niemand kann rechtlich zur Aufhebung der Verschwiegenheitspflicht gezwungen werden, weder von einer Behörde, noch einem Gericht.
Ein materieller Zwang dazu kann sich jedoch daraus ergeben, wenn ein Sachverhalt nicht anders aufzuklären ist und ohne diese Sachverhaltsklärung über den Anspruch auf eine Sozialleistung nicht entschieden werden kann.
In dem Fall darf der Antrag von der zuständigen Behörde lt. § 66 SGB I abgelehnt werden.
Inwieweit der Inhalt eines persönlichen Gespräches mit dem Arzt für eine Sachverhaltsklärung erforderlich ist und warum der Sachverhalt nicht anders aufgeklärt werden kann, müssen Behörde und Gericht nachvollziehbar begründen. Und selbst dann gibt es keine rechtlichen Zwangsmittel zur Offenlegung.
"Niemand kann rechtlich zur Aufhebung der Verschwiegenheitspflicht gezwungen werden, weder von einer Behörde, noch einem Gericht."
Naja. Wenn Leistungen eingestellt werden mit der Begründung, dass die Verschwiegenheitspflicht nicht aufgehoben wurde, ist das aus meiner Sicht ein rechtlicher Zwang. Meine Anwalt meinte, dass man notfalls vor das Bundesverfassungsgericht ziehen sollte, um so eine Klärung der Frage anzustreben, ob dieser Zwang mit der unantastbaren Menschenwürde vereinbar ist, seiner Ansicht nach nicht.
Zitat von: Filip2610 am 30. Januar 2023, 12:02:22ist das aus meiner Sicht ein rechtlicher Zwang
Aus meiner Sicht ist das ein materieller Zwang.
Ein rechtlicher Zwang kann mit Strafandrohung, Bußgeld oder sogar Erzwingungshaft durchgesetzt werden. Das ist hier nicht möglich.
Grundsätzlich gilt die Vertraulichkeit des Wortes.
Eine Offenlegung des Arzt-Patienten-Gespräches würde nicht nur die Rechte des Patienten sondern auch die des Arztes verletzen.
Weder Behörde noch Gericht kann/darf einen Patienten dazu zwingen, eine Straftat zu begehen, indem dieser gegen die Vertraulichkeit des Wortes verstößt.
Sollten das Gericht eine derartige Forderung gestellt haben, sollte man ernsthaft darüber nachdenken, sich an den Gerichtspräsidenten zu wenden.
Zitat von: Filip2610 am 29. Januar 2023, 10:04:18Ich fürchte dies jetzt tun zu müssen
Du solltest auf jeden Fall einen Antrag auf EM Rente stellen, das reicht erst mal.
Also kein Antrag auf Sozialhilfe, nur den einen auf EM Rente.
Dazu kann dich das JC auch verpflichten machst du es nicht, wirst du dann zum Sozialamt abgeschoben.
Das JC muss ja irgendwann wissen, wie es um deine Leistungsfähigkeit bestellt ist.
Der Rentenantrag sieht vor, dass man seinen Arzt von der Verschwiegenheitspflicht befreit. Wenn man das nicht tut, kann der Antrag abgelehnt werden. Weiß jemand, ob die Rentenversicherung dem Jobcenter es mitteilen würde, falls ich einer Aufhebung der Verschwiegenheitspflicht nicht zugestimmt hätte? Würde mal annehmen, dass das so ist.
Zitat von: Kopfbahnhof am 30. Januar 2023, 16:39:37Dazu kann dich das JC auch verpflichten machst du es nicht, wirst du dann zum Sozialamt abgeschoben.
was ist der Unterschied zwischen JC und Sozialamt?
Zitat von: terrier am 30. Januar 2023, 18:44:58Zitat von: Kopfbahnhof am 30. Januar 2023, 16:39:37Dazu kann dich das JC auch verpflichten machst du es nicht, wirst du dann zum Sozialamt abgeschoben.
was ist der Unterschied zwischen JC und Sozialamt?
meiner Erfahrung nach, gibt es keine Abschiebung zum SA, sondern das Jobcenter stellt die Leistungen ein, bis die Mitwirkung nachgeholt ist.
Zitat von: Filip2610 am 30. Januar 2023, 18:42:21Der Rentenantrag sieht vor, dass man seinen Arzt von der Verschwiegenheitspflicht befreit.
Das ist aber keine Verpflichtung, zudem kann man auch Bestimmen welche Ärzte davon befreit werden sollen.
Für eine gute Beurteilung ist es aber schon besser, dass zu tun.
Zitat von: Filip2610 am 30. Januar 2023, 18:42:21falls ich einer Aufhebung der Verschwiegenheitspflicht nicht zugestimmt hätte?
Keiner kann dich dazu zwingen, nicht mal irgendein Gericht.
Zitat von: terrier am 30. Januar 2023, 18:44:58was ist der Unterschied zwischen JC und Sozialamt?
Einfach mal selbst bei google kucken.