Folgender Fall:
Ein Grundsicherungsempfänger wegen (dauerhafter) Erwerbsminderung (SGB XII) bekommt nach dem Todesfall der Eltern ein Erbe (das dürfte gleichermaßen für SGBII gelten).
Ein Behindertentestament (Bedürftigentestament) war aufgrund besonderer Umstände nicht möglich.
Ein Erbe gilt seit Einführung des Bürgergeldes nicht mehr als Einkommen, sondern als Vermögen.
Der Grundsicherungsempfänger darf deshalb einen Freibetrag von 10.000 vom Erbe behalten.
Der Rest wird als Einkommen angerechnet. Er meldet sich von der Sozialhilfe ab u. muss vom Erbe leben.
Wenn der Betrag aufgebraucht ist, stellt er einen neuen Grundsicherungsantrag.
Meine Frage:
Wie viel darf er pro er etwa Monat ausgeben, wenn er sich beim Sozialamt abgemeldet hat, so dass es nicht als ,,unwirtschaftlich" bzw. ,,sozialwidrig" nach § 26 SGB XII und §41 (4) gewertet wird.
4) Keinen Anspruch auf Leistungen nach diesem Kapitel hat, wer in den letzten zehn Jahren die Hilfebedürftigkeit vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt hat.
Dürfen die monatlichen Ausgaben höher als der Grundsicherungsbeitrag sein? Und wenn ja, wie hoch etwa? Ich würde mir einen Betrag von +150€ pro Monat vorstellen.
Darf man von dem Geld zusätzlich Anschaffungen machen, z.B. Hausrat, neue Kleidung u. notwendige Haushaltsartikel, wie Kühlschrank, Waschmaschine, Herd, Mikrowelle, TV, PC, Möbel, um uralte zu ersetzen, nicht von der Kasse übernommene Medikamente, Brille, Zahnersatz, orthopädische Hilfsmittel ?
Darf man Geld für Hobbys ausgeben? Darf man z.B. (pro Jahr) auch eine kleine Reise machen?
Dadurch würden sich die Ausgaben auf einen Monat umgerechnet entsprechend erhöhen.
Gibt es dazu gesetzliche Vorgaben, ausführende Bestimmungen oder Gerichtsurteile?
Muss man alle Belege u. Kassenzettel über mehrere Jahre hinweg aufheben, u. wird bei einem Neuantrag vom Sozialamt genau geprüft, ob man nach ihrer Vorstellung ,,unwirtschaftlich" gelebt hat. Nach welchen Kriterien? Gibt es dazu Vorgaben oder ist man der Willkür des jew. Sachbearbeiters ausgeliefert? Wird das vielleicht von jedem Sozialamt anders gehandhabt? Ist die Rechtslage nicht eindeutig?
Was kann geschehen, wenn das Verhalten als ,,unwirtschaftlich gewertet wird?
Wird der Antrag abgelehnt? Von irgendetwas muss man ja leben. Oder kann die Sozialhilfe gekürzt werden (bis zu 30%) oder als ,,Darlehen" gewährt werden, das zurückgezahlt werden muss, d.h. ,,Hilfe zum Lebensunterhalt" statt Sozialhilfe?
Gibt es damit praktische Erfahrungen u. kann jemand davon berichten?
Ich habe dazu folgende Gerichtsurteile gefunden:
Gerichtsurgeil 1 (https://landessozialgericht-baden-wuerttemberg.justiz-bw.de/pb/,Lde/Startseite/Presse/Neuer+Eintrag+Pressemitteilung/?LISTPAGE=1809403)
Gerichtsurteil 2 (https://landessozialgericht.niedersachsen.de/startseite/aktuelles/pressemitteilungen/sozialwidriges-verhalten---wer-das-erbe-nicht-ehrt-172872.html)
Danke!
Lygia
Erbschaften gehören lt. § 82 S. 1 Abs. 1 Nr. 9 SGB XII nicht zum Einkommen, sondern zum Vermögen.
Sofern das nach § 90 SGB XII zu berücksichtigende Gesamtvermögen nach einer Erbschaft nicht geschützt ist, muss das ungeschützte Vermögen zur Bedarfsdeckung eingesetzt werden.
Zum SGB II regelt die Rechtsprechung des BSG, dass man in einem solchen Fall zwar nicht auf Grundsicherungsniveau aber doch sparsam leben muss, um sich nicht wegen verschwenderischem Verhaltens ersatzpflichtig zu machen. Eine gleichwertige Ersatzpflicht regelt § 103 SGB XII.
Zulässig ist lt. BSG alles, wovon sich auch ein Bürger mit wenig Einkommen leiten lassen würde, dazu gehört u.a. die Schuldentilgung, Ersatzanschaffung von Möbeln und Haushaltgeräten, Hausrat, Kleidung etc.
Da lt. § 90 Abs. 2 Nr. 10 SGB XII auch ein angemessenes Kraftfahrzeug zum geschützten Vermögen gehört, wäre auch der Kauf eines solchen zulässig.
Konkrete Urteile zum SGB XII habe ich dazu allerdings nicht gefunden.
Hallo Ottokar,
danke für die schnelle Antwort.
Man würde gerne etwas genauer wissen: Was ist "sparsam", was "Luxus"? Was leistet sich ein Bürger mit wenig Einkommen u. was nicht? Das sind leider keine objektiven Kriterien.
Ich würde gerne wissen, ob es konkrete Fallbeispiele u. Erfahrungen gibt, wie das in der Praxis gehandhabt wird? Gibt es dazu ausführende Bestimmungen oder Anweisungen für einzelne Bundesländer (Bayern)? Oder ist es eine Ermessensentscheidung des jew. Sachbearbeiters, mit dem man sich dann auseinanderzusetzen hat u. auf dessen Verständnis man angewiesen ist?
Noch eine Frage:
Was geschieht, wenn der Pflichtteil beim Tod des ersten Elternteils so niedrig ist, das er nicht länger als 6 Monate reicht? Kann man sich dann nicht beim Sozialamt abmelden, sondern die Grundsicherung wird für diese Monate entsprechend gekürtz oder gestrichen? Darf man dann in diesem Fall nicht mehr ausgeben als den monatlichen Satz der Grundsicherung?
LG
Lygia
Ich würde gerne wissen, ob es konkrete Fallbeispiele u. Erfahrungen gibt, wie das in der Praxis gehandhabt wird? Gibt es dazu ausführende Bestimmungen oder Anweisungen für einzelne Bundesländer (Bayern)? Oder ist es eine Ermessensentscheidung des jew. Sachbearbeiters, mit dem man sich dann auseinanderzusetzen hat u. auf dessen Verständnis man angewiesen ist?
Hier würde ich als Maßstab das unpfändbare Einkommen auf jeden Fall als Sparsamkeitsgrenze nehmen. Dieses liegt auf jeden Fall höher als die Grundsicherung. Die Grenze ist 1.409,99€/Monat. Unterhalb dieser Grenze dürfte kein SB irgendetwas einwenden. Selbstverständlich sind Ersatzbeschaffungen von normalem Hausrat exklusive.
Lygia
Zitat von: Lygia am 10. November 2023, 17:41:42Muss man alle Belege u. Kassenzettel über mehrere Jahre hinweg aufheben,
Besser ist dass!
Wenn du sie brauchst und nicht hast dann hast du uU ein Problem.
Zitat von: Lygia am 11. November 2023, 11:56:10Was ist "sparsam", was "Luxus"? Was leistet sich ein Bürger mit wenig Einkommen u. was nicht? Das sind leider keine objektiven Kriterien.
Eine Rolex für 5000.- wäre Luxus eine andere für 1000.- wäre eine sinnvolle Investition für die nächsten Jahrzehnte.
Ein Thermomix ist vllt Luxus aber durchaus ein Alltagsgerät mit hoher Lebensdauer also ich hab mir einen angeschafft.
Eine Matratze für 800.- ist im Qualitätsbereich billig
usw.
und bei allen kann SB das Gegenteil behaupten weil es geht ja nicht das du besser lebst als SB weil er zu geizig ist etwas vernünftiges anzuschaffen.
Vielen Dank für die Antworten!
Folgendes konkretes Fallbeispiel:
Man erbt 50.000.
Das Sparvermögen beträgt 0€.
10.000 werden vom Erbe als Freibetrag abgezogen, die man behalten darf.
Man meldet sich vom Sozialamt ab u. muss von dem Erbe in Höhe von 40.000€ leben.
Man gibt die 10.000€ Freibetrag aus.
Man kauft sich von dem Erbe ein Auto im Wert von 7.500€
Ein paar Jahre später stellt man wieder einen Antrag auf Grundsicherung. Kann man dann erneut einen Freibetrag von 10.000€ geltend machen + das Auto in Höhe von 7.500€?
Dann hätte das verwertbare Erbe nicht 40.000€ betragen, sondern nur 12.500€.
Ist das bei dem neuen Bürgergeld so gedacht? Das ist schwer vorstellbar.
LG
Lygia
ZitatDie 83-Jährige steht nach der Entscheidung des Landessozialgerichts allerdings nicht mit leeren Händen da. Statt der Grundsicherungsleistungen erhält sie vom Sozialamt Hilfe zum Lebensunterhalt. Diese Leistung fällt ebenso hoch aus wie die Grundsicherung, sie muss aber, weil die Anspruchsvoraussetzungen vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt wurden, zurückgezahlt werden. Diese Verpflichtung geht nach dem Tod des Hilfebedürftigen auch auf die Erben über.
mit 83 Jahren braucht einer auch keine 2450€ mehr im Monat. Jetzt dürfen vielleicht die Kinder die Schulden zahlen.
ZitatEin statistisch durchschnittlicher, nichterwerbstätiger Mann hätte bei ganz normalen Ausgaben sieben Jahre und sieben Monate von dem Vermögen leben können. Die behauptete Alkoholerkrankung habe nach Überzeugung des Gerichts und der beteiligten Ärzte keineswegs zum Kontrollverlust geführt, da der Kläger auch sehr vernünftige Entscheidungen getroffen habe wie Schuldentilgung und den Kauf einer Eigentumswohnung.
2200€ verbrauch im Monat ist für einen 51-jährigen ok
Zitat von: Lygia am 11. November 2023, 11:56:10Man würde gerne etwas genauer wissen: Was ist "sparsam", was "Luxus"? Was leistet sich ein Bürger mit wenig Einkommen u. was nicht? Das sind leider keine objektiven Kriterien.
Das lässt sich vielleicht so veranschaulichen: Man stelle sich vor, es gäbe kein Bürgergeld. Wie würde man das Geld einteilen? welche an sich verzichtbaren Ausgaben würde man tätigen, welche eher nicht?
Zitat von: Lygia am 11. November 2023, 11:56:10Ich würde gerne wissen, ob es konkrete Fallbeispiele u. Erfahrungen gibt, wie das in der Praxis gehandhabt wird?
Da sind mir keine bekannt.
Und gerade zum Bereich des SGB XII gibt es kaum Grundsatzentscheidungen, dort wird kaum geklagt, kein Vergleich zum SGB II.
Hinzu kommt, dass sich im SGB II und XII die Rechtslage zu Erbschaften ab 01.01.2023 grundsätzlich geändert hat, dazu kann es aktuell schon aus Zeitgründen keine Grundsatzentscheidungen geben.
Zitat von: Lygia am 11. November 2023, 11:56:10Gibt es dazu ausführende Bestimmungen oder Anweisungen für einzelne Bundesländer (Bayern)?
Für Bayern ist mir nichts bekannt.
Das Sozialamt Hamburg hat seine Weisungen veröffentlicht, die zum 4. Kap. SGB XII findest du hier:
https://www.hamburg.de/sozialbehoerde/ah-sgbxii-kap04/15467906/ah-sgbxii-41-46b/
Dort gibt es den Abschnitt "2.2 Leistungsausschluss", darunter findest du Einiges dazu.
Im Übrigen bedeutet der Leistungsausschluss nach § 41 Abs. 4 SGB XII nur, dass stattdessen Hilfe zum Lebensunterhalt (§§ 27 bis 40 SGB XII) bewilligt wird, ein genereller Ausschluss von Leistungen des SGB XII findet nicht statt.
Und eine Einschränkung der Geldleistung auf das zum Leben unerlässliche nach § 26 SGB XII ist nur zulässig bei Leistungsberechtigten, die nach Vollendung des 18. Lebensjahres ihr Einkommen oder Vermögen vermindert haben in der Absicht, die Voraussetzungen für die Gewährung oder Erhöhung der Leistung herbeizuführen. Also bei Vorsatz, den zudem der Sozialleistungsträger beweisen muss.
Zitat von: Lygia am 11. November 2023, 11:56:10Oder ist es eine Ermessensentscheidung des jew. Sachbearbeiters, mit dem man sich dann auseinanderzusetzen hat u. auf dessen Verständnis man angewiesen ist?
Genau das.
Zitat von: Lygia am 11. November 2023, 11:56:10Kann man sich dann nicht beim Sozialamt abmelden, sondern die Grundsicherung wird für diese Monate entsprechend gekürtz oder gestrichen?
Ein "Abmelden" wäre aufgrund § 46 Abs. 2 SGB I unwirksam, weil damit die Rechtsvorschriften im SGB XII zur Einkommensberücksichtigung umgangen würden.
Was verschwenderisches - also vorsätzliches oder grob fahrlässiges - Verhalten betrifft, ist mir nur die Rechtsprechung des BSG zum SGB II geläufig.
Gefordert ist danach eine sparsame, aber durchaus normale Lebensführung (wirtschaftliche Lebensführung, siehe B 14 AS 38/12 R (https://www.sozialgerichtsbarkeit.de/legacy/168650?modul=esgb&id=168650), RdNr 13). Orientierung für die Höhe der monatlichen Ausgaben bietet im SGB II lt. BSG der nach § 1 Abs. 2 ALG II-V (neu: Bürgergeldverordnung) zu berechnende Freibetrag (vereinfacht: doppelter Regelsatz + Unterkunftskosten + KV-Beitrag).
Schuldentilgung ist z.B. zulässig, ebenso ein Urlaub pro Jahr. Auch der Kauf eines KFZ ist zulässig, da damit lediglich eine Vermögensumwandlung stattfindet. Für größere Anschaffungen und Ausgaben sollte man Belege aufbewahren um damit gegebenenfalls die Unterstellung sozialwidrigen Verhaltens entkräften zu können.
B 14 AS 38/12 R
Im Hinblick auf die Erhöhung des Anrechnungsbetrags für Januar 2010 von zunächst 418,99 Euro auf zuletzt 646,31 Euro durch den Änderungsbescheid vom 4.11.2009 wird dabei auch zu berücksichtigen sein, dass eine dem vorangehende Anhörung der Kläger nicht festgestellt worden ist und die höhere Anrechnung auf zuvor bewilligte Leistungen insoweit daher schon verfahrensrechtlich mangelbehaftet sein dürfte.
Kommt das LSG zu dem Ergebnis, dass entsprechend dem Vortrag der Kläger die im März 2009 zugeflossene Abfindung zur Sicherung des Lebensunterhalts im hier im Streit stehenden Verteilzeitraum nicht mehr zur Verfügung stand und mithin Hilfebedürftigkeit herbeigeführt worden ist, kann das einen Ersatzanspruch nach § 34 SGB II auslösen; das hat der Senat bereits mit der Entscheidung vom 29.11.2012 ausgesprochen und mit Urteil vom 16.4.2013 nochmals bekräftigt (B 14 AS 55/12 R - SozR 4-4200 § 34 Nr 2 RdNr 22).
Diese Prüfung wird das LSG nach Zurückverweisung des Rechtsstreits nachzuholen haben.
Wie ging der Rechtsstreit weiter wäre auch interessant.
Vielen Dank für die Antworten, die schon ein wenig Licht in die Dunkelheit der Vorschriften bringen.
Noch mal eine grundsätzliche Frage:
1.
Bekommt manals Grundsicherungsempfänger nach SGBXII jetzt auch das neue Bürgergeld? Oder ist nur Hartz4 durch das Bürgergeld abgelöst worden? Oder nennt es sich weiter Grundsicherung? Wer bezahtl eigentlich die Grundsicherung bei Erwerbsminderung? Die Stadt oder die Rentenversicherung (Bund?). Einen Rentenanspruch habe ich nicht.
2.
Durch die Einführung des Bürgergeldes gilt ja Erbe nicht mehr als Einkommen, sondern als Vermögen, was heißt, dass man das Erbe in Höhe des Schonvermögens behalten darf. Gilt das auch für Grundsicherung nach SGB XII? Darf man demnach einen Freibetrag von 10.000€ vom Erbe behalten? Gilt das auch für einen Pflichtteil? Erbt man also 10.000€ darf man diese komplett behalten?
@ Ottokar
ZitatEin "Abmelden" wäre aufgrund § 46 Abs. 2 SGB I unwirksam, weil damit die Rechtsvorschriften im SGB XII zur Einkommensberücksichtigung umgangen würden.
Das verstehe ich nicht. Ich dachte, wenn man ein Erbe bekomt, das mehr als 6 Monate reicht, muss man sich von der Sozialhilfe abmelden u. davon leben, bis es weg ist. Dann stellt man einen neuen Antrag. Oder ist das nur bei SGB II so?
3.
Sollte das Verhalten als "unwirtschaftlich" bzw. "sozialwidrig" bewertet werden, u. man bekommt dann nur noch "Hilfe zum Lebensunterhalt" als Darlehen. Dann hat man doch Schulden. Muss man diese durch einen monatlichen Beitrag abbezahlen? Wird also die Leistung gekürzt? Darf man in diesem FAll noch ein Schonvermögen haben? Ist man dann bei der Schufa eingetragen u. sozusagen als nicht geschäftsfähig eingestuft?
@Ottokar
ZitatAuch der Kauf eines KFZ ist zulässig, da damit lediglich eine Vermögensumwandlung stattfindet.
Darf man das Auto nur vom Schonvermögen des Erbes kaufen oder von dem Geld, von dem man monatlich leben muss?
Vielen Dank!
Lygia
Zitat von: Lygia am 13. November 2023, 13:08:29Bekommt manals Grundsicherungsempfänger nach SGBXII jetzt auch das neue Bürgergeld?
Die Grundsicherung des SGB II wurde in Bürgergeld umbenannt, das ist alles.
Zitat von: Lygia am 13. November 2023, 13:08:29Wer bezahtl eigentlich die Grundsicherung bei Erwerbsminderung?
Leistungsträger ist der örtliche Träger der Sozialhilfe, i.d.R. die Kommune.
Kostenträger für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung ist der Bund.
Zitat von: Lygia am 13. November 2023, 13:08:29Gilt das auch für Grundsicherung nach SGB XII? Darf man demnach einen Freibetrag von 10.000€ vom Erbe behalten? Gilt das auch für einen Pflichtteil? Erbt man also 10.000€ darf man diese komplett behalten?
Erbschaften gehören zum Vermögen.
Wird der Vermögensfreibetrag überschritten, muss das Zuviel für die Lebenshaltung eingesetzt werden.
Zitat von: Lygia am 13. November 2023, 13:08:29Das verstehe ich nicht. Ich dachte, wenn man ein Erbe bekomt, das mehr als 6 Monate reicht, muss man sich von der Sozialhilfe abmelden u. davon leben, bis es weg ist. Dann stellt man einen neuen Antrag. Oder ist das nur bei SGB II so?
Das ist weder im SGB II noch im SGB XII so.
Zitat von: Lygia am 13. November 2023, 13:08:29Sollte das Verhalten als "unwirtschaftlich" bzw. "sozialwidrig" bewertet werden, u. man bekommt dann nur noch "Hilfe zum Lebensunterhalt" als Darlehen.
"Hilfe zum Lebensunterhalt" wird immer als Beihilfe bewilligt.
Zitat von: Lygia am 13. November 2023, 13:08:29Darf man das Auto nur vom Schonvermögen des Erbes kaufen oder von dem Geld, von dem man monatlich leben muss?
Vom Gesamtvermögen.
da gibt es auch eine schöne Broschüre vom Bund.
https://www.bmas.de/DE/Service/Publikationen/Broschueren/a207-sozialhilfe-und-grundsicherung.html
https://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/Publikationen/a207k-sozialhilfe-und-grundsicherung-korrektur-januar-2023.pdf?__blob=publicationFile&v=3
Zitat von: Lygia am 13. November 2023, 13:08:292.
Durch die Einführung des Bürgergeldes gilt ja Erbe nicht mehr als Einkommen, sondern als Vermögen, was heißt, dass man das Erbe in Höhe des Schonvermögens behalten darf. Gilt das auch für Grundsicherung nach SGB XII? Darf man demnach einen Freibetrag von 10.000€ vom Erbe behalten? Gilt das auch für einen Pflichtteil? Erbt man also 10.000€ darf man diese komplett behalten?
Egal welches SGB, man kann die komplette Summe behalten.
Zitat von: Lygia am 13. November 2023, 13:08:29Darf man das Auto nur vom Schonvermögen des Erbes kaufen oder von dem Geld, von dem man monatlich leben muss
Von dem Geld, das Dir zur Verfügung steht. Ist das Erbe erstmal auf dem Konto kann man schlecht trennen. welches Geld vom Erbe und welches angespart wurde. Von einem monatlichen Eingang wird man sich kein Auto kaufen können.
Zitat von: september23 am 13. November 2023, 19:54:47Zitat von: Lygia am 13. November 2023, 13:08:29Erbt man also 10.000€ darf man diese komplett behalten?
Egal welches SGB, man kann die komplette Summe behalten.
Nur wenn das Vermögen vor der Erbschaft 0,00€ betrug.
Hallo,
@Ottokar
So meinte ich es, als Beispiel. Danke!
Eine andere Frage:
Muss das Sozialamt es im Rahmen eines Berliner Testaments akzeptieren, wenn ein Grundsicherungsempfänger einen Pflichtteilsverzicht zu Lebzeiten eines Elternteils unterschreibt oder leitet es diesen trotzdem auf sich über oder kürzt alternativ die Grundsicherung (bis zu 30%), wenn er durch den Pflichtteilsverzicht auf das Erbe verzichtet?
Genauer erklärt:
Die Eltern setzen ein Berliner Testament mit Pflichtteilsstrafklausel auf, d.h. verlangt ein Kind beim Erstversterbenden den Pfichtteil, bekommt es beim Tod des Letztversterbenden (Schlusserbe) auch nur den Pflichtteil.
Der Grundsicherungsempfänger unterzeichnet einen Pflichtteilsverzicht.
Es geht darum, dass es für den noch lebenden Elternteil evtl. eine große finanzielle Belastung sein könnte, den Pflichtteil auszubezahlen u. dafür evtl. ein Haus verkauft werden müsste.
Gibt es Erfahrungen, wie die Sozialämter mit so einem Fall umgehen?
Danke!
LG
Lygia
Zitat von: Lygia am 15. November 2023, 11:05:17Es geht darum, dass es für den noch lebenden Elternteil evtl. eine große finanzielle Belastung sein könnte, den Pflichtteil auszubezahlen u. dafür evtl. ein Haus verkauft werden müsste.
Hier kann der Elternteil die Stundung des Pflichtteils nach § 2331a BGB verlangen, ein Pflichtteilsverzicht ist dabei nicht erforderlich.
Zitat von: Lygia am 15. November 2023, 11:05:17Die Eltern setzen ein Berliner Testament mit Pflichtteilsstrafklausel auf, d.h. verlangt ein Kind beim Erstversterbenden den Pfichtteil, bekommt es beim Tod des Letztversterbenden (Schlusserbe) auch nur den Pflichtteil.
Der Grundsicherungsempfänger unterzeichnet einen Pflichtteilsverzicht.
...
Gibt es Erfahrungen, wie die Sozialämter mit so einem Fall umgehen?
Nein, dazu gibt es keine Erfahrungen, denn das hat sich zum 01.01.2023 grundlegend geändert, da seither Erbschaften dem Vermögen zugerechnet werden und damit der Vermögensschutz nach § 90 SGB XII greift.
Ob das Sozialamt hier Forderungen stellt oder Ansprüche geltend macht, hängt somit zunächst davon ab, ob durch die Erbschaft der Vermögensfreibetrag überschritten wird.
Hierbei sehe ich nur die Möglichkeit, dass das Sozialamt einen Ersatzanspruch in Höhe des ungeschützten Vermögens geltend macht.
Ottokar
Zitat von: Ottokar am 15. November 2023, 20:24:00Nein, dazu gibt es keine Erfahrungen, denn das hat sich zum 01.01.2023 grundlegend geändert, da seither Erbschaften dem Vermögen zugerechnet werden und damit der Vermögensschutz nach § 90 SGB XII greift.
:scratch: ich dachte Erbe gilt ab/seit 01.07.23 zum Vermögen.
Nur das es da keine vermeidbaren Probleme gibt.
MfG FN
Das Erbschaften kein Einkommen und somit dem Vermögen zuzurechnen sind, regelt § 82 Abs. 1 S. 1 Nr. 9 SGB XII, diese Regelung trat lt. Artikel 5 und 13 Abs. 1 Bürgergeld-Gesetz zum 01.01.2023 in Kraft.
Die analoge Regelung in § 11a Abs. 1 Nr. 7 SGB II trat erst am 01.07.2023 in Kraft (Artikel 1 und 13 Abs. 2 Bürgergeld-Gesetz).
Hallo,
Zwei Fragen:
1a
Der Anwalt meiner Eltern vertritt jetzt die Ansicht, dass das neue Schonvermögen von 10 000€, dass man als Grundsicherungsempfänger nach SGBXII ab 1.1.2023 geltend machen kann, nicht für Pflichtteile gilt, was für mich überraschend ist. Das Schonvermögen soll nur für normale Erbfälle gelten.
Das würde bedeuteten, dass ich beim Tod des ersten Elternteils kein Schonvermögen habe, sondern das Erbe komplett zum Lebensunterhalt verwenden muss, was für mich von großem Nachteil wäre.
Meine Überlegung ist nun, dass sich meine Elter beim Erstversterbenden nicht gegenseitig als Alleinerben einsetzen, sondern mich zum regulären Erben machen, indem sie den überlebenden Elternteil z.B. mit 35% zum Erben machen u. mich z.B. zu 15% (der Pflichtteil liegt bei 2 Kindern bei 12,5%). Wäre es dann nicht ein normaler Erbfall, für den das Schonvermögen gelten müsste. Der Anwalt meint offenbar, dass das nicht möglich sei.
Ich verstehe nicht, was sich der Gesetzgeber dabei gedacht haben soll, wenn das Schonvermögen nur für den Tod des Zweitversterbenden gelten soll.
1b)
Der Anwalt erwähnt, dass zusätzlich zu dem Schonvermögen von 10 000€ offenbar weitere Freibeträge möglich sind u. zwar, wenn ich das richtig verstanden habe, für Eingliederungshilfe nach SGB IX, d.h. vielleicht für medizinische Hilfsmittel, Umbau der Wohnung, Rollstuhl etc.. (bis 45.000€ bei 4 Personen). Das hat er aber nicht näher erläutert u. ist offenbar nicht bereit zu erklären, was das bedeuten soll. Gilt das z.B. nur für Behinderte mit Ausweis oder Kranke mit Pflegestufe. Beides habe ich nicht.
2.
Gehört die Wohnungskaution, die inzwischen sich inzwischen in meinem Besitz befindet, weil sie abzahlen musste, nachdem das Sozialamt sie nur als Darlehen gewährt hatte zum Schonvermögen oder erst in dem Moment, in dem ich ausziehe u. sie dann ausbezahlt bekäme, denn im Moment kann ich über das Geld nicht verfügen, weil es sich auf dem Konto des Vermieters befindet.
Wird dieser Geldbetrag in Höhe von ca. 700€ erst dann vom Schonvermögen abgezogen, wenn ich ausziehe u. das Geld bekomme?
Vielen Dank für die Mühe!
LG
Lygia
Zitat von: Lygia am 11. Februar 2024, 19:55:43Der Anwalt meiner Eltern vertritt jetzt die Ansicht, dass das neue Schonvermögen von 10 000€, dass man als Grundsicherungsempfänger nach SGBXII ab 1.1.2023 geltend machen kann, nicht für Pflichtteile gilt, was für mich überraschend ist. Das Schonvermögen soll nur für normale Erbfälle gelten.
Dann weise diesen Herrn mal darauf hin, dass seit 01.01.2024 § 82 Abs. 1 S. 2 Nr. 9 SGB XII ausdrücklich Pflichtteilszuwendungen benennt. Der soll sich mal weiterbilden.
Zitat von: Lygia am 11. Februar 2024, 19:55:43Eingliederungshilfe
Eingliederungshilfe gehört nicht zum Vermögen sondern zum Einkommen und ist lt. § 82 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB XII anrechenfrei.
Das zur
baldigen Beschaffung oder Erhaltung von behindertengerechtem Wohnraum gedachte Vermögen ist unabhängig von seiner Höhe geschützt.
Eine Mietkaution gehört lt. § 90 Abs. 1 SGB XII erst mit erfolgter Rückzahlung zum Vermögen.
Wenn du zu diesem Zeitpunkt bereits 10.000€ Vermögen hast, würden diese 700€ deinen Freibetrag übersteigen und das Sozialamt würde fordern, dass du diese 700€ zunächst zu deiner Lebensführung verbrauchst, bevor du wieder Anspruch auf Leistungen des SGB XII hast.
Du hast natürlich das Recht, dein Vermögen vor dem Zufluss der 700€ so umzuverteilen, dass es insgesamt geschützt ist, z.B. indem du dir eine neue Waschmaschine für 700€ kaufst.
Danke für die Infos, Ottokar,
kann es sein, dass die von Dir angesprochene Änderung zum 1.1.2023 vorgenommen wurde u. nicht 2024?
Vielleicht ist es noch wichtig zu erwähnen, dass ich Grundsicherung bei voller Erwerbsminderung erhalte, die von der Deutschen Rentenversicherung gezahlt u. nicht vom Sozialamt, das allerdings die Leistungen ausbezahlt. Ich habe allerdings keinen Anspruch auf eigene Rente, d.h. ich bekomme nur Grundsicherung u. keine Leistungen aus der Rentenkasse. Ich bekomme demnach keine Sozialhilfe.
LG
Lygia
§ 82 Abs. 1 S. 2 Nr. 9 SGB XII wurde 2 Mal geändert.
Ab 01.01.2023 lautete die Fassung: "9. Erbschaften."
Da ausweislich der Gesetzesbegründung alle Arten von Erbschaften gemeint waren, einschl. Vermächtnisse und Pflichtteile, die Formulierung aber rechtliche Unstimmigkeiten hervorrief, da der Oberbegriff "Erbschaft" im BGB im Weiteren differenziert benutzt wird, wurde sie vom Gesetzgeber konkretisiert.
Ab 01.01.2024 lautete die konkretisierte Fassung: "9. einmalige Einnahmen aus Erbschaften, Vermächtnissen und Pflichtteilszuwendungen,"
Trotzdem sind Vermächtnisse und Pflichtteile bereits seit 01.01.2023 als Bestandteile von Erbschaften nach § 82 Abs. 1 S. 2 Nr. 9 SGB XII nicht als Einkommen sondern als Vermögen zu berücksichtigen.
Vielen Dank, Ottokar,
ich habe gerade juristische Einschätzungen gelesen u. war soeben auf den Gedanken gekommen, dass das Gesetz vom 1.1.2024 angepasst worden sein könnte.
Danke für die exakte Einschätzung. Das hat der Anwalt übersehen, was ich nicht verstehen kann.
LG
Lygia