Liebe Forumsmitglieder,
Person A lebt in einer Bedarfsgemeinschaft mit seinen Kindern. Sie ist voll erwerbsgemindert und bezieht Rente. Diese Rente reicht rechnerisch aus, um den Bedarf (Regelsatz und Mietanteil) von Person A vollständig abzudecken.
Das Einkommen von A wird vom Jobcenter jedoch
rechnerisch auf alle Personen der BG verteilt, so dass gemäß Bescheid ein (verbleibender Rest-) Bedarf für A ,,konstruiert" wird.
In welcher Form bzw. in welchem Umfang ist Person A zur Mitwirkung gegenüber dem Jobcenter zu verpflichten?
Was genau verstehst du jetzt unter "Mitwirkung"? Zur Arbeitssuche kann Person A ja nicht verpflichtet sein.
Nun, das ist halt genau die Frage, und die ist bewusst offen gestellt.
Dass Person A beispielsweise im Rahmen ihrer Möglichkeiten bei der Feststellung der Anspruchsvoraussetzungen durch Vorlage von (z.B.) Nachweisen mitwirken muss - und im eigenen Interesse auch sollte - ist zwischen den Zeilen schon klar.
Aber welche Mitwirkungspflichten bestehen denn überhaupt für eine Person, die einkommensmässig ihren eigenen Bedarf decken kann?
,,Voll erwerbsgemindert" bedeutet nach Definition der Rentenversicherung eben auch nur eine tägliche Erwerbsfähigkeit von unter drei Stunden, nicht von Null - auch wenn dies de facto tatsächlich der Fall sein sollte...
GünsTiger
Wenn die Frage nicht fiktiv ist dann stell doch bitte das dazugehörende Schreiben des Amtes dazu ein.
Ist es eine fiktive Frage dann warte auf weitere Antworten.
MfG FN
Zitat von: GünsTiger am 25. August 2024, 12:45:57,,Voll erwerbsgemindert" bedeutet nach Definition der Rentenversicherung eben auch nur eine tägliche Erwerbsfähigkeit von unter drei Stunden, nicht von Null - auch wenn dies de facto tatsächlich der Fall sein sollte...
Das heißt aber nichts anderes als dass die voll erwerbsgeminderte Person noch ein paar Stunden arbeiten KANN, sie MUSS es aber nicht.
Im übrigen wird mit der Verteilung des Einkommens nur die Unterhaltspflicht von Person A ihren/seinen unterhaltsberechtigten Kindern gegenüber abgedeckt, das hat nichts mit "Bedarf für A konstruier wird" zu tun.
Zitat von: GünsTiger am 25. August 2024, 11:59:09In welcher Form bzw. in welchem Umfang ist Person A zur Mitwirkung gegenüber dem Jobcenter zu verpflichten?
Meinst du mit "Mitwirkungspflichten Termine, Maßnahmen, usw., bei denen Sanktionen drohen?
Da du wahrscheinlich rechnerisch weniger bekommst als die KdU, ist es unmöglich dich zu sanktionieren. Folglich kannst du das ohne Konsequenzen einfach lochen, abheften und ignorieren.
Oder meinst du die "echten" Mitwirkungspflichten, bei denen eine Leistungseinstellung droht, bis die Mitwirkung nachgeholt wurde und dann alle Leistungen vollständig nachgezahlt werden müssen?
Da du BG Mitglied bist, droht dann die komplette Leistungseinstellung für die gesamte BG - bis du die Mitwirkungspflichten nachgeholt hast.
@Sheherazade
Unterhaltsverpfichtet ist man natürlich, aber tatsächlich zahlt man Unterhalt doch üblicherweise erst dann, wenn man leistungsfähig ist, oder?
Und das ist man ja nicht, wenn das Einkommen lediglich dazu ausreicht, den eigenen Bedarf zu decken. Und mit Sicherheit erst recht nicht, wenn man durch Unterhaltszahlungen selbst wieder bedürftig wird.
Daher nannte ich den erst durch die Anrechnung entstehenden Bedarf von A, der ja seinen eigenen Bedarf decken kann, ,,konstruiert" - ohne natürlich den genauen Hintergrund und seine Rechtsgrundlagen zu kennen. Vielleicht kommt ja hierzu auch noch Licht ins Dunkel.
@180
Tatsächlich ist mir die Unterscheidung als Laie nicht wirklich klar.
Was die Sanktionen betrifft, habe ich Deine Aussage ,, Da du wahrscheinlich rechnerisch weniger bekommst als die KdU, ist es unmöglich dich zu sanktionieren." leider nicht wirklich verstanden. Wärst Du so nett und würdest mir dies noch einmal erklären wollen?
Zitat von: GünsTiger am 25. August 2024, 13:13:44Tatsächlich ist mir die Unterscheidung als Laie nicht wirklich klar.
Da der Grundsatz gilt: Ohne Rechtsfolgenbelehrung, sind keine Rechtsfolgen möglich, erkennst du das immer an der RFB vom Schreiben. Wird eine Sanktion von 10-30% angedroht, dann ist es keine "Mitwirkungspflicht".
Wird hingegen mit einer Leistungseinstellung gedroht, dann ist es eine echte Mitwirkungspflicht.
Zur Unmöglichkeit der Sanktionierung: Das liegt daran, dass bei der Berechnung von Einkommen immer zuerst Regelsatz (506€ in der BG) angerechnet wird. Danach werden die Kosten der Unterkunft angerechnet und ggf. aufgestockt.
Da es unzulässig ist die KdU zu sanktionieren, ist es unmöglich dich zu sanktionieren, sobald du nicht mehr Bürgergeld erhältst, als die KdU beträgt. Wenn du etwas mehr Bürgergeld als die KdU erhältst, kann man nur diese Differenz sanktionieren.
@180
Vielen Dank, nun verstehe ich das schon viel besser.
Also sollte doch das Einkommen zunächst eigentlich bedarfsmindernd auf meinen Regelsatz angerechnet werden, dann auf meine KdU, dann - falls es mehr ist - auf den Regelsatz der Kinder und dann auf die KdU der Kinder? Oder habe ich das falsch verstanden?
Zitat von: GünsTiger am 25. August 2024, 14:12:31Also sollte doch das Einkommen zunächst eigentlich bedarfsmindernd auf meinen Regelsatz angerechnet werden, dann auf meine KdU, dann - falls es mehr ist - auf den Regelsatz der Kinder und dann auf die KdU der Kinder? Oder habe ich das falsch verstanden?
Kommt darauf an, ob du auf Dauer erwerbsgemindert bist oder nur auf Zeit oder sogar nur Arbeitsmarktrente.
@TripleH
Es gibt Unterschiede bei der Anrechnung des Einkommens in Abhängigkeit von der Rentenart? Kannst Du dazu vielleicht - kurz und allgemein - mehr sagen?
Wenn jemand dauerhaft erwerbsgemindert ist, ist er grundsätzlich nach dem 4. Kapitel SGB XII leistungsberechtigt und dann wird so gerechnet, wie du schreibst, also, dass erstmal sein individueller Bedarf gedeckt ist.
Alle anderen Erwerbsunfähigen werden nach der horizontalen Bedarfsanteilsmethode berechnet, also so, wie es das Jobcenter hier bei dir gemacht hat.
@TripleH
Danke für die aufschlussreiche Erklärung.
Auf diesem Weg wird also vom Staat - völlig legal - der eigentlich nicht leistungsfähige Unterhaltsverpflichtete zur Unterhaltszahlung gezwungen und bedürftig gemacht. Ohne Worte.
Sehe ich es richtig, dass eine Sanktionierung nur auf den Bürgergeldanteil erfolgen darf, der tatsächlich vom Amt gezahlt wird, nicht aber auf den Anteil, der durch die ,,Bedarfsanteilmethode" aus eigenem Einkommen gedeckt ist?
Abgesehen davon, dass es bei Erwerbsunfähigen nur 2 Konstellationen für Sanktionen gibt (§ 31 Absatz 2 Nr 1 und 2 SGB II), darf nicht in die KdU Auszahlung gekürzt werden. Das ist aber bei allen Leistungsempfängern so.
Zitat von: GünsTiger am 25. August 2024, 20:11:27Auf diesem Weg wird also vom Staat - völlig legal - der eigentlich nicht leistungsfähige Unterhaltsverpflichtete zur Unterhaltszahlung gezwungen und bedürftig gemacht. Ohne Worte.
Zwischenfragen: Wer -ausser den Erzeugern- ist denn den Kindern zu Unterhalt verpflichtet? Wie machen das die Millionen Nicht-Bürgergeldempfänger mit ihren Kindern?
In diesem Fall, in dem Person A in einer Bedarfsgemeinschaft (BG) lebt und ihre Rente rechnerisch ausreicht, um ihren eigenen Bedarf (Regelsatz und Mietanteil) zu decken, stellt sich die Frage nach der Mitwirkungspflicht gegenüber dem Jobcenter.
Grundsätzliche Mitwirkungspflichten
Nach § 60 SGB I besteht für jede Person, die Sozialleistungen (hier: Leistungen nach dem SGB II) beantragt oder erhält, eine Mitwirkungspflicht. Diese Mitwirkungspflicht umfasst unter anderem die Pflicht, alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistungsgewährung erheblich sind, und entsprechende Belege vorzulegen.
Besonderheiten bei Person A
Da Person A voll erwerbsgemindert ist und ihre Rente ihren Bedarf vollständig abdeckt, ist sie grundsätzlich nicht auf Leistungen nach dem SGB II angewiesen. Es wird jedoch eine Berechnung vorgenommen, bei der das Einkommen (hier: die Rente) von Person A auf die gesamte Bedarfsgemeinschaft verteilt wird, was die Berechnung der Leistungen für die anderen Mitglieder der BG beeinflusst.
Mitwirkungspflichten von Person A
Person A ist im Rahmen ihrer Mitwirkungspflichten verpflichtet, dem Jobcenter alle erforderlichen Informationen zu ihrem Einkommen (insbesondere ihre Rentenbezüge) zur Verfügung zu stellen. Dies ist notwendig, weil das Einkommen in der Bedarfsgemeinschaft berücksichtigt wird, um den Bedarf der anderen Mitglieder der BG zu berechnen.
Umfang der Mitwirkung
Der Umfang der Mitwirkung beschränkt sich auf die relevanten Informationen, die zur Berechnung des Bedarfs der gesamten Bedarfsgemeinschaft erforderlich sind. Insbesondere muss Person A ihre Rentenbescheide, Kontoauszüge oder sonstige Nachweise über das Einkommen dem Jobcenter vorlegen. Da das Einkommen von A für die Berechnung der Leistungen der anderen BG-Mitglieder relevant ist, ist die Mitwirkungspflicht in diesem Zusammenhang vollumfänglich gegeben.
Keine erweiterte Mitwirkungspflicht
Person A muss keine Informationen oder Unterlagen vorlegen, die nicht relevant für die Berechnung der Sozialleistungen sind. Ihre Mitwirkungspflicht erstreckt sich nur auf die Angaben, die zur Feststellung des Leistungsanspruchs der anderen BG-Mitglieder notwendig sind.
Zusammenfassung
Person A ist verpflichtet, alle Informationen und Unterlagen über ihr Einkommen dem Jobcenter zur Verfügung zu stellen, da diese Informationen relevant für die Berechnung des Bedarfs der anderen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft sind. Der Umfang der Mitwirkungspflicht ist auf die relevanten Informationen beschränkt, die für die Feststellung der Leistungshöhe notwendig sind.
@Sheherazade
Kindesunterhalt kann üblicherweise nur von leistungsfähigen Unterhaltspflichtigen gezahlt werden.
Ist der Unterhaltspflichtige nicht leistungsfähig, springt normalerweise die Unterhaltsvorschusskasse ein. Unterhalt von nicht leistungsfähigen Unterhaltspflichtigen wird im UVG nicht zurückgefordert.
In diesen Fällen kommt also der Staat für den Unterhalt auf.
Warum dies im SGBII anscheinend abweichend gehandhabt wird, ist mir nicht klar.
@gargendus
Vielen Dank für Deine ausführliche Antwort. Sind also keinerlei Sanktionen möglich, wenn das eigene Einkommen den eigenen Bedarf deckt und alle notwendigen Informationen zur Bedarfsberechnung zur Verfügung gestellt werden?
Zitat von: GünsTiger am 26. August 2024, 13:00:46@Sheherazade
Kindesunterhalt kann üblicherweise nur von leistungsfähigen Unterhaltspflichtigen gezahlt werden.
Wenn die Kinder im gemeinsamen Haushalt leben, muss gar nichts "gezahlt" werden. Den Barunterhalt muss nur das getrennt lebende Elternteil entrichten. Anhaltspunkt dafür ist die Düsseldorfer Tabelle.
Vielleicht sollte deine Person A mal die Unterhaltsansprüche der Kinder gegenüber dem anderen Elternteil geltend machen (was im übrigen eine Pflicht ist) anstatt sich über das SGBII Gedanken zu machen.
Ja, grundsätzlich sind in diesem Fall keine Sanktionen gegen Person A möglich, wenn das eigene Einkommen ihren eigenen Bedarf vollständig deckt und alle notwendigen Informationen zur Bedarfsberechnung der Bedarfsgemeinschaft (BG) dem Jobcenter ordnungsgemäß zur Verfügung gestellt werden. Hier sind die wichtigsten Punkte dazu:
Voraussetzungen für Sanktionen
Sanktionen nach dem SGB II sind in der Regel an Verstöße gegen Mitwirkungspflichten oder Pflichten zur Eigenbemühung gekoppelt. Typische Gründe für Sanktionen sind:
Verletzung von Meldepflichten (z. B. Nichterscheinen zu Terminen beim Jobcenter).
Verweigerung von Maßnahmen zur Eingliederung in Arbeit (z. B. Ablehnung einer zumutbaren Arbeit).
Verweigerung der Mitwirkungspflicht (z. B. Nichtvorlage von Nachweisen über Einkommen und Vermögen).
Situation von Person A
In diesem Fall:
Eigenes Einkommen deckt eigenen Bedarf: Da Person A durch ihre Rente ihren eigenen Bedarf deckt, ist sie nicht auf Leistungen nach dem SGB II angewiesen. Damit entfällt auch die Notwendigkeit, Eigenbemühungen zur Eingliederung in Arbeit nachzuweisen, was eine häufige Ursache für Sanktionen ist.
Mitwirkungspflicht erfüllt: Wenn Person A alle relevanten Informationen zur Bedarfsberechnung der Bedarfsgemeinschaft (z. B. ihre Rentenbescheide) vorgelegt hat, erfüllt sie ihre Mitwirkungspflichten. Solange diese Informationen korrekt und vollständig sind, besteht kein Grund für das Jobcenter, Sanktionen zu verhängen.
Keine Sanktionen bei vollständiger Mitwirkung und eigenem Bedarf
Wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, sind Sanktionen nicht zulässig. Das Jobcenter kann Sanktionen nur dann verhängen, wenn Person A ihre Mitwirkungspflichten verletzt, was hier nicht der Fall ist. Da ihr eigenes Einkommen den eigenen Bedarf deckt und alle notwendigen Informationen zur Berechnung des Bedarfs der BG vorgelegt wurden, hat Person A ihren Pflichten vollumfänglich nachgekommen.
Zusammengefasst: Wenn Person A alle erforderlichen Informationen bereitgestellt hat und ihr eigenes Einkommen den eigenen Bedarf deckt, sind Sanktionen nicht gerechtfertigt.
(Keine Rechtsberatung! Angaben ohne Gewähr.)
@Sheherazade
Durch die bedarfsreduzierende, anteilige Anrechnung des Einkommens von Person A bei den Kindern der Bedarfsgemeinschaft erfolgt eine indirekte Unterhaltsgewährung. Das mag man dann nennen, wie man will.
Der andere Elternteil ist aus Gründen, die hier nicht Thema sind, nicht barunterhaltspflichtig.
@gargendus
Vielen Dank! Deine Ausführungen berücksichtigen auch, dass die Rente den Bedarf von A nur theoretisch deckt, weil Teile der Rente als Einkommen der Kinder angerechnet werden und somit auf dem Papier wieder ein Bedarf bei A entsteht?
Bitte entschuldige, dass ich nochmals nachfrage, aber ich kann es immer noch nicht ganz verstehen und nachvollziehen.
Zitat von: GünsTiger am 26. August 2024, 14:14:50@Sheherazade
Durch die bedarfsreduzierende, anteilige Anrechnung des Einkommens von Person A bei den Kindern der Bedarfsgemeinschaft erfolgt eine indirekte Unterhaltsgewährung. Das mag man dann nennen, wie man will.
Das nennt man Naturalunterhalt, etwas zu dem alle Eltern oder Elternteile ihren bei sich lebenden minderjährigen Kindern verpflichtet sind.
@Sheherazade
Wie man es nennt ändert nichts an der Tatsache, dass man im SGB einer unterhaltsrechtlich nicht leistungsfähigen Person durch Anrechnung eigenes Einkommen entzieht. Im Bereich des UVG ist dies so nicht möglich. Kann jeder finden , wie er will, ist letztlich auch nicht das eigentliche Thema des Threads.