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SG Dresden, Urteil vom 12.12.2016, Az. S 3 AS 5728/14:
"Die Klägerin zu 1 hat Anspruch auf Übernahme ihrer zusätzlichen Fahrtkosten zur eigenen ambulanten Therapie sowie als Begleiterin des Klägers zu 2 zu dessen ambulanten Therapie als Mehrbedarf gemäß § 21 Abs. 6 SGB II, soweit die beantragten Kosten den in der Regelbedarfsberechnung veranschlagten Anteil für Verkehr übersteigen.
a) Gemäß § 21 Abs. 6 SGB II wird bei Leistungsberechtigten ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf besteht. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.
Die Vorschrift wurde in das SGB II infolge der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aufgenommen (vgl. BVerfG, Urteil vom 09. Februar 2010 – 1 BvL 1/09), in dem das BVerfG zwar die Pauschalierung des Regelsatzes grundsätzlich als verfassungsgemäß eingeschätzt hat, in seinem 4. Leitsatz aber präzisierte: "Der Gesetzgeber kann den typischen Bedarf zur Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums durch einen monatlichen Festbetrag decken, muss aber für einen darüber hinausgehenden unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen Bedarf einen zusätzlichen Leistungsanspruch einräumen."
In der Gesetzesbegründung zu § 21 Abs. 6 SGB II wird hinsichtlich des laufenden Bedarfs ausgeführt, dass es sich um einen "regelmäßig wiederkehrenden, dauerhaften, längerfristigen" Bedarf handeln müsse. Der Bedarf ist unabweisbar, wenn er nicht durch Zuwendungen Dritter oder durch Einsparmöglichkeiten des Leistungsempfängers gedeckt werden kann. Dabei ist nach der Rechtsprechung auch nicht von einer Bagatellgrenze etwa von 10 % des Regelsatzes aus-zugehen. Vielmehr können, abhängig von Eigenart, Häufigkeit und der Dauer des zu tragenden Bedarfs auch geringere Belastungen unzumutbar und damit unabweisbar sein (vgl. Behrend in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Aufl. 2015, § 21, Rn 86). Schließlich muss bei Bedarfen, die, wie vorliegend ein Bedarf für Mobilität, anteilig in die Regelsatzberechnung eingeflossen sind, eine erhebliche Abweichung vom durchschnittlichen Bedarf gegeben sein.
Nach Ansicht der Kammer ist der Anwendungsbereich der Vorschrift eröffnet. Unstrittig dürfte sein, dass es sich bei über Jahre nahezu wöchentlich anfallenden Transportkosten um einen laufenden, nicht nur einmaligen Bedarf handelt. Umstritten ist, ob es sich bei Fahrtkosten zu einer ambulanten medizinischen Behandlung um einen besonderen unabweisbaren Bedarf handeln kann, oder ob dieser, soweit er nicht durch das System der Krankenversicherung abgefangen wird, jedenfalls durch den Regelsatz umfasst ist und keinen besonderen unabweisbaren Bedarf darstellen kann."
Das hat mit einem gewöhnlichen Arztbesuch so viele Gemeinsamkeiten wie der Mond mit einem Dampfschiff!