Bereits in der ursprünglichen Fassung des SGB II gab es eine dreifache Staffelung der Freibeträge bei Erwerbstätigkeit:
1. in Höhe von 15 vom Hundert bei einem Bruttolohn bis 400 Euro,
2. zusätzlich in Höhe von 30 vom Hundert bei dem Teil des Bruttolohns, der 400 Euro übersteigt und nicht mehr als 900 Euro beträgt und
3. zusätzlich in Höhe von 15 vom Hundert bei dem Teil des Bruttolohns, der 900 Euro
Diese wurde ab 01.01.2006 zugunsten einer zweifachen Staffelung abgeschafft:
1. für den Teil des monatlichen Einkommens, das 100 Euro übersteigt und nicht mehr als 800 Euro beträgt, auf 20 vom Hundert und
2. für den Teil des monatlichen Einkommens, das 800 Euro übersteigt und nicht mehr als 1 200 Euro beträgt, auf 10 vom Hundert.
An Stelle des Betrages von 1 200 Euro tritt für erwerbsfähige Hilfebedürftige, die entweder mit mindestens einem minderjährigen Kind in Bedarfsgemeinschaft leben oder die mindestens ein minderjähriges Kind haben, ein Betrag von 1 500 Euro.
die ab 01.01.2011 auf die noch heute geltende Fassung modifiziert wurde:
1. für den Teil des monatlichen Einkommens, das 100 Euro übersteigt und nicht mehr als 1 000 Euro beträgt, auf 20 Prozent und
2. für den Teil des monatlichen Einkommens, das 1 000 Euro übersteigt und nicht mehr als 1 200 Euro beträgt, auf 10 Prozent.
Anstelle des Betrages von 1 200 Euro tritt für erwerbsfähige Leistungsberechtigte, die entweder mit mindestens einem minderjährigen Kind in Bedarfsgemeinschaft leben oder die mindestens ein minderjähriges Kind haben, ein Betrag von 1 500 Euro.
Ziel war es allerdings zu keinem Zeitpunkt, dass ALG II Empfänger mehr vom Einkommen behalten konnten, sondern das Gegenteil.
Viele erwerbstätige ALG II Empfänger befinden sich in prekären Teilzeit-Beschäftigungsverhältnissen, deren Entlohnung im Bereich bis max. 800€ bis 1000€ angesiedelt ist. Dieser Bereich war mit der ursprüglichen Regelung von 2005 deutlich besser gestellt.
Lt. Bundesrat soll das Ziel nun darin bestehen, dass erwerbsfähige Leistungsbeziehende ihr Beschäftigungsverhältnis ausweiten und so den SGB II-Leistungsbezug verlassen.
Das Ganze ist simple Mathematik:
Je höher der Freibetrag, umso größer muss eine Ausweitung des Beschäftigungsverhältnisses und die damit erzielte Lohnerhöhung ausfallen, um den SGB II-Leistungsbezug zu verlassen.
Je geringer der Freibetrag ausfällt, umso schneller führt auch eine nur kleine Lohnerhöhung dazu, dass der SGB II-Leistungsbezug verlassen wird.
Das vom Bundesrat genannte Ziel, den SGB II-Leistungsbezug zu verlassen, kann man also nicht erreichen, indem die Freibeträge erhöht werden, sondern nur, indem die Freibeträge anders gestaffelt und insgesamt abgesenkt werden.
Die Aussage des Bundesrates, Leistungsbezieher müssten einen finanziellen Mehrwert darin erkennen, das Beschäftigungsverhältnis auszuweiten, um den SGB II-Leistungsbezug zu verlassen, bedeutet in der Praxis nichts anders als die - tatsächlich wertlose - Erkenntnis:
"Mit nur wenigen Euro mehr Lohn wird mir nichts mehr vom JC abgezogen, da ich dann vom JC weg bin."
Tatsächlich wertlos deshalb, weil es dabei tatsächlich keinen finanziellen Mehrwert gibt, dieser existiert nur in der falschen Vorstellung der Betroffenen.
Es geht dem Bundesrat also nicht darum, einen finanziellen Mehrwert zu schaffen, sondern darum, das Betroffene den Eindruck erhalten, es wäre einer vorhanden.