Ja und das kann ich eben nicht verstehen.
Da gibt es auch nichts zu verstehen, das Gericht befindet sich nunmal im Irrtum, denn sowohl die Gesetzgebung als auch die höchstrichterliche Rechtsprechung stehen im Widerspruch zu den Ausführungen des Gerichtes. Würde es das Verfahren auf dieser Basis fortführen, würde mit an Sicherheit grenzender Warscheinlichkeit die nächste Instanz (LSG) das Urteil aufheben.
Wenn du willst, kannst du das beim SG ja schonmal anklingen lassen.
Absender
Gericht
AZ ...
Stellungnahme zum Schreiben vom ...
Werter Vorsitzender,
die Erforderlichkeit einer Zäsur, d.h. der Herbeiführung eines abgeschlossenen Anspruchszeitraumes, erschließt sich mir rechtlich nicht.
Es geht hierbei ja um einen abgelehnten Leistungsantrag. Mit meiner Klage begehre ich die Verurteilung des Antragsgegners zur Zahlung der abgelehnten Leistung. Für eine Leistungsklage ist es rechtlich unerheblich, ob der Zeitraum, für den die Leistung begehrt wird, bereits abgelaufen ist, oder noch besteht. Eine dahingehende Einschränkung findet sich in der Rechtsliteratur nicht.
Das Gericht wird also - ausgehend vom Zeitpunkt meiner Antragstellung auf ALG II bis mindestens zum Tag der Urteilsverkündung - zu prüfen haben, ob, ab wann und wie lange die Voraussetzungen zur Gewährung der Leistung vorlagen, und gegebenenfalls darüber hinaus noch weiter vorliegen werden. Das Gericht ist dabei auch nicht an die 6monatsfrist nach § 41 SGB II gebunden.
Die Erforderlichkeit einer erneuten Antragstellung in der Gewissheit, dass auch dieser (aus den gleichen Gründen wie der erste) abgelehnt wird, ist somit zu verneinen.
In der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BSG in B 14 AS 6/08 R) ist hinreichend geklärt, dass § 9 Abs. 5 SGB II eben keinen Vermutungstatbestand beim bloßen Zusammenleben mit erwachsenen Verwandten/Verschwägerten manifestiert (anders in § 39 S. 1 SGB XII).
Lt. Begründung des Gesetzentwurfs des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 05.09.2003 (BT-Dr. 15/1516, S. 53) besteht im SGB II erst dann eine Haushaltsgemeinschaft nach § 9 Abs. 5 SGB II, wenn Verwandte oder Verschwägerte mit dem im selben Haushalt lebenden Hilfebedürftigen tatsächlich gemeinsam "aus einem Topf" wirtschaften.
Das gemeinsame Wirtschaften muss der Leistungsträger über § 20 SGB X beweisen. Dabei trifft jedoch weder den Antragsteller noch die mit ihm zusammenlebenden erwachsenen Verwandten/Verschwägerten eine Auskunfts- oder Mitwirkungspflicht (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgericht vom 02.09.2004, Az. 1 BvR 1962/04 zur Auskunftspflicht von Mitbewohnern), denn dies würde im Ergebnis auch zu einer unzulässigen Beweislastumkehr zu Lasten des Antragstellers führen.
Auch begründet § 60 SGB II keine Zulässigkeit einer Datenerhebung bei Mitbewohnern, denn dort wird vorausgesetzt, dass entweder eine Leistung tatsächlich erbracht wird (Abs. 1), oder eine Rechtspflicht zur Leistungserbringung besteht (Abs. 2). Beides ist bei Mitbewohnern, auch wenn diese mit dem über 25jährigen Antragsteller verwandt oder verschwägert sind, zu verneinen.
Wenn, wie hier, der Leistungsträger keine Beweise für das Vorliegen einer Wirtschaftsgemeinschaft hat, kann er weder vom Antragsteller noch dessen Mitbewohnern fordern, eine solche zu widerlegen. Dies würde die vom Gesetzgeber in § 9 Abs. 5 SGB II vorgenommene Regelung ad absurdum führen, da der Leistungsträger mit dieser Forderung das Bestehen einer Wirtschaftsgemeinschaft unterstellen würde, ohne die lt. Gesetz dafür erforderlichen Beweise zu haben.
§ 9 Abs. 5 SGB II ist eben nunmal kein Vermutungstatbestand.
Mangels Beweisen für das Vorliegen einer Wirtschaftsgemeinschaft und in Ermangelung von rechtlichen Voraussetzungen für eine Mitwirkungspflicht meiner Person oder meiner Mitbewohner bei der Beschaffung derartiger Beweise ist meiner Klage vollumfänglich stattzugeben.
MfG
...