BSG: Bei endgültiger Festsetzung der Leistungen kein Durchschnittseinkommen

Begonnen von oldhoefi, 16. April 2017, 15:41:20

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oldhoefi

Kein Durchschnittseinkommen bei der endgültigen Festsetzung der Leistungen

Das BSG hat entschieden, dass die Festsetzung eines Durchschnittseinkommens nur bei vorläufigen Regelungen zulässig ist.

Wird später abschließend entschieden, ist dies nicht mehr anzuwenden, hier ist das Monatsprinzip (also Geldanrechnung in dem Monat, in dem es fließt) anzuwenden. Ferner stellt das BSG fest, dass dies auch für die Neuregelungen durch das Rechtsvereinfachungsgesetz (§ 41a Abs. 4 SGB II) anzuwenden ist.

Das Urteil dürfte zehntausende von behördlichen Entscheidungen rechtswidrig machen und einen Korrekturanspruch im Rahmen eines Überprüfungsantrages auslösen.

Bundessozialgericht vom 30.03.2017 – AZ: B 14 AS 18/16 R   (Volltext liegt noch nicht vor)

BSG-Terminbericht vom 30.03.2017 (Ziffer 1) --> http://tinyurl.com/mboapor

(Zitat und Quelle: Harald Thomé - Newsletter vom 15.04.2017)

Gast42553


ZitatFerner stellt das BSG fest, dass dies auch für die Neuregelungen durch das Rechtsvereinfachungsgesetz (§ 41a Abs. 4 SGB II) anzuwenden ist.

Das steht nicht so da. Das BSG sagt nur, dass der 41a nicht zurück wirkt auf Zeiten vor seiner Einführung.

Für Zeiträume, die vor dem 1.8.16 endeten, ist kein Durchschnittseinkommen zu bilden. Danach schon. Deshalb verweist das BSG ja auf § 80, wo geregelt ist, wie mit alten Bewilligungsabschnitten, die noch vorläufig sind, zu verfahren ist. Es sagt, dass die Neuregelung des 41a keine "Rückwirkung " hat, der 41a folglich erst für Bewilligungsabschnitte, die nach dem 1.8.16 end(et)en, gilt.

Gast42826

Alles schön und gut. Bei mir kommen dann aber Fragezeichen zur monatsgenauen Berechnung auf.

In Monaten ohne Einkommen, aber mit Ausgaben z. B. wie im Anhang.
Bei monatsgenauer Berechnung besteht ohne EK voller Anspruch. Aber die Ausgaben in diesem Monat fallen dann eigentlich auch unter den Tisch.

Scheint mir wenig praktikabel, oder in einigen Fällen eher negativ? Auch wenn - wie im Fallbeispiel im Anhang - so hohe Ausgaben eher selten sein dürften. Das ist auch ein spezieller komplizierter Fall, aber mit Echtdaten.

Und in Monaten wo der Anspruch total entfällt, wären die vorl. Bescheide eigentlich aufzuheben, neu zu berechnen, endgültig festzusetzen und ab dem Folgemonat dann ein neuer vorl. Bescheid zu erlassen. Wenn nach 2 Monaten wieder so viel EK erzielt wird, dass kein Anspruch mehr besteht, dann das selbe Spiel nochmal?

Was ein Bürokratiemonster und sehr unwirtschaftlich. Aber ok, es mag Fälle geben wo sich das lohnt. Der Aufwand scheint aber enorm.

Habe ich einen Denkfehler?



Ich habe die Datei auch mal als Excel-Datei drangehängt, da nicht jeder 'ods' öffnen kann. LG Elsi

[gelöscht durch Administrator wegen Erreichen der Speicherfrist]

Gast30174

Und wie wird es dann gerechnet, wenn z.B.:

betriebliche Ausgaben im Mai - 40 Euro (bestimmt für auszuführende Aufträge im Juni); Einnahmen im Mai - Null
betriebliche Ausgaben im Juni - Null; Einnahmen im Juni 200 Euro

Dann dürfen die 40 Euro, die im Mai ausgegeben werden, damit im Juni die 200 Euro Einkünfte erzielt werden können, nicht von diesen 200 Euro als betriebliche Ausgaben abgezogen werden, weil nicht im selben Monat ausgegeben?

D.h. im Mai voller ALG-Satz (weil keine Einnahmen), und im Juni Berücksichtigung der 200 Euro (aber ohne Abzug der zwecks Erzielung dieser Einnahmen im Vormonat aufgewendeten 40 Euro)?

Gast42826

So sehe ich das. Es gilt ja das strikte Zuflussprinzip. Wenn deine Re erst viel später bezahlt wird, fällt die, wenn man Pech hat in den Folgemonat, die Ausgaben dafür aber in den Vormonat.

Na da kommt Freude auf. Ich helfe 3 Leuten bei der EKS und checke die Bescheide. Wenn ich da jetzt alles nochmal nachrechnen soll, dann den Ärger mit den Widersprüchen und bestimmt auch Klagen, da das JC jede BSG Rechtsprechung ignoriert ... :scratch:

Orakel

Lesen --> verstehen --> nachdenken --> dann schreiben

"Als Rechtsgrundlage für eine Berechnung nach Durchschnittseinkommen kann entgegen der Rechtsauffassung des LSG nicht auf § 2 Abs 3 Satz 1 Alg II‑V in der damaligen Fassung abgestellt werden, denn die Vorschrift regelt nur die vorläufige Entscheidung. Durchgreifende Gründe sie erweiternd auch auf die abschließende Entscheidung anzuwenden, liegen nicht vor. § 2 Abs 3 Satz 1 Alg II‑V aF gilt nach seinem Wortlaut ("zu erwarten") nur für zukünftige Zeiten, und der Verordnungsgeber hätte eine andere Regelung leicht treffen können, zumal er für eine bestimmte Variante der abschließenden Entscheidung eine Regelung in § 2 Abs 3 Satz 3 Alg II‑V aF getroffen hat."

Für die Berechnung des Einkommens aus selbständiger Tätigkeit gilt nach wie vor § 3 ALG-II-VO. Daran ändert auch § 41a SGB II nichts! Für Selbständige ändert sich nichts!

Gast42826

Ist aber nicht so einfach den Texten des Newsletters zu entnehmen.
Lediglich im Terminsbericht wird von der Alg-II V gesprochen. Der Hinweis auf 41a ist aber allgemein gehalten.

Der 41a und auch der alte 328 unterscheiden nicht nach Selbständigen und abhängig Beschäftigten.

Durchaus möglich, dass du hier richtig liegst. Wäre zumindest für Selbstständige plausibel.
Aber du vergleichst/begründest ja auch den "Emmely" Fall als außerordentlichen Kündigungsgrund bei einer einmalig fehlender AU.
Daher warte ich mal ab, bis das Urteil veröffentlicht ist, oder Thomé da noch was dazu schreibt.

oldhoefi

Zitat von: Gast42826 am 16. April 2017, 19:29:46Daher warte ich mal ab, bis das Urteil veröffentlicht ist, oder Thomé da noch was dazu schreibt.
Wäre durchaus sinnvoll, da dies die Rubrik ,,Gesetze-Verordnungen-Weisungen-Urteile" ist.

Zum Erörtern von persönlichen (Verständnis-) Problemen steht der Fragen- und Antwortenbereich zur Verfügung.

oldhoefi

Zu Durchschnittseinkommen bei abschließender Festsetzung

Korrektur   [Anm: zum Newsletter vom 15.04.2017 laut Eingangsbeitrag]

Ich hatte geschrieben, "Ferner stellt das BSG fest, dass dies auch für die Neuregelungen durch das Rechtsvereinfachungsgesetz (§ 41a Abs. 4 SGB II) anzuwenden ist."

Diese Aussage stimmt nicht, denn "Aus dem zwischenzeitlich durch das 9. SGB II ÄndG eingeführten § 41a SGB II mit seinem Abs. 4 über ein Durchschnittseinkommen bei der abschließenden Entscheidung folgt nichts anderes, weil der Vorschrift insofern keine Rückwirkung beigemessen wird (vgl. § 80 SGB II)."

Ergebnis:
Ab 01.08.2016 kann ein Durchschnittseinkommen gebildet werden (wenn der Berechtigte nichts anderes beantragt), nur vor dem 01.08.2016 nicht.

(Zitat und Quelle: Harald Thomé - Newsletter vom 24.04.2017)