Jobcenter dürfen Fax-Erhalt nicht pauschal bestreiten

Begonnen von selbiger, 12. Juli 2020, 11:23:12

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selbiger

Das kennen fast alle Menschen, die mit dem Jobcenter zutun haben. Unterlagen verschwinden und die Behörde macht den Hartz IV Leistungsbezieher dafür verantwortlich. Das Landessozialgericht entschied nun, dass ein Jobcenter nicht pauschal behaupten darf, ein Fax nicht erhalten zu haben.

https://www.gegen-hartz.de/news/hartz-iv-urteil-jobcenter-duerfen-fax-erhalt-nicht-a-bestreiten
Sich zu Tode arbeiten,ist die einzige gesellschaftliche anerkannte Form des Selbstmordes.

Die Menschen glauben viel leichter eine Lüge,die sie schon hundertmal gehört haben,als eine Wahrheit,die ihnen völlig neu ist.

oldhoefi

Landessozialgericht Hamburg, Urteil vom 27.02.2020 - L 4 AS 72/18

Volltext --> https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=211887

Daraus möchte ich nachfolgendes Teil-Zitat hervorheben.

ZitatNach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt es für den Zugang eines per Fax übersandten Schriftsatzes nicht auf den Ausdruck durch das Empfangsgerät an, vielmehr ist entscheidend, ob bzw. wann die gesendeten Signale vom Empfangsgerät vollständig empfangen worden sind (vgl. BGH, Beschluss vom 24.5.2013 – III ZR 289/12). Der OK-Vermerk auf dem Faxprotokoll des Versenders begründet nach dieser Rechtsprechung zwar keinen Anscheinsbeweis, aber doch ein Indiz für den tatsächlichen Zugang beim Empfänger. Der OK-Vermerk belegt das Zustandekommen einer Verbindung mit der im Sendebericht genannten Nummer. In Anbetracht dessen kann sich der Empfänger nicht auf ein bloßes Bestreiten des Zugangs beschränken, sondern hat sich näher dazu zu äußern, welches Empfangsgerät er betreibt, ob die Verbindung im Speicher enthalten sei und in welcher Weise er ein Empfangsjournal führt (vgl. BGH, Urteil vom 19.2.2014 – IV ZR 163/13). Unter Berücksichtigung dieses Vorbringens ist dann die Beweiskraft des im OK-Vermerk liegenden Indizes zu würdigen. Ferner ist zu beachten, dass der Beklagte selbst die Übersendung von Faxen als Übermittlungsweg eröffnet hat. Dann dürfen die aus den technischen Gegebenheiten dieses Kommunikationsmittels herrührenden besonderen Risiken nicht auf den Nutzer dieses Mediums abgewälzt werden (so BSG, Beschluss vom 7.8.2018 – B 1 KR 15/18 B für die Eröffnung des Faxzugangs durch ein Gericht). Das gilt insbesondere für Störungen im Bereich des Empfangsgeräts des Beklagten. Zudem hat das OLG Karlsruhe (Urteil vom 30.9.2018 – 12 U 65/08; hierauf nimmt das BSG in seinem Beschluss vom 20.10.2009 – B 5 R 84/09 B – Bezug) in einem Fall mit Hilfe eines Sachverständigengutachtens überprüft, ob es wahrscheinlich ist, dass die Übermittlung der Telefaxnachricht trotz Vorliegen eines Sendeberichts mit OK-Vermerk an Leitungsstörungen, die zum Verbindungsabbruch geführt haben könnten, gescheitert sein könnte. Die Wahrscheinlichkeit eines solchen Geschehens hat der Sachverständige mit 0 % bewertet.