Kann man als Schwerbehinderter Bewerbungen bei der Zeitarbeit verweigern?

Begonnen von Gast32644, 04. September 2021, 20:48:42

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Gast32644

Nabend,

noch bin ich 2 Monate ALG I, aber da sich nicht wirklich was auf dem Arbeitsmarkt für mich tut, werde ich wohl in Hartz4 gehen müssen.

Ich war ja schon mehrmals in Hartz4, aber weil das immer so als Überbrückung zwischen Maßnahmen der DRV o. ä. war, hatte ich noch nie Pflichtbewerbungen machen müssen und dazu hätte ich jetzt vorab eine Frage:

Mit der Reha Abteilung der AfA habe ich mich von Anfang an darauf geeinigt, dass ich mich nicht bei der Zeitarbeit bewerben muss. Der Hintergrund dazu ist eigentlich ganz einfach:

Ich habe eine Gehbehinderung und muss bereits vor der Bewerbung wissen, wo sich das Unternehmen und im besten Fall der Arbeitsplatz befindet, um herausfinden zu können, ob der Arbeitsplatz für mich überhaupt erreichbar ist. Beispiel wäre jetzt ein Bürojob im 4. Stock ohne Aufzug. Kann ich vergessen, ist nicht erreichbar.

Diese Informationen rücken Zeitarbeitsfirmen aber vorab nicht heraus, weil sie immer Angst haben, man könnte sich ja direkt bei dem Unternehmen bewerben.

Wie ist das beim Jobcenter, kann ich auf Grund von diesem Argument die Zeitarbeit bei meinen Bewerbungen ausklammern, so wie jetzt auch?

Gruß

blaumeise

Da gelten die Zumutbarkeitskriterien, guck hier: Zumutbarkeitskriterien nach § 10 SGB II bei Jobs und Maßnahmen zur Eingliederung  ==>  https://hartz.info/index.php?topic=4593.0

Daraus:
ZitatUnzumutbarkeit aus körperlichen, geistigen und seelischen Gründen:
Arbeiten welche Tätigkeiten beinhalten, die aufgrund festgestellter oder akkut vorliegender körperlicher oder geistiger Einschränkungen nicht ausgeübt werden können, sind unzumutbar.
Die Erwerbsfähigkeit, also die körperliche und seelische Eignung, der Hilfebedürftigen muss immer durch den Amtsarzt, medizinischen Dienst der Krankenkassen oder psychologischen Dienst beurteilt und abschließend festgestellt werden.

Zitat von: Gast32644 am 04. September 2021, 20:48:42Wie ist das beim Jobcenter, kann ich auf Grund von diesem Argument die Zeitarbeit bei meinen Bewerbungen ausklammern, so wie jetzt auch?
Du solltest darauf drängen, dass das so in deiner EinV festgehalten wird. Ev. besteht dein*e Arbeitsvermittler*in erst auf einer ärztlichen Untersuchung.

Fettnäpfchen

Zitat von: blaumeise am 05. September 2021, 11:36:47Ev. besteht dein*e Arbeitsvermittler*in erst auf einer ärztlichen Untersuchung.
und wenn schjon vom RV ein Attest besteht hat das Vorrang und eine erneute Untersuchung braucht es nicht. Das Attest sollte eigtl. nicht älter als drei Jahre sein, außer es steht darin dass es auf Dauer ist, also keine zeitliche Begrenzung hat.

MfG FN
Meine Beiträge beinhalten oder ersetzen keine anwaltliche Beratung oder Tätigkeit.
Für eine verbindliche Rechtsberatung und -vertretung suchen Sie bitte einen Anwalt auf.
Wer das Ziel kennt, kann entscheiden. Wer entscheidet, findet Ruhe. Wer Ruhe findet, ist sicher. Wer sicher ist, kann überlegen. Wer überlegt, kann verbessern. (Konfuzius)
Mach es: Sei stärker als deine stärkste Ausrede.

Kaputt

Das JC muss deine Behinderung sogar zwingend beachten und darf keine Angebote machen die du wegen deiner Behinderung gar nicht ausführen kannst.
Auch dann nicht wenn dadurch bloß Verschlechterung droht

Kopfbahnhof

In der Regel fällt man bei den Leihbuden so eh schon durch.
Die wollen nur Personal was voll Einsatzfähig ist.

Auf Gesundheitsprobleme nehmen die meisten, absolut keine Rücksicht.
Auch weil die Einsatzstellen schnell und manchmal oft, wechseln können.

Gast32644

@blaumeise

Bei dem Zumutbarkeitsgesetz geht es um den eigentlichen Arbeitsplatz, bei meiner Frage steht aber der Arbeitsweg im Vordergrund, welcher in diesem Gesetz gar nicht erwähnt wird.

@Fettnäpfchen

Es liegt ein Sozialmedizinisches Gutachten vor, welches erst 5 Monate alt ist. Da steht u.a. drin "Gehen und stehen maximal 1 Stunde täglich". Da steht aber nicht, ob es sich bei dem Zeitrahmen nur um den Arbeitsplatz handelt oder ob der Weg zum Arbeitsplatz ebenfalls in dieser Stunde enthalten ist.

Fettnäpfchen

Zitat von: Gast32644 am 06. September 2021, 16:00:33Es liegt ein Sozialmedizinisches Gutachten vor, welches erst 5 Monate alt ist. Da steht u.a. drin "Gehen und stehen maximal 1 Stunde täglich". Da steht aber nicht, ob es sich bei dem Zeitrahmen nur um den Arbeitsplatz handelt oder ob der Weg zum Arbeitsplatz ebenfalls in dieser Stunde enthalten ist.
Von welchem Verein?
und am besten Tippst du mal den ganzen Text des Attestes ein oder stellst es anonymisiert ein dann kann man vllt. raus lesen was genau gemeint ist.
In der Regel nehmen diese Atteste Bezug auf die Erwerbsfähigkeit und die Einschränkungen für das Berufsleben.

Zitat von: Gast32644 am 06. September 2021, 16:00:33bei meiner Frage steht aber der Arbeitsweg im Vordergrund, welcher in diesem Gesetz gar nicht erwähnt wird.
aus dem Link:
Zitat- Pendelzeiten (FH zu § 10 SGB II, analog zu § 140 Abs. 4 SGB III):
Bei einer täglichen Arbeitszeit von 6 Stunden oder weniger sind 2 Stunden Pendelzeit zumutbar, bei einer tägliche Arbeitszeit von mehr als 6 Stunden sind 2,5 Stunden Pendelzeit zumutbar. Hierbei handelt es sich um Richtwerte.
Im Einzelfall können auch diese, oder kürzere, unzumutbar sein, etwa weil sie im Vergleich der Arbeitszeit zur zurückzulegenden Wegstrecke, oder aufgrund der mit dem Pendeln verbundenen Bedingungen unverhältnismäßig erscheinen. Ebenso kommen gesundheitliche oder wirtschaftliche Gründe in Betracht.
Sind regional längere Pendelzeiten als die o.g. Richtwerte üblich (> 50% der Erwerbstätigen), können diese zumutbar sein.
Die tägliche Pendelzeit ist die Gesamtwegezeit (hin und zurück) zwischen Wohnung und Arbeitsstätte inkl. Wartezeiten auf öffentliche Verkehrsmittel, sowie Zu- und Abgänge (Sauer, SGB III; vgl. BSG in 7 RAr 68/96).
Ist tägliches Pendeln aus wirtschaftlichen Gründen gegenüber einer doppelten Haushaltsführung bzw. eines Umzuges unzumutbar, ist zu prüfen, ob dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen eine doppelte Haushaltsführung/Umzug zuzumuten ist.

MfG FN
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Gast32644

@Fettnäpfchen

Du hast mich falsch verstanden:

Wenn mir der Arbeitsweg unbekannt ist, kann ich auch die persönliche Zumutbarkeit nicht beurteilen, also bringt mir dieses Gesetz überhaupt nichts. Ein Gesunder kann ins Blaue hinein eine Bewerbung auf ein Stellenangebot schreiben, wenn er nicht genau weis, wo der Arbeitsplatz ist. Bei einem Menschen mit Gehbehinderung ist das sinnlos und ich möchte mir einfach sinnlose Bewerbungen sparen können. Darum geht's.

Es gibt immer mehr Zeitarbeitsfirmen, die auch Schwerbehinderte einstellen, aber immer noch nur ausnahmsweise. Blöderweise laden die aber immer jeden ein, sobald die geforderten Kenntnisse und bessere vorhanden sind, um ihren Bewerberpool zu füllen. Aber wegen meiner Gehbehinderung habe ich null Bock darauf, kreuz und quer in der Gegend rumzufahren, für nix und wieder nix.

Das sozialmedizinische Gutachten ist von der Agentur für Arbeit und den Rest abtippen oder einstellen nutzt dir nichts. Der von mir zitierte Satz steht bei "Auszuschließen sind: ..."

Delfinanne

Die meisten ZAFs werden dich eh ablehnen, wenn du gesundheitliche Einschränkungen hast oder eine Schwerbehinderung. Die wollen nur Leute, die funktionieren und arbeiten. Mein Mann ist nach einem Schlaganfall für arbeitsfähig erkärt worden und keine ZAF hat ihn mehr genommen. Sehr zum Leidwesen des Jobcenters
Carpe diem! ich lebe jetzt, ich lebe heute und ich geniesse in vollen Zügen