Ärztliches Gutachten - Rechte - Krankheit und Psyche

Begonnen von Gast51001, 10. Oktober 2021, 16:05:19

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Gast51001

Hallo alle zusammen,

Ich bin neu hier und habe mal ein paar Fragen an euch. Ich habe gestern vom Jobcenter Hamburg, mein ärztliches Gutachten per Post erhalten. Dieses Gutachten wurde vor ein paar Wochen erstellt, aufgrund meiner chronischen Krankheit und meiner Psyche. Kurz zu meiner Geschichte :

Ich bin 30 Jahre alt und beziehe jetzt seit mehreren Jahren ALG II vom Jobcenter. Da ich aufgrund von vielen Umständen eine heftige Zeit hinter mir habe, war es mir bis jetzt nicht richtig möglich im Arbeitsleben Fuß zu fassen. Vor Jahren hatte ich ein starkes Alkohol Problem, bin aber trocken seit einigen Jahren und rühre keinen Tropfen mehr an. Alkohol Therapie bestanden! Trotzdem merke ich noch täglich, was ich mir durch den jahrelangen Konsum angetan habe (Psychisch und Körperlich). Ich habe über 10 Jahre fast täglich Alkohol konsumiert. Meine Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau habe ich vor Jahren abgebrochen. Ich habe es einfach nicht geschafft, der Druck und die Leistung waren zu viel für mich. Deshalb habe ich keine abgeschlossene Ausbildung. Ich stehe also mit praktisch nichts da. Anfang des Jahres wurde dann bei mir eine chronische Hautkrankheit diagnostiziert, welche nicht heilbar ist. Für mich war die Diagnose ein großer Schock! Diese Hautkrankheit schränkt mich massiv in meinem Alltag ein und macht mich dazu auch noch psychisch fertig. Bevor das Gutachten vom Jobcenter erstellt wurde, musste ich eine neue Eingliederungsvereinbarung unterschrieben, in der steht, dass ich jede Zumutbare Arbeit annehmen soll. Als ich die Sachbearbeiterin aber auf meine Probleme und meine Krankheit aufmerksam gemacht habe, ignorierte sie das völlig und ich sollte die Eingliederungsvereinbarung unterschrieben. Darauf habe ich dann schließlich einige Unterlagen meiner Ärzte bei der Sachbearbeiterin eingereicht (Diagnosen etc) und danach wurde das Gutachten im Auftrag der Sachbearbeiterin erstellt.

Das Gutachten hat folgendes ergeben:

- Keine Aussetzung von Stress
- Psychische Minderbelasbarkeit
- Minderbelastung der Haut

- Täglich 6 Stunden Leistungsfähig oder mehr
- Mittelschwere Arbeit
- Dauer der Leistungseinschränkung (wurde nicht angekreuzt)

- Keine Belastung durch Stress, Zeitdruck, Nässe, Kälte, Hitze, Temperatureschwankungen, kein Kontakt mit Dämpfen oder Gasen, keine Kontakt mit Schmutz, keine Nachtschicht und viele weitere Einschränkungen.

- Eine nicht nur vorübergehende Einschränkung der Leistungsfähigkeit wurde außerdem festgestellt. Habe mich schon darüber informiert, was das zu bedeuten hat. Es bedeutet, dass man über 6 Monate eingeschränkt sein wird, schließlich handelt es sich um eine chronische Krankheit, die nicht heilbar ist!

Nachdem dieses Gutachten erstellt wurde, hatte ich ein Gespräch mit der Sachbearbeiterin. Sie hat mir das Gutachten vorgelesen, allerdings hat sie viele wichtige Punkte ausgelassen, als sie mir das Gutachten vorgelesen hat. Sie sagte einfach nur : "Sie sind vollschichtig Leistungsfähig! Sie können bei der Zeitarbeit arbeiten!". Als ich dann aber um eine Kopie des Gutachtens gebeten und es selbst gelesen habe, war ich erstmal schockiert, weil sie mir von den ganzen Einschränkung nichts erzählt hatte. Meine Sachbearbeiterin möchte mich schnellstmöglich in die Zeitarbeit vermitteln, da ich keine Ausbildung habe und es in meinem Alter schwierig mit einer Ausbildung werden wird. Mein Lebenslauf ist praktisch leer. Wie soll ich aber den Job bei der Zeitarbeit meistern, mit all den Einschränkungen, mit meiner Krankheit und der Psychischen Minderbelasbarkeit? Es kommt mir so vor, als ob die Sachbearbeiterin gar nicht wüsste, was eine psychische Minderbelasbarkeit ist, bzw scheint sie alle Einschränkungen, die im Gutachten stehen, zu ignorieren. Sie will mich einfach schnell vermitteln.

Wenn man sich aber mal mit meiner Krankheit auseinander setzt, dann erfährt man schnell, dass sogar eine Anerkennung als Behinderung möglich ist. Außerdem wird es viele Fehlzeiten am Arbeitsplatz geben, denn eigentlich ist man durch die Krankheit fast jede zweite Woche nicht in der Lage zur Arbeit zu gehen. Auch die Psychische Minderbelasbarkeit kann als eine Behinderung anerkannt werden. Psychische Minderbelasbarkeit bedeutet : Es gibt Psychische Probleme, die das Arbeitsleben einschränken. Stress kann die Krankheit sogar verschlimmern. Mein Arzt hat sich über das Gutachten köstlich amüsiert, denn für ihn ist das alles Schikane! Er sagte, einen Job mit so vielen Einschränkungen gibt es überhaupt nicht. Und schon gar nicht bei der Zeitarbeit. Mein Arzt sagte, es kommt ihm so vor, als ob man mich einfach nur aus der Arbeitslosenstatistik raus haben möchte. Meine Frage an euch :

Wie soll ich mich jetzt verhalten? Das Jobcenter möchte mir Jobs aufdrängen, die aufgrund meiner Krankheit und meiner Psyche nicht zu schaffen sind. Habe ich irgendwelche Rechte durch das Gutachten? Denn es gibt ja etliche Einschränkungen, die im Gutachten notiert sind und die ich auch nachweisen kann. Müsste die Eingliederungsvereinbarung nicht an das Gutachten angepasst werden? Seitdem hat sich ja schließlich einiges ergeben und die Eingliederungsvereinbarung wurde vor dem Gutachten erstellt und ist meiner Meinung nach dadurch nicht mehr aktuell. Außerdem ist Zeitarbeit oft mit Stress und Zeitdruck verbunden, das würde aber gegen das Gutachten sprechen. Ich würde mich sehr über eine Antwort von euch freuen.

Nadine

Gast51001

PS.

Die Sachbearbeiterin sagte mir übrigens auch, dass ich mich auch gerne igendwo bewerben könne. Sie sagte aber, dass ich mir keine Hoffnung bei meinem Lebenslauf machen und mich lieber auf die Zeitarbeit konzentrieren soll. Als ich sie dann gefragt habe, ob ich denn bei einer Bewerbung meine psychischen Probleme und meine Krankheit angeben sollte, meinte sie nur, ich muss das alles verschweigen, weil mich sonst niemand einstellen wird! Das macht doch alles absolut keinen Sinn! Was bringt es denn, wenn ich mich irgendwo bewerbe, den Job aber durch meine Krankheit nicht bewerkstelligen kann? Und selbst wenn mich jemand einstellen würde, wäre ich mehrmals im Monat krank und könnte nicht zur Arbeit erscheinen. Nach Ansicht der Sachbearbeiterin soll ich meine Krankheit etc verschweigen, nur damit ich einen Job bekomme. Das macht natürlich einen guten Eindruck beim Arbeitgeber. Das gleiche gilt aber auch für die Zeitarbeit. Ich glaube kein Chef bei der Zeitarbeit macht das auf Dauer mit, wenn ich ständig krank bin, was letztendlich wieder dazu führen würde, dass ich wieder beim Jobcenter lande. Das wäre ein ewiger Kreislauf :(

crazy

- Täglich 6 Stunden Leistungsfähig oder mehr
- Mittelschwere Arbeit


Das ist das Entscheidende!
Auch mit einer Behinderung kann man 8 Stunden arbeiten gehen!

Wenn Du Einschränkungen in der Leistungsfähigkeit hast kann das Vieles bedeuten
Von Du brauchst etwas mehr Pausen zu Du kannst nur einfache Tätigkeiten ausführen und keine komplexen mehrschrittigen z.B.

Ja, das ist dann z.B. Helfer im Lager oder iwo Regale einräumen aber eben keine Bestellungen selbständig ausführen, keine Personalführung....

Das Du nach Jahren ohne Arbeitswelt Angst hast ist verständlich. Eigentlich nicht anders als der Azubi an seinen ersten Tagen nach Jahren nur Schule. Es ist alles neu mit vielen Unbekannten.



Gast51001

Zitat von: crazy am 10. Oktober 2021, 19:38:07
- Täglich 6 Stunden Leistungsfähig oder mehr
- Mittelschwere Arbeit


Das ist das Entscheidende!
Auch mit einer Behinderung kann man 8 Stunden arbeiten gehen!

Wenn Du Einschränkungen in der Leistungsfähigkeit hast kann das Vieles bedeuten
Von Du brauchst etwas mehr Pausen zu Du kannst nur einfache Tätigkeiten ausführen und keine komplexen mehrschrittigen z.B.

Ja, das ist dann z.B. Helfer im Lager oder iwo Regale einräumen aber eben keine Bestellungen selbständig ausführen, keine Personalführung....

Das Du nach Jahren ohne Arbeitswelt Angst hast ist verständlich. Eigentlich nicht anders als der Azubi an seinen ersten Tagen nach Jahren nur Schule. Es ist alles neu mit vielen Unbekannten.

Ehm, ich kann mich durch meine Krankheit kaum bewegen. Außerdem leide ich an Depressionen. Jeder Gang zum Einkaufen ist für mich schon eine Qual. Wie soll ich das alles umsetzen? Außerdem sagte mir mein Arzt, dass ich mit Sicherheit nicht in der Lage bin täglich für 8 Stunden zu arbeiten, sondern nicht Leistungsfähig bin... Ich liege die meiste Zeit mit Schmerzen und Depressionen im Bett. Es geht hier nicht darum, was ich machen kann, sondern darum, dass es einfach nicht geht!

crazy

Die ärztliche Einschätzung sagt was anderes aus.
Wenn Du meinst Du bist erwerbsunfähig müsstest Du die Feststellung beantragen. Da keine Rentenansprüche gäbe es dann Grundsicherung.

Das Gutachten sagt, Du bist erwerbsfähig und über 6 Stunden arbeitsfähig. Das musst Du dann iwie vom Tisch bekommen

Beyondbeyond

Zitat von: crazy am 10. Oktober 2021, 21:34:29
Die ärztliche Einschätzung sagt was anderes aus.
Wenn Du meinst Du bist erwerbsunfähig müsstest Du die Feststellung beantragen. Da keine Rentenansprüche gäbe es dann Grundsicherung.

Das Gutachten sagt, Du bist erwerbsfähig und über 6 Stunden arbeitsfähig. Das musst Du dann iwie vom Tisch bekommen

Das ist nicht ganz korrekt. Kenne solche Fälle aus meinem Umfeld. Also erstmal wird es keinen Beruf geben den man mit diesen Einschränkungen machen kann. Es gibt keine Berufe ohne Zeitdruck oder Stress. Das Gutachten greift automatisch wenn man dich trotzdem in so einen Beruf vermitteln würde. Nach meiner Einschätzung widerspricht sich das Gutachten an etlichen Punkten. Psychische Minderbelasbarkeit, Keine Hautbelastung und über 6 Monate eingeschränkt. Dazu noch kein Zeitdruck und Stress aber 6 Stunden oder mehr leistungsfähig?  :schock: :wand: das muss mir mal jemand erklären wie man so arbeiten soll, lol. Alleine schon durch die Depressionen (ich gehe davon aus das hat es mit der psychischen Minderbelasbarkeit) aufsich) und deine Krankheit ist es quasi erfolglos dich so zu vermitteln. Vielleicht solltest du einen Antrag zur Feststellung des Behinderungsgrades stellen. Und ich würde dir raten dir was von deinem Arzt ausstellen zu lassen (dieser scheint auf deiner Seite zu sein). Aus meinem Umfeld kenne ich zwei solcher Fälle, die ähnlich wie deiner sind. 6 Stunden oder mehr leistungsfähig aber mit 100 Einschränkungen  :lol: bis heute konnte dadurch keiner meiner Bekannten vermittelt werden. Also mach dir nicht so viele Sorgen. Wenn du krank bist , dann bist du krank. Punkt. Das kann auch kein Gutachten dieser Welt ändern. In diesem Sinne, ruhig bleiben  :clever:

Gast50147

Als erstes mal dem Gutachten widersprechen und vor allem deine Bewegungseinschränkungen auf Grund deiner Krankheit deutlich hervorheben.

Beyondbeyond

Zitat von: Gast50147 am 11. Oktober 2021, 09:36:37
Als erstes mal dem Gutachten widersprechen und vor allem deine Bewegungseinschränkungen auf Grund deiner Krankheit deutlich hervorheben.

Genau. Deine Eingliederungsvereinbarung sollte auch an das Gutachten angepasst werden.
Wenn sich eine Krankheit ergibt, muss das in der Eingliederungsvereinbarung vermerkt werden. Vermittelt werden kannst du sowieso nicht, trotz der - angeblich - vollschichtigen Leistungsfähigkeit.
Du hast so viele Einschränkungen dass es eigentlich hoffnungslos ist , eine Stelle zu finden die dem gerecht wird. Sollte man dich trotzdem irgendwo hin vermitteln wollen, zum Beispiel zur Zeitarbeit (wo man ausgenutzt wird und nur der Arbeitgeber profitiert) kannst du dich auf das Gutachten berufen.
Zeitarbeit ist mit Stress und Zeitdruck verbunden, also fällt das schon mal weg.
Sollte man das trotzdem von dir verlangen dann legst du Widerspruch ein (mit guten Chancen, denn du hast einiges was du nachweisen kannst).
Wenn du Glück hast, dann ändert sich durch die neue Regierung sowieso bald einiges. Es wird in Zukunft nicht mehr so einfach sein jemanden zu sanktionieren oder zur Billigkraft-Arbeit zu zwingen.

Gast50147

Bei jeder Vermittlung muss das JC das Krankheitsbild des TE beachten.
Was dem Gutachten widerspricht darf als Arbeit nicht vermittelt werden.
Andernfalls würde es den Genesungsprozess verzögern oder den jetzigen Status gar verschlechtern.
Damit kann du immer argumentieren und den "schwarzen Peter" dem JC zuschieben