BSG - Privathaftpflicht kann KDU sein, wenn im MV vereinbart

Begonnen von Heinz-Otto, 12. Dezember 2021, 15:25:42

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Heinz-Otto

Ein für mich eher ungewöhnliches Urteil. Es wird aber auch auf die zivilrechtliche Lage eingegangen (PHV darf eigentlich nicht vom VM verlangt werden, es fehlt aber wohl eine BGH Entscheidung)

BSG, Urt. v. 30.06.2021 - B 4 AS 76/20 R
https://www.bsg.bund.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2021/2021_06_30_B_04_AS_76_20_R.html

Was mich im Urteil auch wundert. Dort wird davon ausgegangen, dass eine PHV als Einkommen abgesetzt werden kann.
Meine Erfahrung ist, dass als notwendige Versicherung immer nur die Kfz-Haftpflicht anerkannt wird, nicht aber eine PHV.
PHV wurde bei mir noch nie als notwendige Vers. anerkannt.

https://tacheles-sozialhilfe.de/startseite/tickerarchiv/d/n/2798/
Zitat1. Hartz-IV-Bezieher können sich vom Jobcenter die im Mietvertrag verlangte private Haftpflichtversicherung als Unterkunftskosten erstatten lassen.

2. Wenn es sich um für den Leistungsbezieher unabwendbare mietvertragliche Nebenkosten handelt, gehören auch die Aufwendungen einer vom Vermieter verlangten Haftpflichtversicherung des Mieters zu den nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II anzuerkennenden Bedarfen für Unterkunft und Heizung.

Hinweis: Jobcenter muss vom Vermieter verlangte private Haftpflicht bezahlen.

crazy

Ganz klar, ist festzuhalten, dass eine Pflicht zum Abschluss einer Haftpflichtversicherung bei einem Mietvertrag über Wohnraum unwirksam ist. Eine solche Klausel benachteiligt den Mieter unangemessen nach § 307 abs. 1 BGB, da er hier verpflichtet wäre, neben der Kaution eine weitere ,,Sicherheit" für Mietschäden nachzuweisen. Nach einer Entscheidung des Landegerichts Berlin ist dies eine Übersicherung, die mit der gesetzlichen Vorschrift des § 551 BGB nicht vereinbar ist, denn dort ist eine Höchstgrenze festgelegt, die durch eine solche Versicherungspflicht überschritten wird (LG Berlin, Urteil vom 16. September 1992, Az.: 26 O 179/92; Lützenkirchen in: Lützenkirchen, Mietrecht, 2. Aufl. 2015, § 535 BGB, Rn. 459). Ist mit der Pflicht zum Abschluss der Haftpflichtversicherung gleichzeitig eine Abtretung verbunden ist auch dies nach § 307 abs. 1 BGB unwirksam.
Folgende Klauseln sind daher unwirksam:

,,Der Mieter verpflichtet sich, für die Dauer der Mietzeit eine Haftpflichtversicherung abzuschließen, die Mietsachschäden beinhaltet".

,,Der Mieter führt den Nachweis über den Abschluss einer Privathaftpflicht- und Hausratversicherung. Er tritt bereits jetzt zu Gunsten des Vermieters etwaige Ansprüche gegenüber dem Versicherer bezüglich Schäden an Gebäudebestandteilen (Glas, Fenster, Türen etc.) ab." (LG Berlin, Urteil vom 16. September 1992, Az.: 26 O 179/92

Iwo gab es aber eine neuere Rechtsprechung die eine Individualklausel für wirksam erklärt hat...

Ich suche noch. Dies betrifft Fälle in denen dem.potentiellen Mieter der Abschluss des Mietvertrages ausschließlich mit PHV angeboten wird. Also schon vorab klar ist, nur mit PHV wird vermietet.

Heinz-Otto

@crazy
Das ist zwar mal ein tolles Urteil für die Elos.
Auch ich kannte nur das LG Urteilen, da mein VM nämlich auch eine PHV verlangt hat, nebst Hausratversicherung. PHV habe ich eh, aber keine Hausrat.

Wie ich schon sagte, stellen die auf das fehlende BGH Urteil ab:
Rz 21,22
ZitatHingegen obliegt es den SGB II-Leistungsträgern und im Streitfall den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit nicht, ggf umstrittene zivilrechtliche Fragen zu klären. Aus grundsicherungsrechtlicher Perspektive stets unbeachtlich sind privatrechtliche Vereinbarungen insofern nur, wenn entweder im konkreten Fall rechtskräftig ihre Unwirksamkeit festgestellt ist oder wenn die zivilrechtliche Rechtslage offensichtlich ist (vgl BSG vom 22.9.2009 - B 4 AS 8/09 R - BSGE 104, 179 = SozR 4-4200 § 22 Nr 24, RdNr 16; BSG vom 24.11.2011 - B 14 AS 15/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 53 RdNr 15; BSG vom 23.3.2021 - B 4 AS 8/21 BH - juris RdNr 3). Letzteres ist nur dann der Fall, wenn sich die Rechtsfrage unmittelbar aus dem Gesetz beantworten lässt, durch höchstrichterliche Rechtsprechung geklärt ist oder in der zivilrechtlichen Rechtsprechung der Berufungsgerichte wiederholt entschieden und dabei einheitlich beurteilt worden ist.

Nach diesen Maßstäben ist die vom LSG festgestellte mietvertragliche Verpflichtung des Klägers zum Abschluss einer Haftpflichtversicherung grundsicherungsrechtlich beachtlich. Ob ein Mieter zum Abschluss einer Haftpflichtversicherung verpflichtet werden kann, ist vom BGH bislang nicht entschieden. Auch wiederholte einschlägige landgerichtliche Rechtsprechung hierzu ist nicht ersichtlich (vgl aber LG Berlin vom 16.9.1992 - 26 O 179/92 - juris RdNr 38; ferner AG Düsseldorf vom 13.7.1990 - 43 C 6447/90 - NJW-RR 1990, 1429 zur Hausratsversicherung). In der zivilrechtlichen Literatur finden sich zwar Stimmen, die eine formularvertragliche Vereinbarung einer Versicherungspflicht für unwirksam erachten (Jendrek, NZM 2003, 697, 698; Kinne, ZMR 2000, 793, 794; Pamp in Wolf/ Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, 7. Aufl 2020, Klauseln RdNr M 49; kritisch auch Häublein in Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl 2020, § 535 RdNr 87; vgl auch Schmid, ZMR 2001, 587, 588). Eine bloße, ggf vorherrschende Literaturauffassung allein reicht aber für das Verdikt grundsicherungsrechtlicher Unbeachtlichkeit nicht aus. Will der Grundsicherungsträger gleichwohl, also obwohl schwierige Rechtsfragen zu klären sind, die Unwirksamkeit der zivilrechtlichen Verpflichtung gegenüber dem Leistungsempfänger geltend machen, muss er nach der Rechtsprechung des BSG den Hilfebedürftigen in die Lage versetzen, seine Rechte gegenüber dem Vermieter wahrzunehmen (BSG vom 24.11.2011 - B 14 AS 15/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 53 RdNr 17, 19 ff), also mit einem Informationsschreiben seinen Rechtsstandpunkt und das befürwortete Vorgehen gegenüber dem Vermieter mitteilen , ohne dass dem Leistungsträger dadurch aber eine Rechtsberatungsaufgabe für das rein privatrechtliche Mietverhältnis des Leistungsempfängers zukäme.


Hartz4Hasser

Ich bin der jenige, der dieses Urteil nach fünf Jahren Gerichtsgezerre durchgesetzt hat. Nach drei Umzügen, stand in jedem Mietvertrag immer drin, das eine PHV-Versicherung vorhanden sein muß! Das eine Jobcener zahlte diese, das andere weigerte sich. Sie haben mir zwar vor dem Sozialgericht einen Vergleich angeboten, aber was hätte dieses gebracht. Beim nächsten Umzug gleiches Theater... und andere haben gleiches Problem! Einfach mal den Hintern hoch bekommen, nicht immer nur jammern und mal etwas Durchhaltevermögen zeigen, dann klappt es schon!!! Ich bin selbst rechtlich nicht bewandert aber lesen kann ich. Nächste Klage ist schon in arbeit... :sehrgut:

Der Friese

Zitat von: Hartz4Hasser am 27. Dezember 2021, 15:52:43
Ich bin der jenige, der dieses Urteil nach fünf Jahren Gerichtsgezerre durchgesetzt hat. Nach drei Umzügen, stand in jedem Mietvertrag immer drin, das eine PHV-Versicherung vorhanden sein muß! Das eine Jobcener zahlte diese, das andere weigerte sich. Sie haben mir zwar vor dem Sozialgericht einen Vergleich angeboten, aber was hätte dieses gebracht. Beim nächsten Umzug gleiches Theater... und andere haben gleiches Problem! Einfach mal den Hintern hoch bekommen, nicht immer nur jammern und mal etwas Durchhaltevermögen zeigen, dann klappt es schon!!! Ich bin selbst rechtlich nicht bewandert aber lesen kann ich. Nächste Klage ist schon in arbeit... :sehrgut:

Na dann mal herzlich Willkommen.  :sehrgut: Aber nicht nur bei dem einen Beitrag bleiben. Wie du wahrscheinlich gelesen hast, gab es hier endlich einen kleinen vorgezogenen Frühjahrsputz. Da sind ehrliche Ratgeber gerne gesehen.

Heinz-Otto

Zitat von: Hartz4Hasser am 27. Dezember 2021, 15:52:43
Ich bin der jenige, der dieses Urteil nach fünf Jahren Gerichtsgezerre durchgesetzt hat.

Dann meine Hochachtung.

ZitatEinfach mal den Hintern hoch bekommen, nicht immer nur jammern und mal etwas Durchhaltevermögen zeigen, dann klappt es schon!!!
Das Problem ist, wenn Berufung nicht zugelassen wird und Revision nicht möglich ist. Dann nutzt auch Durchhaltevermögen nichts.
Ich hatte z. B. mal geklagt, weil mir Mieteinnahmen durch Untervermietung auf meine KdU angerechnet wurde, die mir mein H4-Untermieter aber nicht zahlte und das JC die Miete auch nicht wie im Antrag angegeben an mich überwiesen hatte.

Inzwischen gibt es hierzu ein BSG Urteil. Ich konnte es aber nicht erstreiten, da die Berufungssume nicht erreicht war und es auch keine höheren Urteile gab, auf die ich mich hätte beziehen können.

ZitatIch bin selbst rechtlich nicht bewandert aber lesen kann ich. Nächste Klage ist schon in arbeit...
:sehrgut:
Verrätst du uns in welcher Angelegenheit?