ALG II berechtigt?

Begonnen von basty23, 05. November 2022, 19:44:30

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basty23

�Hallo Zusammen,

eine Frage für ein befreundetes Ehepaar.

Er hat eine Arbeit in München gefunden. Hat eine eigene Wohnung und pendelt hin- und her zur Ehefrau nach Nürnberg. Sollte er die Arbeit in München aufgeben, damit er zur seiner Ehefrau nach Nürnberg zieht, wäre er arbeitslos.


Ehefrau ist nach Nürnberg gezogen. Da sie dort viele Bekannte hat, die deutsch sprechen und sie unterstützen. Ausserdem hat sie dort einen Platz für einen Integrationskurs bekommen.

Beide Eheleute sprechen kein deutsch. Ehefrau arbeitet nicht.


Erkennt das Jobcenter die 2 Wohnungen an? Kann die Ehefrau einen Antrag beim JC auf ALG II stellen? Kann das JC verlangen, dass das Ehepaar zusammenzieht?

JensM1

Zu wenig Informationen. Welche Aufenthaltstitel, vorheriger Leistungsbezug etc.

Grundsätzlich sind Ehepartner ohne Trennungsabsicht als EINE Bedarfsgemeinschaft zu berücksichtigen. Regelbedarfsstufe 2, beide müssen beim jeweils zuständigen Jobcenter Leistungen beantragen, also auch der Ehemann (Nürnberg übernimmt nicht die Miete aus München und umgekehrt), es muss jeweils der (fiktive) Gesamtbedarf ermittelt und danach das Einkommen des Ehemannes entsprechend der individuellen Bedarfe verteilt werden. Jede leistungsrelevante Änderung muss beiden Jobcenter unverzüglich mitgeteilt werden.

Birgit63

Sie ist von München nach Nürnberg gezogen, weil sie dort Bekannte hat, die ihre Sprache sprechen. Habe ich das richtig verstanden? Es gibt sicherlich auch in München Menschen, die die Sprache sprechen. Hätte man ja mal googeln können und sich dort einer Gruppe anschließen können. Auch gibt es bestimmt Integrationskurse in München. Ihr Mann kann sich einen Job in Nürnberg suchen und wenn er diesen hat, kann er zu seiner Frau ziehen. Da die Frau ohne wichtige Gründe umgezogen ist, wird das JC sicherlich keine 2 Mieten zahlen.

Jan Mustermann

Zitat von: JensM1 am 06. November 2022, 09:55:52Regelbedarfsstufe 2, beide müssen beim jeweils

Nein, dazu hat das BSG sich schon vor langer Zeit ausgelassen.
Wenn sie nicht zusammen wohnen dann wirtschaften sie auch nicht zusammen, bzw. führen keinen gemeinsammen Haushalt.
Zitat von: Birgit63 am 07. November 2022, 12:39:30Ihr Mann kann sich einen Job in Nürnberg suchen und wenn er diesen hat, kann er zu seiner Frau ziehen. Da die Frau ohne wichtige Gründe umgezogen ist, wird das JC sicherlich keine 2 Mieten zahlen.

Der muß gar nichts. Und niemand verlangt das das JC zwei Wohnungen zahlt. Wirklich niemand.
Wenn er nicht mit ihr zusammenziehen will, dann sind schlicht alle machtlos, alles andere ist nur SB gestammel.
Und wenn er nicht will das sie bei ihm einzieht, macht das JC auch dicke Backen.
Ihr müßt mal Moral und Empörung vom geltenden Recht trennen.

Und das geltende Recht gibt das eben nicht her.

JensM1

ZitatNein, dazu hat das BSG sich schon vor langer Zeit ausgelassen

Das einzig mir bekannte BSG Urteil mit RB 1 bezieht sich auf eine Konstellation, bei der der Ehemann (vermutlich auf Dauer) im Heim untergebracht wurde.

Bei allen aktuellen Kommentaren und mir bekannten BSG Urteilen + fachliche Weisungen BA gilt ansonsten RB 2.

TripleH

ZitatNein, dazu hat das BSG sich schon vor langer Zeit ausgelassen.

Die BSG Entscheidungen zum Trennungswillen sagen da was ganz anderes.

https://openjur.de/u/169628.html

Jan Mustermann

Nein, sagt es nicht.
In dem Urteil steht nicht das die Ehefrau nur einen abgesenkten Regelsatz erhalten dürfte.

Es ist doch schlicht so das viele solche Urteile nicht lesen können, sie nicht verstehen , nicht verstehen welchen Folgen daraus entstehen usw.

Was passiert denn nun wenn beide nicht zusammenziehen wollen und der Ehemann sich weigert Geld an sie zu bezahlen?

Anrechnung fiktiven Einkommens ?

Das BSG hat sich da schön rauslaviert, besonders gut finde ich die rechtlichen Ausführungen die letztendlich sogar "Scheinehen" nun legalisieren.
Laut BSG ist es ja nicht mehr so ungewöhnlich das Eheleute nicht zusammen leben und zusammen wohnen.
Da können sich die Mitarbeiter jeder Ausländerbehörde dann im Keller aufhängen.

Es möge doch mal einer hier die Rechtsgrundlage aufzeigen die einen der beiden dazu zwingt bei dem anderen einzuziehen.
Spätestens wenn einer der beiden sagt das er die eheähnliche Gemeinschaft nicht weiterführen will ist essig.

Das ist so ähnlich wie mit den eheähnlichen Gemeinschaften. Wenn einer nicht zahlt, dann können sich alle auf den Kopf stellen inkl. BSG, sie sind trotzdem keine BG.

JensM1

ZitatSpätestens wenn einer der beiden sagt das er die eheähnliche Gemeinschaft nicht weiterführen will ist essig.

Worauf stützen sich die Trennungsabsichten, bisher von OP nicht ansatzweise thematisiert worden?



TripleH

ZitatIn dem Urteil steht nicht das die Ehefrau nur einen abgesenkten Regelsatz erhalten dürfte.

Wenn du nicht verstehst, was es bedeutet, dass man ohne Trennungswillen weiterhin eine Bedarfsgemeinschaft bildet, scheidet jede weitere Diskussion mit dir aus.

Denn dann verstehst du tatsächlich nicht ansatzweise, was da geurteilt wurde.

Gottlob sind es Richter, die Recht sprechen:

Zitat(3) Wie festgestellt, bildeten der Kläger und seine Ehefreu unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. BSG, Urteil vom 18. Februar 2010, a.a.O.) eine Bedarfsgemeinschaft, waren beide volljährig und unterfielen beide dem Leistungssystem des SGB II, so dass der Regelbedarf zutreffend nach § 20 Abs. 4 SGB II bemessen wurde. Der Bedarf ist nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut der gesetzlichen Regelung damit grundsätzlich auch dann nach § 20 Abs. 4 SGB II zu bemessen, wenn die Ehegatten - wie vorliegend - nicht in einer gemeinsamen Wohnung leben.

https://www.anhaltspunkte.de/rspr/urteile/L_3_AS_676.17.htm

ZitatWas passiert denn nun wenn beide nicht zusammenziehen wollen und der Ehemann sich weigert Geld an sie zu bezahlen?

Was passiert, wenn genau das in einer gemeinsamen Wohnung erfolgt? Als hätte der Wohnsitz was mit der Geldverteilung in einer Ehe zu tun.



Jan Mustermann

Nein nein,
so funktioniert das nicht.

Was genau passiert denn nun wenn er sie nicht bei sich einziehen läßt und ihr auch kein Geld zahlt?
Dann sitz sie auf der Strasse und verhungert?

Einfach mal zwischen dem rechtstheoretischen Teil und der Praxis in Verbindung mit höherrangigen Recht unterscheiden.
Kann sie ihren Anspruch gegen den Mann zeitnah realisieren? nein ? Dann SGB II.
Was hat Vorrang , Urteile des Bundesverfassungsgerichts oder rechtstheoretische eventuelle Ansichten des BSG.
(Das Urteil kommt aus 2010 ! da war das BSG noch der Rechtsauffassung das die Regelsätze verfassungskonform zustande gekommen sind)

ich habe das az jetzt nicht zur Hand, aber es gibt da ein sehr schönes Urteil zu einem Fall wo die Frau hier lebt, der Mann aber in einem Golfstaat und dort arbeitet. Ehe gleich BG.
Aber weil sie ja keinen gemeinsamen Haushalt führen,praktisch keine Wirtschafts-und Haushaltsgemeinschaft sind bekommt sie den vollen Regelsatz.

Wo genau sind denn die Einspaarungsmöglichkeiten der Frau im hiesigen Fall durch die Ehe die einen verminderten Regelsatz rechtfertigen würden ?

Also nochmal.
Sie sitzt dann auf der Strasse und verhungert ?
In Deutschland ?

Wie berechnen eigentlich die JC nun das Einkommen der Ehepartner die ihm heimatland bleiben während die Familien hierher flüchten. z.b. bei den Ukrainern?
Bekommen die verheirateten dann auch nur einen verminderten Regelsatz ? Oder bekommen die gar kein Geld weil das Einkommen des Ehemannes nicht feststellbar ist? Die sind doch in einer Ehe also eine BG. Oder?

JensM1

Zitataber es gibt da ein sehr schönes Urteil zu einem Fall wo die Frau hier lebt, der Mann aber in einem Golfstaat und dort arbeitet. Ehe gleich BG.

Kenne ich. Er Arzt in Saudi-Arabien, sie Antrag SGB II in DE. Beide meiner Erinnerung nach aus Syrien, er zahlte nachweislich keinen Unterhalt.

Der Leistungsanspruch wurde u. a. vom BSG deshalb anerkannt, weil dieses über keine ausreichenden Kenntnisse (Teil der Urteilsbegründung) zu Unterhaltsansprüchen und deren Durchsetzbarkeit nach saudi-arabischen bzw syrischen Recht verfügte.

Dieses Urteil dürfte in der gegebenen Fallkonstellstion irrelevant sein.

TripleH

ZitatWo genau sind denn die Einspaarungsmöglichkeiten der Frau im hiesigen Fall durch die Ehe die einen verminderten Regelsatz rechtfertigen würden ?

Also nochmal.
Sie sitzt dann auf der Strasse und verhungert ?
In Deutschland ?

Wie berechnen eigentlich die JC nun das Einkommen der Ehepartner die ihm heimatland bleiben während die Familien hierher flüchten. z.b. bei den Ukrainern?
Bekommen die verheirateten dann auch nur einen verminderten Regelsatz ? Oder bekommen die gar kein Geld weil das Einkommen des Ehemannes nicht feststellbar ist? Die sind doch in einer Ehe also eine BG. Oder?

Warum liest du nicht die verlinkten Urteile, da stehen die Antworten drin.

Mit räumlicher Trennung im Ausland ist der vorliegende Fall überhaupt nicht vergleichbar. Das LSG führt ja gerade aus, wieso ein Ausnahmefall nicht vorliegt.

Zitat(4.1) Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist allein in Ausnahmesituationen, in denen beispielsweise ein Ehepartner berufsbedingt im Ausland lebt und mangels eines gewöhnlichen Aufenthalts in Deutschland von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen ist (vgl. BSG, Urteil vom 11. Februar 2015 - B 4 AS 27/14 R - BSGE 118, 82 ff. = SozR 4-4200 § 21 Nr. 21= juris, jeweils Rdnr. 15 f.), oder in denen ein Ehegatte aufgrund von Pflegebedürftigkeit nicht mehr zu Hause leben kann (vgl. BSG, Urteil vom 16. April 2013 - B 14 AS 71/12 R - SozR 4-4200 § 9 Nr. 12 = juris, jeweils Rdnr. 22), trotz der bestehenden Ehe die Gewährung des vollen Regelbedarfs nach § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II in analoger Anwendung dieser Regelung gerechtfertigt.

Man sollte doch wohl erwarten dürfen, dass du verlinkte Rechtsprechung erstmal zur Kenntnis nimmst, ehe du Fragen stellst, die es nicht gäbe, würdest du lesen und verstehen.