Bürgergeld: hartnäckigen Job-Verweigerern drohen drastische Kürzungen

Begonnen von Ottokar, 03. Januar 2024, 18:34:36

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Ottokar

Bürgergeld: hartnäckigen Job-Verweigerern drohen drastische Kürzungen

Da nunmehr (bei tacheles-sozialhilfe.de) der Referentenentwurf zur geplanten Änderung des SGB II verfügbar ist, habe ich hier einen komplett neuen Artikel dazu verfasst.
Die nachfolgende Einschätzung bezieht sich auf den Inhalt dieses Referentenentwurfs. Der im weiteren erfolgende Gesetzentwurf kann davon abweichen, in dem Fall wird zum Gesetzentwurf ein neuer eigener Artikel erscheinen.

Ergänzt und geändert werden sollen (u.a.) die §§ 31a und 31b SGB II.
Danach soll - lt. § 31a Abs. 7 SGB II neu - der Leistungsanspruch in Höhe des Regelbedarfes entfallen, wenn erwerbsfähige Leistungsberechtigte sich willentlich weigern, eine zumutbare Arbeit aufzunehmen. Die Möglichkeit der Arbeitsaufnahme muss tatsächlich und unmittelbar bestehen. Die Minderung darf nur solange andauern, wie auch die Möglichkeit der Arbeitsaufnahme besteht, längstens für zwei Monate.
Die Minderung muss mit dem Tag entfallen, an welchem der erwerbsfähige Leistungsberechtigte den (noch verfügbaren) Job annimmt, oder sich stattdessen ernsthaft und nachhaltig dazu bereit erklärt, zukünftig seiner dementsprechenden Pflicht nachzukommen (also den nächsten zumutbaren Job anzunehmen).
Die Minderung darf nicht erfolgen, wenn sie im Einzelfall eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde.

Im Kern entsprechen diese Regelungen den Vorgaben des Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in 1 BvL 7/16 (RdNr. 209).
Mit dem ehemals geplanten § 8a SGB II (Br-Drs. 456/1/22) haben diese Regelungen deshalb nichts mehr gemein.

Die Nachweispflicht, dass die konkrete Möglichkeit besteht, durch die angebotene Arbeit tatsächlich existenzsicherndes Einkommen zu erzielen, sowie das diese individuell zumutbar ist, liegt beim Jobcenter.
Gelingt dem Jobcenter dieser Nachweis, darf auch nur der Regelbedarf (§ 20 SGB II) entfallen, nicht die Leistung der Kosten für Unterkunft und Heizung (§ 22 SGB II). Allerdings dürfte dann eine Direktzahlung dieser Kosten an den Vermieter gerechtfertig sein, um das Entstehen von Mietschulden zu verhindern.
Es bleibt abzuwarten, welche Anforderungen die Gerichte an die Jobcenter stellen, um den Beweis zu führen, dass ein erwerbsfähiger Leistungsberechtigter tatsächlich von einem konkret zu benennenden Arbeitgeber für einen konkret benannten Job eingestellt worden wäre - wenn er sich denn beworben hätte.
Oder anders gefragt: Welcher Arbeitgeber sagt vor Gericht als Zeuge aus, dass er den erwerbsfähigen Leistungsberechtigten eingestellt hätte, ohne den Bewerber, dessen Bewerbungsunterlagen, Qualifikationen etc. zu kennen?
Es ist anzunehmen, dass die Gerichte an diese Beweise ebenso große Anforderungen stellen werden wie im Fall des § 34 SGB II, denn auch hier geht es ausdrücklich um sozialwidriges Verhalten.
In der Praxis wird die Regelung des § 31a Abs. 7 SGB II - neu - deshalb wohl auf wenige Einzel- und Ausnahmefälle beschränkt bleiben. Aber genau diese Ausnahmefälle sollen lt. Hubertus Heil (SPD) ja auch nur betroffen sein.
Meine Beiträge beinhalten oder ersetzen keine anwaltliche Beratung oder Tätigkeit.
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