Seit gestern gelten die Totalsanktionen im Bürgergeld

Begonnen von selbiger, 30. März 2024, 11:04:47

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Ottokar

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03Pq12L

Nur mal eine rein theoretische Frage (und nein, es ist nicht meine persönliche Absicht):

Wie verhält es sich mit den anrechnungsfreien Hinzuverdienstgrenzen bei einer Leistungsminderung von 100 Prozent?

Darf man, wenn man gar keinen Regelsatz bekommt, wenigstens mehr als 100 Euro anrechnungsfrei dazu verdienen oder bleibt es, wie bisher?

Das wäre dann ein wirklicher Anreiz und vielleicht auch Lerneffekt für jene, die ein Arbeitsangebot ablehnen: Sie bekommen dann gar nichts, erleben die "Pleite", haben aber die Möglichkeit durch eigenes, "wirkliches" Arbeiten, Geld zu verdienen, welches sie auch behalten dürfen. Sozusagen das "erste" selbst verdiente Geld nach einer Totalsanktion, welches sie auch (für einen gewissen Rahmen) für zwei Monate behalten dürfen.

Klar, die einen meckern dann, dass man so einfach Geld verdienen könne, und die KdU wird auch noch voll übernommen, aber vielleicht kann man ja hier auch Abstriche machen, keine Ahnung, der Regelsatz wird zu 100 Prozent gestrichen, man darf aber anrechnungsfrei bis zur Regelsatz-, also Sanktionshöhe anrechnungsfrei die zwei Monate hinzuverdienen. So oder so ähnlich,

Danke.

Vollloser

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lappa

Zitat von: 03Pq12L am 08. April 2024, 17:49:07Wie verhält es sich mit den anrechnungsfreien Hinzuverdienstgrenzen bei einer Leistungsminderung von 100 Prozent?
Nein, dann wird das verrechnet mit der KdU.
Wenn du mehr verdienst, fällst du halt für den Monat aus dem Leistungsbezug.
Das Sozialsystem heißt zwar Sozialsystem, viele Gesetze sind aber asozial.

Ottokar

Zitat von: lappa am 08. April 2024, 18:44:03Nein, dann wird das verrechnet mit der KdU.
Falsch.
Im SGB II gilt die Reihenfolge: erst Einkommensanrechnung, dann Minderung.

Einkommen mindert gemäß § 19 Abs. 3 S. 2 SGB II weiterhin zuerst die Regelleistung. Das der Anspruch auf Regelleistung gemindert wurde oder entfallen ist, ändert daran nichts.
Deshalb kommt es ja zu dem Kuriosum, dass Leistungsbezieher, die wegen Einkommensanrechnung nur noch Anspruch auf KdUH haben, nicht sanktioniert werden können, weil keine Regelleistung gezahlt wird, die gemindert werden könnte.
Siehe dazu auch Weisung der BA zu §§ 31 ff SGB II in Rz. 31.33:
https://www.arbeitsagentur.de/datei/fw-sgb-ii-31-31b_ba034000.pdf
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pizzamargherita

Zitat von: Ottokar am 09. April 2024, 11:09:58
Zitat von: lappa am 08. April 2024, 18:44:03Nein, dann wird das verrechnet mit der KdU.
Falsch.
Im SGB II gilt die Reihenfolge: erst Einkommensanrechnung, dann Minderung.

Einkommen mindert gemäß § 19 Abs. 3 S. 2 SGB II weiterhin zuerst die Regelleistung. Das der Anspruch auf Regelleistung gemindert wurde oder entfallen ist, ändert daran nichts.
Deshalb kommt es ja zu dem Kuriosum, dass Leistungsbezieher, die wegen Einkommensanrechnung nur noch Anspruch auf KdUH haben, nicht sanktioniert werden können, weil keine Regelleistung gezahlt wird, die gemindert werden könnte.
Siehe dazu auch Weisung der BA zu §§ 31 ff SGB II in Rz. 31.33:
https://www.arbeitsagentur.de/datei/fw-sgb-ii-31-31b_ba034000.pdf

Wenn ein Bürdergeldbezieher mit KDU (650€) und Regelbedarf (563€) eine 100%-Sanktion bekommt und einen Minijob (538€) annimmt, dann hat er effektiv 25€ weniger als ohne Sanktion (und ohne Minijob)?

Ottokar

Wenn man die Freibeträge vernachlässig, ja.
IMHO würde die Annahme des Minijobs aber ohnehin die Grundlage "Jobverweigerung" für die Totalsanktion beseitigen.
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ichbrauchgeld

ah das ist clever. Da wäre ich mal auf ein Gerichtsurteil gespannt, wie die Richter das sehen, wenn jemand ein Vollzeitjobangebot ablehnt und das Jobcenter einen mehr als 30 % streichen will wegen Jobweigerung, obwohl man nen Minijob hat.