Bürgergeld: Totalsanktion für Job-Verweigerer seit 28. März 2024 möglich

Begonnen von Ottokar, 31. März 2024, 14:56:16

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Ottokar

Bürgergeld: Totalsanktion für Job-Verweigerer seit 28. März 2024 möglich

Nachdem die Bundesregierung (SPD, Die Grünen, FDP) den Entzug der Leistung für Job-Verweigerer beschlossen hatte (wir berichteten) wurde das Gesetz am 27. März 2024 im Bundesgesetzblatt verkündet und ist somit am 28. März 2024 in Kraft getreten.
Jede ab diesem Tag erfolgte Weigerung, ein zumutbares Arbeitsangebot anzunehmen, kann nun mit einer Totalsanktion der Regelleistung bestraft werden, wenn innerhalb eines Zeitraumes von 12 Monaten vor dieser Weigerung das Bürgergeld bereits aus dem gleichen Grund gemindert (sanktioniert) war. Bereits vor in Kraft treten dieser Gesetzesänderung erfolgte Sanktionen zählen dabei mit.

Die Bundesregierung rechnet infolge der Totalsanktionen mit Einsparungen in Höhe von jährlich ca. 170 Millionen Euro (Bt-Drs 20/9999).
Bei maximal möglichen 1.026 Euro Einsparung pro Totalsanktion beim Bürgergeld ergeben sich rechnerisch pro Jahr mindestens 165.692 Fälle von Totalsanktionen.
Lt. Statistik der Bundesagentur für Arbeit (BA) gab es im Jahr 2020 insgesamt 171.112 Sanktionen, im Jahr 2021 waren es 193.729 und im Jahr 2022 waren es 148.488 Sanktionen, davon jeweils 50% Meldeversäumnisse. Die Daten für 2023 wurden noch nicht veröffentlicht.
Offenbar rechnet die Regierung also damit, dass nahezu jede ab sofort verhängte Sanktion eine Totalsanktion ist und gleichzeitig doppelt so oft sanktioniert wird wie bisher.
Dies steht im eklatanten Widerspruch dazu, dass es Totalsanktionen nur in wenigen Ausnahmefällen für hartnäckige Arbeitsverweigerer geben soll. Die Zahlen sprechen vielmehr dafür, dass Totalsanktionen ab sofort der Normalfall werden und mit einer regelrechten Sanktionswelle zu rechnen ist. Vermutlich wird es auch dazu eine für Jobcenter verbindliche interne Zielvereinbarung der BA geben.

Wir raten jedem Betroffenen, gegen eine Totalsanktion der Regelleistung beim zuständigen Sozialgericht sofort rechtlichen Schutz in Anspruch zu nehmen und sich dabei von einem Fachanwalt vertreten zu lassen.


Nachtrag 07.04.2024
Die neue Weisung der Bundesagentur für Arbeit (BA) zu den §§ 31 bis 31b SGB II setzt die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes um.
Die BA weist darin ausdrücklich darauf hin, dass das Nichtreagieren auf eine Einladung zum Vorstellungsgespräch, das Nichtbewerben auf ein Stellenangebot oder die bloße Übersendung eines Stellenangebots durch das Jobcenter nicht die Voraussetzungen für den Entzug des Regelbedarfs erfüllen, da es hierbei an der Unmittelbarkeit der Möglichkeit der Arbeitsaufnahme fehlt (Rz. 31.46c).
Lt. BA ist ein Entzug der Regelleistung nicht auf eine Ausbildung oder ein gefördertes Arbeitsverhältnis anzuwenden.
Als Beispiele für den Entzug des Regelbedarfs nennt die BA das Nichtunterzeichnen eines vorgelegten Arbeitsvertrages, oder das trotz Arbeitsvertrag die Arbeit nicht angetreten wird (Arbeitsverweigerung). Sofern es dafür keinen wichtigen Grund gibt.
Die BA weist auch darauf hin, dass die Aufhebung der Sanktion unmittelbar, also taggenau, mit dem Wegfall der Möglichkeit der Arbeitsaufnahme, oder der Annahme des Arbeitsangebotes zu erfolgen hat (Rz. 31.46h).
Die BA hat damit den Missbrauch dieser neuen Regelung de facto unmöglich gemacht, worauf wir an dieser Stelle gern anerkennend hinweisen.
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