Jobcenter meldet Leistungsbezieher einfach ab weil dieser sich nicht meldet

Begonnen von hotwert, 02. Mai 2024, 20:32:34

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hotwert

Folgender Fall:

Eine Person (Ich nenn ihn hier Frank) beantragt im Oktober 23 Bürgergeld. Frank hat kein Konto, aber der Antrag wird erstmal für 12 Monate bewilligt. Ein Bewilligungsbescheid liegt vor. Danach meldet er sich nie mehr, gibt keine Kontodaten durch und ist eben einfach nicht erreichbar. Post wird zugestellt, an der Klingel sowie dem Briefkasten steht der Name. Der Briefkasten ist auch nicht überfüllt.

Ende April kommt Frank in die Psychiatrie weil er seit Monaten aufgrund Depression kaum gegessen und getrunken hat und kurz vor dem Tod stand.

Das JC hat ihn laut telefonischer Auskunft einfach im November abgemeldet, da er sich nicht mehr gemeldet hat. Ein Aufhebungsbescheid liegt nicht vor, Briefe waren im Briefkasten von November bis April, also alles kam an. Er hat nun 4000€ Schulden bei der Krankenkasse. Der SB vom JC wusste auch nicht weiter und konnte keine Antworten geben. Er hatte ja nie eine Kontonummer angegeben.

Darf das JC das einfach machen? Es liegt kein Aufhebungsbescheid vor, aber laut Krankenkasse wurden ab November keine Beiträge mehr bezahlt. Der Briefkasten war seit Nov ungeleert, alle anderen möglichen Briefe, auch vom JC waren da.

Hary

Zitat von: hotwert am 02. Mai 2024, 20:32:34Darf das JC das einfach machen? Es liegt kein Aufhebungsbescheid vor, aber laut Krankenkasse wurden ab November keine Beiträge mehr bezahlt. Der Briefkasten war seit Nov ungeleert, alle anderen möglichen Briefe, auch vom JC waren da.

Ja, weil das Jobcenter nicht prüfen kann ob die Person noch Hilfsbedürftig ist. Wenn keine Reaktion erfolgt, dann wird die Leistung erst einmal ruhend gestellt, bis der Sachverhalt geklärt ist. Einen Aufhebungsbescheid wird es nicht geben, da der Bescheid nicht aufgehoben wurde. Die Leistung wird nachdem der Sachverhalt geklärt ist ausgezahlt (auch rückwirkend).

Ich sehe auch nicht, dass hier das Jobcenter eine Schuld trifft. Wenn eine Person in die Psychiatrie kommt, dann kann man davon ausgehen, dass diese Person nur eingeschränkt selbstständig handeln kann. Dementsprechend müsste es eigentlich einen Betreuer oder sogar gesetzlichen Vormund geben, der sich um diese Dinge kümmert. Ob bei einem Aufenthalt in der Psychiatrie tatsächlich ein Anspruch in volle Höhe besteht ist dann noch einmal eine andere Frage. Aber irgendwer hätte die Pflicht gehabt sich darum zu kümmern. Einfach mal die Psychiatrie verlassen um den Briefkasten zu begutachten ist wohl in den meisten Fällen nicht so einfach. Naja und das Jobcenter kann ja nun nicht Detektive losschicken um zu ermiutteln, warum sich Frank nicht gemeldet haben könnte.

Eine berechtigte Person sollte also den Sachverhalt aufklären gegenüber dem Jobcenter.

hotwert

Zitat von: Hary am 03. Mai 2024, 11:42:45Ich sehe auch nicht, dass hier das Jobcenter eine Schuld trifft. Wenn eine Person in die Psychiatrie kommt, dann kann man davon ausgehen, dass diese Person nur eingeschränkt selbstständig handeln kann. Dementsprechend müsste es eigentlich einen Betreuer oder sogar gesetzlichen Vormund geben, der sich um diese Dinge kümmert.

Der Mann ist vor 5 Tagen in die Psychiatrie gekommen, erst dort wurde ein Betreuer bestellt. Vorher gab es keinen. Es war also niemand da der sich um die Angelegenheit kümmert.

Zitat von: Hary am 03. Mai 2024, 11:42:45Ob bei einem Aufenthalt in der Psychiatrie tatsächlich ein Anspruch in volle Höhe besteht ist dann noch einmal eine andere Frage.
Für die Dauer des Aufenthalts ist soweit ich weis der Regelsatz geringer, aber bis zum Aufenthalt, also von November bis Ende April sollte das JC dann ja nachzahlen?

Zitat von: Hary am 03. Mai 2024, 11:42:45Einfach mal die Psychiatrie verlassen um den Briefkasten zu begutachten ist wohl in den meisten Fällen nicht so einfach.
Wie gesagt, erst seit 5 Tagen. .
Zitat von: Hary am 03. Mai 2024, 11:42:45Naja und das Jobcenter kann ja nun nicht Detektive losschicken um zu ermiutteln, warum sich Frank nicht gemeldet haben könnte.
Der Mann war von Nov bis Ende April als er eingewiesen wurde zuhause und hätte angetroffen werden können.

Also nochmal zusammengefasst:
- Frank ist seit 5 Tagen in der Psychiatrie
- Dort wurde ein Betreuer bestellt
- Vorher gab es niemanden und niemand außer er selbst hatte die Pflicht irgendwas zu melden
- Post kam an und der Briefkasten war nicht überfüllt. Da waren vll von Nov bis April 10 Briefe drin.

TripleH

Das wirst du hier nicht klären können, was zur Einstellung der Leistungen geführt hat. Irgendeinen Anlass wird es sicherlich gegeben haben und den wirst du erst mit Akteneinsicht erfahren. Wahrscheinlich ist es besser, anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.

hotwert

Zitat von: TripleH am 03. Mai 2024, 12:29:01Das wirst du hier nicht klären können, was zur Einstellung der Leistungen geführt hat. Irgendeinen Anlass wird es sicherlich gegeben haben und den wirst du erst mit Akteneinsicht erfahren. Wahrscheinlich ist es besser, anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Der SB konnte es sich nicht erklären und hat gemeint dass sei "komisch". Er hat auf die Leistungsabteilung verwiesen, der Mitarbeiter dort meinte es sei wegen "nicht zustellbarer Post" eingestellt worden. Was aber nachweislich nicht stimmt.

Die Frage ist ob das überhaupt rechtens ist, also ob der Gang zum Anwalt sich lohnt oder Zeitverschwendung ist.

Und wenn man einen Beratungsschein beim Amtsgericht holt muss man das ja auch rechtlich begründen. Einfach nur " ich glaub da passt was nicht" reicht nicht aus.

Sheherazade

Zitat von: hotwert am 03. Mai 2024, 12:49:10Die Frage ist ob das überhaupt rechtens ist, also ob der Gang zum Anwalt sich lohnt oder Zeitverschwendung ist.

Vielleicht erstmal am Anfang beginnen und richtig helfen. Der Betreuer sollte sich umgehend mit dem Jobcenter schriftlich in Verbindung setzten und zusehen, dass die Leistungen nachgezahlt werden, in dem er die Mitwirkung für seinen Betreuten nachholt und seinen Status bzw. Aufenthalt mit einer Liegebescheinigung der Klinik nachweist sowie die Bankverbindung dem Jobcenter mitteilt.

Die Frage nach dem Warum ist hier nicht zielführend für Frank. Wenn du darauf hinaus willst, dass das Jobcenter irgendwelche deiner Meinung nach vorhandenen Fürsorgepflichten verletzt hat, irrst du dich.
"In Krisenzeiten suchen  die Intelligenten nach Lösungen, während die Schwachköpfe nach Schuldigen suchen." Totó 1898-1967

"Höher, schneller, weiter!" ist nicht das Problem. Das Problem ist: "Ich zuerst!", "Alles meins!" und "Mir doch egal!"

Hary

Zitat von: hotwert am 03. Mai 2024, 12:49:10der Mitarbeiter dort meinte es sei wegen "nicht zustellbarer Post" eingestellt worden. Was aber nachweislich nicht stimmt.
Dann hast du die Ursache doch schon. Wenn ein Brief an das Jobcenter zurück geht, dann kann es eben zur temporären Einstellung kommen, da in dem Moment unklar ist ob die Person sich überhaupt noch dort aufhält. Mir ist jetzt nicht klar warum das nachweislich nicht stimmen kann. Bei einem Rückläufer geht es nicht darum ob der Brief tatsächlich nicht zugestellt werden konnte oder nicht. Es ist nur ein Brief der aus welchen Gründen auch immer zurück zum Absender gegangen ist. Das kann triviale Gründe haben wir eine Fehlleitung des Briefes und Fehler bei dem Zusteller.

Die Einstellung der Zahlung macht dann auch Sinn. Wenn ein Brief nicht zugestellt werden kann, dann macht es wenig Sinn einen weiteren Brief hinterher zu schicken, da dieser dann wohl auch nicht zugestellt werden kann. Der Leistungsempfänger wird sich dann aus eigener Motivation dann zeitnahe melden, wenn kein Geld kommt. Dann nach kurzer Erklärung wird die Leistung wieder angewiesen und ist weniger Tage später da.

Der Gang zum Anwalt wird wohl als erster Schritt keinen Sinn machen. Bevor du eine Beihilfe bekommst, musst du zumindest versuchen das Problem zu klären. In diesem Fall bedeutet dies, dass Frank oder eine Person die dazu juristisch berechtigt ist den Sachverhalt versucht hat zu klären. Der einfachste Weg wäre wohl wenn Frank sich das Telefon nimmt und man anruft. Wenn er dazu nicht in der Lage ist, dann muss dieses sein Betreuer machen. Du als vermutlich nicht berechtigt Person kannst da wenig tun. Streng genommen dürfte das Jobcenter die überhaupt nichts sagen.

hotwert

Zitat von: Sheherazade am 03. Mai 2024, 13:11:01Vielleicht erstmal am Anfang beginnen und richtig helfen. Der Betreuer sollte sich umgehend mit dem Jobcenter schriftlich in Verbindung setzten und zusehen, dass die Leistungen nachgezahlt werden, in dem er die Mitwirkung für seinen Betreuten nachholt und seinen Status bzw. Aufenthalt mit einer Liegebescheinigung der Klinik nachweist sowie die Bankverbindung dem Jobcenter mitteilt
Alles schon passiert.
Zitat von: Sheherazade am 03. Mai 2024, 13:11:01Wenn du darauf hinaus willst, dass das Jobcenter irgendwelche deiner Meinung nach vorhandenen Fürsorgepflichten verletzt hat, irrst du dich.
Das Jobcenter trifft keine Schuld, die müssen ja nicht regelmäßig nach Leistungsbeziehern schauen.

Der Sinn des Threads war eigentlich nur um die Rechtslage zu erfahren und entsprechend reagieren zu können wenn die Antwort des JC kommt.
Wenn die einfach nachzahlen wäre ja alles gut, aber man hat zumindest telefonisch nicht den Anschein gemacht als wolle man nachzahlen, was dann schriftlich zurückkommt kann natürlich völlig anders aussehen.

Zitat von: Hary am 03. Mai 2024, 13:16:24Streng genommen dürfte das Jobcenter die überhaupt nichts sagen.
Hat es auch nicht, ich war aber dabei als der Betreuer telefoniert hat und hab alles mit angehört.

Naja, ich frag bei der Betreuung mal nächste Woche nach was rausgekommen ist.

So wie ich das lese muss das Jobcenter nachzahlen, das ist ja eigentlich nur die Info die ich wollte.

Hary

Zitat von: hotwert am 03. Mai 2024, 13:29:11So wie ich das lese muss das Jobcenter nachzahlen, das ist ja eigentlich nur die Info die ich wollte.
Sofern der Sachverhalt tatsächlich wie geschildert ist, dann gebe es eigentlich keine Alternative dazu.

Ihr solltet aber nicht zu lange auf eine Antwort warten. So ein triviales Problem ist regulär in einem oder zwei Werktagen zu lösen. Wenn es länger dauert, dann wäre die Idee des einstweiligen Rechtsschutz zu übverlegen. Bedeutet wenn die Mittellosigkeit vorliegt, dann kann in einem beschleunigtemn Verfahren (wenige Tage) eine gerichtliche Anordnung erreicht werden, dass bis zur gerichtlichen Klärung die bewilligten Leistungen weiter zu zahlen sind. Das geht auch ohne Anwalt mit einem Vordruck der Sozialgerichte. Nach dem einrichen hat das Jobcenter dann zwei oder drei Tage Zeit sich elektronisch beim Gericht zu äußern und dann entscheidet ein Richter.

Vor allem in dem Fall hängen ja noch Dinge wie laufende Verpflichtungen (Miete, Strom etc.) dran, zum anderen wird eine medizinische Behandlung ohne Krankenversicherung absehbar ein Problem :)

hotwert

Zitat von: Hary am 03. Mai 2024, 14:10:29zum anderen wird eine medizinische Behandlung ohne Krankenversicherung absehbar ein Problem :)
Es gibt einen Beschluss über eine Freiheitsentziehende Maßnahme aufgrund Eigengefährdung. Die Unterbringung in der geschlossenen Anstalt einer psychiatrischen Einrichtung wurde angeordnet. Für ca 4,5 Monate.

Würde mich ja interessieren wie das ohne Krankenkasse funktioniert, die dürfen ihn nicht entlassen, wer zahlt dann sowas?
Egal JC wird schon nachzahlen.

Sheherazade

Zitat von: hotwert am 03. Mai 2024, 16:09:18Würde mich ja interessieren wie das ohne Krankenkasse funktioniert, die dürfen ihn nicht entlassen, wer zahlt dann sowas?

Er ist weiterhin Mitglied der Krankenversicherung und somit auch krankenversichert, wir haben eine Krankenversicherungspflicht in D. Es laufen halt Beitragsschulden auf seit Oktober/November letzten Jahres.

"In Krisenzeiten suchen  die Intelligenten nach Lösungen, während die Schwachköpfe nach Schuldigen suchen." Totó 1898-1967

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hotwert

Jobcenter hat sich telefonisch beim Betreuer gemeldet, wird alles nachbezahlt.
Die haben im Dezember nen Hausbesuch gemacht und den Herrn persönlich angetroffen. Auf die Frage warum die Leistung dann eingestellt wurde hatten die auch keine Antwort. Die hätten ja zumindest die Krankenkasse zahlen müssen.

Aber was soll's, wird ja wieder alles.

hotwert

Muss das Jobcenter eigentlich weiterhin zahlen solange der Beschluss der Freiheitsentziehenden Maßnahme da ist? Solange man zwangsmäßig in der Psychiatrie sitzt ist er ja nicht erwerbsfähig?

Sheherazade

Zitat von: hotwert am 07. Mai 2024, 13:39:13Muss das Jobcenter eigentlich weiterhin zahlen solange der Beschluss der Freiheitsentziehenden Maßnahme da ist? Solange man zwangsmäßig in der Psychiatrie sitzt ist hab ja nicht erwerbsfähig?

Ja. Er gilt für die Zeit als arbeitsunfähig.
"In Krisenzeiten suchen  die Intelligenten nach Lösungen, während die Schwachköpfe nach Schuldigen suchen." Totó 1898-1967

"Höher, schneller, weiter!" ist nicht das Problem. Das Problem ist: "Ich zuerst!", "Alles meins!" und "Mir doch egal!"

TripleH

?? Nein. Bei richterlich angeordneter Freiheitsentziehung entfällt der Anspruch auf Bürgergeld, § 7 Absatz 4 SGB II.