Unterstützungsvermutung VuE - HG - getrennt lebend

Begonnen von Ottokar, 24. April 2009, 18:33:11

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Ottokar

- Urteil vom 27.01.2009, Az. B 14 AS 6/08 R:
Der Grundsicherungsträger trägt die Beweislast für das Vorliegen einer Haushaltsgemeinschaft zwischen Verwandten (im Sinne eines Wirtschaftens aus einem Topf).
Wenn Hartz-IV-Empfänger mit erwachsenen Verwandten zusammen wohnen, darf das Jobcenter nicht automatisch von einem gemeinsamen Wirtschaften ausgehen und das Arbeitslosengeld II kürzen.
Erst wenn der Leistungsträger nachweist, dass eine Haushaltsgemeinschaft = Wirtschaftsgemeinschaft vorliegt, greift der Vermutungstatbestand des § 9 Abs. 5 SGB II.
Eine Haushaltsgemeinschaft = Wirtschaftsgemeinschaft i.S.d. § 9 Abs. 5 SGB II liegt erst dann vor, wenn aus einem Topf gewirtschaftet wird.
Der in Wohngemeinschaften häufig anzutreffende gemeinsame Einkauf von Grundnahrungsmitteln und Sanitärartikeln aus einer Gemeinschaftskasse begründet noch keine Wirtschaftsgemeinschaft.
(Anm. Ottokar: Dies trifft grundsätzlich auch für die Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft nach § 7 Abs. 3 SGB II i.V.m. § 7 Abs. 3a SGB II zu, da die Formulierung des Gesetzgebers in § 9 Abs. 5 SGB II und § 7 Abs. 3a SGB II identisch ist: "wird vermutet", wenn also aufgrund dieser Formulierung lt. BSG die Beweislast in § 9 Abs. 5 SGB II beim JC liegt, muss sie das auch in § 7 Abs. 3a SGB II. Insofern trifft Abs. 3a lediglich eine Beweislastumkehr zu Lasten des Antragstellers.)

- Urteil vom 18.02.2010, B 4 AS 49/09 R:
Eine Bedarfsgemeinschaft von Eheleuten kann auch ohne gemeinsamen räumlichen Lebensmittelpunkt vorliegen.
Die Annahme "dauerhaft getrennt lebend" richtet sich auch im SGB II nach den familienrechtlichen Grundsätzen (§ 1567 BGB).
Danach ist eine räumlichen Trennung nicht ausschlaggebend, vielmehr muss die Lebens-, Haushalts und Wirtschaftsgemeinschaft dauerhaft aufgehoben sein und ein Ehegatte muss die Wiederherstellung des zuvor bestehenden einvernehmlich gewählten Ehemodells, oder eines anderen, dauerhaft ablehnen.
Hinweise:
Ein dauerndes Getrenntleben ist anzunehmen, wenn die zum Wesen der Ehe gehörende Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft nach dem Gesamtbild der Verhältnisse auf Dauer nicht mehr besteht. Dabei ist unter Lebensgemeinschaft die räumliche, persönliche und geistige Gemeinschaft der Ehegatten, unter Wirtschaftsgemeinschaft die gemeinsame Erledigung der die Ehegatten gemeinsam berührenden wirtschaftlichen Fragen ihres Zusammenlebens zu verstehen.
Besuche zur Wahrnehmung des Umganges mit einem gemeinsamen Kind sind dabei unschädlich.


- Urteil vom 23.08.2012, Az. B 4 AS 34/12 R:
=> § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II normiert für das Vorliegen einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft drei Voraussetzungen, die kumulativ vorliegen müssen:
Es muss sich 1. um Partner handeln, die 2. in einem gemeinsamen Haushalt zusammenleben und zwar 3. so, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
Bei den Kriterien zu 1. und 2. - nämlich der Partnerschaft und des Zusammenlebens in einem gemeinsamen Haushalt - handelt es sich um objektive Tatbestandsvoraussetzungen, die nach der Systematik des § 7 Abs 3 Nr 3c SGB II jeweils zusätzlich zu der subjektiven Voraussetzung des Einstehens- und Verantwortungswillens gegeben sein müssen.
Von dem Bestehen einer Partnerschaft (1.) ist auszugehen, wenn eine Ausschließlichkeit der Beziehung in dem Sinne gegeben ist, dass sie keine vergleichbare Lebensgemeinschaft daneben zulässt (3.). Zudem muss zwischen dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und dem Dritten die grundsätzliche rechtlich zulässige Möglichkeit der Heirat bzw Begründung einer Lebenspartnerschaft nach dem LPartG bestehen (3.).
Das "Zusammenleben in einem gemeinsamen Haushalt" (2.) iS des § 7 Abs 3 Nr 3c SGB II erfordert das Bestehen einer "Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft". Die Vorschrift stellt mithin ihrerseits auf zwei Elemente ab, das Zusammenleben (2.1.) einerseits und das "Wirtschaften aus einem Topf" (2.2.) andererseits. Dies bedeutet, dass die Partner in "einer Wohnung" zusammenleben und die Haushaltsführung an sich sowie das Bestreiten der Kosten des Haushalts gemeinschaftlich durch beide erfolgen müssen.
=> Die Vermutungsregelung des § 7 Abs. 3a Nr. 1 SGB II gilt nicht per se.
Das Jobcenter ist verpflichtet, zunächst entweder objektivierbare Umstände zu benennen, oder belastbare Feststellungen zum Bestehen einer Partnerschaft und zur gemeinsamen Haushaltsführung zu treffen, welche eine solche Vermutung rechtfertigen. Erst dann greift die Vermutungsregelung und es obliegt dem erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, diese Vermutung zu widerlegen
(Anm. Ottokar: d.h. dass neben der Wohn- auch eine Wirtschaftsgemeinschaft bestehen muss. § 7 Abs. 3a SGB II ersetzt die Feststellung einer VuE nach § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II nicht, sondern beinhaltet lediglich eine Beweislastumkehr, wann der Leistungsträger eine VuE vermuten kann und der Leistungsempfänger sie widerlegen muss. Diese Vermutung muss der Leistungsträger durch Fakten belegen, welche die o.g. drei Voraussetzungen beweisen.)

- Urteil vom 19.10.2016, B 14 AS 53/15 R
Wenn Großeltern mit ihren Enkeln zusammenleben, besteht zwischen diesen keine Bedarfsgemeinschaft.
Es ist jedoch zu pürfen, ob eine Haushaltsgemeinschaft besteht. Dabei muss zwischen Bar- und Sachzuwendungen sowie Verpflegung differenziert werden. Da Aufwendungen für Verpflegung nicht als Einkommen zu berücksichtigen sind, dürfen nur Bargeld oder Sachleistungen in Geldeswert berücksichtigt werden. Diesbezüglich trifft die Großeltern eine Auskunftspflicht (§ 60 Abs 1, 2 SGB II).
Sachleistungen in Geldeswert dürfen jedoch nur dann als Einkommen berücksichtigt werden, wenn sie geeignet sind, den grundsicherungsrechtlichen Bedarf zu mindern.
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