SG Mainz: Ausschluss von Hartz IV für arbeitsuchende Ausländer verfassungswidrig

Begonnen von Meck, 24. November 2015, 19:41:06

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Meck

Das SG Mainz hat entschieden, dass der Ausschluss von Arbeitslosengeld II für Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, verfassungswidrig ist.

Ein erwerbsloser spanischer Staatsangehöriger war nach seiner Einreise nach Deutschland im Jahr 2014 einer Erwerbstätigkeit nachgegangen. Nachdem ihm von seinem Arbeitgeber gekündigt wurde, erhielt er zunächst Leistungen vom Jobcenter Mainz. Seinen Weiterbewilligungsantrag lehnte das Jobcenter jedoch ab. Zur Begründung führte es aus, dass der Antragsteller keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes habe. Der Arbeitnehmerstatus gelte für sechs Monate nach Beendigung der Beschäftigung. Diese sechs Monate seien im Falle des Antragstellers abgelaufen. (AZ: S 12 AS 946/15 ER)


-->> https://www.juris.de/jportal/portal/page/homerl.psml?nid=jnachr-JUNA151102617&cmsuri=%2Fjuris%2Fde%2Fnachrichten%2Fzeigenachricht.jsp




Wie viel soziale Absicherung haben Zuwanderer in Deutschland? Nach Europäischem Recht müssen sie nicht zwingend volle Sozialleistungen erhalten, sagt der EuGH. Nach deutschem Recht aber schon, sagt das Sozialgericht in Mainz.
Das Sozialgericht in Mainz besteht auf ausreichender sozialer Absicherung für Zuwanderer in den deutschen Arbeitsmarkt. Es hat in einem Eilverfahren per Beschluss entschieden, dass der Ausschluss von Arbeitslosengeld II (Hartz IV) für Ausländer verfassungswidrig ist, auch wenn die Betroffenen sich allein zum Zweck der Arbeitsuche in Deutschland aufhalten (Az.: S 12 AS 946/15 ER). Die Richter ordneten deshalb an, dass ein betroffener Spanier nun Hartz IV Leistungen bekommt.


-->> http://www.saarbruecker-zeitung.de/recht/aktuell-vermischtes/art262743,5978956
LG Meck :bye:

Ferenz

BSG Medieninformation Nr. 28/15 - 3. Dezember 2015

Ausschluss von SGB II-Leistungen für Unionsbürger

Sozialhilfe bei tatsächlicher Aufenthaltsverfestigung


Zitat
Der 4. Senat des Bundessozialgerichts hat in drei Urteilen vom heutigen Tag unter Berücksichtigung der Urteile des Bundesverfassungsgerichts zum Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums konkretisiert, in welchen Fallgestaltungen Unionsbürger aus den EU-Mitgliedstaaten existenzsichernde Leistungen nach dem Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) beziehungsweise dem Sozialhilferecht (SGB XII) beanspruchen können (vergleiche zu den Sachverhalten Terminvorschau Nr. 54/15). Dies erfolgt im Anschluss an das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 15. September 2015 (Rs C-67/14 "Alimanovic"), wonach der ausnahmslose Ausschluss von Unionsbürgern mit einem alleinigen Aufenthaltsrecht nur (noch) zur Arbeitsuche von den Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II europarechtskonform ist.

Der 4. Senat hat hierzu entschieden, dass der Ausschluss arbeitsuchender Unionsbürger von SGB II-Leistungen auch für diejenigen Unionsbürger greift ("Erst-Recht"), die über kein Aufenthaltsrecht nach dem Freizügigkeitsgesetz oder dem Aufenthaltsgesetz verfügen. Auch bei fehlender Freizügigkeitsberechtigung sind aber zumindest Sozialhilfeleistungen im Ermessenswege zu erbringen. Im Falle eines verfestigten Aufenthalts - über sechs Monate - ist dieses Ermessen aus Gründen der Systematik des Sozialhilferechts und der verfassungsrechtlichen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts in der Weise reduziert, dass regelmäßig zumindest Hilfe zum Lebensunterhalt in gesetzlicher Höhe zu erbringen ist.

Im Falle eines griechischen Staatsangehörigen, der nach einer kurzen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung Ende 2011/Anfang 2012 SGB II-Leistungen auch für die Zeit ab Februar 2013 begehrt, ist das zusprechende Urteil des Landessozialgerichts auf die Revision des Jobcenters aufgehoben und die Sache zur Klärung der Aufenthaltsrechte im streitigen Zeitraum zurückverwiesen worden. Der formell und materiell wirksame Vorbehalt der Bundesregierung zum Europäischen Fürsorgeabkommen schließt SGB II-Leistungen, nicht jedoch Sozialhilfeleistungen in gesetzlicher Höhe an den Kläger aus (B 4 AS 59/13 R).

Die Kläger im Verfahren B 4 AS 44/15 R, eine bereits 2008 nach Deutschland zugezogene Familie rumänischer Staatsangehörigkeit, unterfallen zwar dem Leistungsausschluss für Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Wegen ihres verfestigten Aufenthalts in Deutschland haben sie jedoch Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt in gesetzlicher Höhe. Der beigeladene Sozialhilfeträger wurde verurteilt, diese Leistungen zu erbringen.

In dem dritten Verfahren ("Alimanovic") hat der 4. Senat das Urteil des Landessozialgerichts auf die Revision des Jobcenters aufgehoben. Zwar waren die Kläger, eine seit langem im Bundesgebiet lebende Mutter mit drei Kindern schwedischer Staatsangehörigkeit, die nur in kürzeren Beschäftigungen beziehungsweise Arbeitsgelegenheiten tätig waren, als Arbeitsuchende von SGB II-Leistungen ausgeschlossen. Es ist jedoch noch zu prüfen, ob sich die Kläger auf andere Aufenthaltsrechte im Zusammenhang mit der Ausbildung und Integration der Kinder im Bundesgebiet berufen können.


Az.:  B 4 AS 59/13 R                          G.  ./.  Jobcenter Frankfurt am Main
Az.:  B 4 AS 44/15 R                          1. I.M., 2. R.M., 3. D.V.S.  ./.  Integrationscenter für Arbeit
                                                         Gelsenkirchen; beigeladen: Stadt Gelsenkirchen
Az.:  B 4 AS 43/15 R                          1. N.A., 2. S.A., 3. V.A., 4. V.A.  ./.  Jobcenter Berlin Neukölln

ZitatHinweis auf die Rechtslage:
 

§ 7 Abs 1 SGB II
(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die
...
4. ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte). Ausgenommen sind
1. Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Abs 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts,
2. Ausländerinnen und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, und ihre Familienangehörigen, ....

§ 23 SGB XII
(1) 1Ausländern, die sich im Inland tatsächlich aufhalten, ist Hilfe zum Lebensunterhalt, Hilfe bei Krankheit, Hilfe bei Schwangerschaft und Mutterschaft sowie Hilfe zur Pflege nach diesem Buch zu leisten. ... 3Im Übrigen kann Sozialhilfe geleistet werden, soweit dies im Einzelfall gerechtfertigt ist. ...

(3) Ausländer, die eingereist sind, um Sozialhilfe zu erlangen, oder deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, sowie ihre Familienangehörigen haben keinen Anspruch auf Sozialhilfe.

Art 1 EFA
Jeder der Vertragschließenden verpflichtet sich, den Staatsangehörigen der anderen Vertragschließenden, die sich in irgendeinem Teil seines Gebietes, auf das dieses Abkommen Anwendung findet, erlaubt aufhalten und nicht über ausreichende Mittel verfügen, in gleicher Weise wie seinen eigenen Staatsangehörigen und unter den gleichen Bedingungen die Leistungen der sozialen und Gesundheitsfürsorge ("Fürsorge") zu gewähren, die in der in diesem Teil seines Gebietes geltenden Gesetzgebung vorgesehen sind.

http://juris.bundessozialgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bsg&Art=ps&Datum=2015&nr=14079&pos=0&anz=28