Bürgergeld Forum - hartz.info

Hilfebereich => Fragen und Antworten zum Bürgergeld (ehem. Hartz IV/ALG II) => Thema gestartet von: Brotzeit am 27. September 2023, 11:19:42

Titel: Vorläufige Einstellung ihrer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes
Beitrag von: Brotzeit am 27. September 2023, 11:19:42
Moin zusammen,

ich möchte euch um Rat und evtl. Hilfestellung bitten. Die Mitteilung habe ich abgetippt.

Erstellt wurde das Schreiben am 21.09.23, mir zugestellt am 25.09.23

Vorläufige Einstellung der Zahlung von Leistungen

Sehr geehrter Herr Brotzeit,

die Zahlung Ihrer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes wurde gemäß § 40 Absatz 2 Nummer 4 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Verbindung mit § 331 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) vorläufig ganz eingestellt.

Die Zahlung Ihrer Leistungen wurde vorläufig eingestellt.

Sie sind wiederholt nicht zu den Terminen der Arbeitsvermittlung erschienen.

Es ist eine Vorsprache bei Ihrer Arbeitsvermittlerin Frau XXX notwendig.

Bitte vereinbaren Sie telefonisch einen Termin (XXX XXX). Nach dem Termin können die vorläufig eingestellten Leistungen wieder aufgenommen werden.

Die vorläufig eingestellten laufenden Leistungen werden unverzüglich nachgezahlt, soweit der Bescheid, aus dem sich der Anspruch ergibt, zwei Monate nach der vorläufigen Einstellung der Zahlung nicht mit Wirkung für die Vergangenheit aufgehoben wird. Über das Ergebnis dieser Prüfung werden Sie gesondert informiert.

Mit freundlichen Grüßen

Anlagen: Rückantwort, Gesetzestexte zu Ihrer Information.


Gehe ich recht in der Annahme, dass sich die Leistungseinstellung auf den Regelbedarf bezieht und die KdU davon unberührt bleibt?

Bei den wiederholten Terminen handelt es sich um zwei!

Der Ablauf war folgendermaßen: Mit Schreiben vom 22.Juni 23 soll ich eine Einladung zu einem Meldetermin am 10. Juli 23 erhalten haben, welches mir aber nie zugestellt wurde.

Mitgeteilt wurde mir das in einem Schreiben vom 06.09.23 mit einer Folgeeinladung am 20.09.23 um 9:00 Uhr, mit der Gelegenheit mich zum Sachverhalt zu äußern, inklusive eines Vordrucks mit der Möglichkeit sich schriftlich zu erklären.

Problem ist, dass das Schreiben mir erst am 20.09.23 mit der Nachmittagspost zugegangen ist! (unglaublich aber war). Demzufolge konnte ich der Folgeeinladung natürlich nicht nachkommen, da das JC schon geschlossen war als ich den Brief aus dem Postkasten gefischt habe.

Am 21.09.23 habe ich die Möglichkeit mich schriftlich zu Erklären genutzt und den Sachverhalt geschildert mit dem vorsorglichen Verweis auf §37 Abs.2 SGB X. Versendet mit Einschreiben Einwurf.

Mit Schreiben vom 21.09.23, Eingang bei mir am 25.09.23 habe ich dann die Mitteilung zur Leistungseinstellung erhalten.

Jetzt stehe ich da und bin unschlüssig was zu tun ist. Das eine telefonische Terminvereinbarung bis dato fruchtlos war, muss ich wohl nicht erwähnen. (Besetzt oder nicht entgegen genommen).

Mein Gedanke ist, schriftlich einen Termin zu verlangen, um die leidige Geschichte aus der Welt zu schaffen. Allerdings habe ich das Gefühl, dass das JC hier extrem vorschnell war und das ganze krumm ist wie ein Hundebein. Was denkt ihr?

Anzumerken wäre eventuell noch, dass ich aufgrund von sonstigem Einkommen einen Regelbedarf von 38 Euro erhalte, der ja bei 10% Leistungsminderung schon wegfallen würde. Oder habe ich da einen Gedankenfehler?

Über Rückmeldungen freue ich mich und bedanke mich im Voraus.
Gruß Brozeit
Titel: Aw: Vorläufige Einstellung ihrer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes
Beitrag von: Bundspecht am 27. September 2023, 11:27:15
Fordere das JC auf , den Zugang der Schreiben an dich (mit der Einladung) zu beweisen ! Das können diese aber nicht . Hatten die bei mir auch schonmal versucht....

Kleines Schreiben, dass man sich auch fix ans Gericht wenden würde, und zack war meine Sanktion vom Tisch
Titel: Aw: Vorläufige Einstellung ihrer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes
Beitrag von: am 27. September 2023, 11:27:32
Was hältst du davon, persönlich vorzusprechen, das Schreiben über die Leistungseinstellung vorzulegen und mitzuteilen, dass du den Sachverhalt klären möchtest.
Dann kannst du dich direkt vor Ort erklären.
Lass einen Aktenvermerk aufnehmen und dir eine Zweitschrift aushändigen.

Wenn du jetzt schriftlich (Briefpost) reagierst, gehen locker flockig 2-3 Wochen ins Land, bevor du einen Termin hast.
Und so lange wartest du auch auf dein Geld.
Titel: Aw: Vorläufige Einstellung ihrer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes
Beitrag von: Brotzeit am 27. September 2023, 14:30:02
Zitat von: Nö am 27. September 2023, 11:27:32Was hältst du davon, persönlich vorzusprechen, das Schreiben über die Leistungseinstellung vorzulegen und mitzuteilen, dass du den Sachverhalt klären möchtest.
Dann kannst du dich direkt vor Ort erklären.
Lass einen Aktenvermerk aufnehmen und dir eine Zweitschrift aushändigen.

Wenn du jetzt schriftlich (Briefpost) reagierst, gehen locker flockig 2-3 Wochen ins Land, bevor du einen Termin hast.
Und so lange wartest du auch auf dein Geld.

Kam mir auch schon in den Sinn, allerdings weist das hiesige JC ausdrücklich darauf hin, dass persönliche Vorsprachen nur nach vorheriger Terminvereinbarung möglich sind. Am Empfang steht grundsätzlich nur ein Mitarbeiter einer Sicherheitsfirma, der die Termine kontrolliert. Vom JC habe ich da noch nie jemanden gesehen. Inwieweit auflaufen ohne Termin Erfolg hat, kann ich daher nicht beurteilen. Ich denke darüber nach. Erklärt habe ich mich auch schon mit Schreiben vom 21.09.

Zitat von: Bundspecht am 27. September 2023, 11:27:15Fordere das JC auf , den Zugang der Schreiben an dich (mit der Einladung) zu beweisen ! Das können diese aber nicht . Hatten die bei mir auch schonmal versucht....

Kleines Schreiben, dass man sich auch fix ans Gericht wenden würde, und zack war meine Sanktion vom Tisch

Eine Sanktion habe ich nicht erhalten. Auf §37 SGB X bereits verwiesen.
Titel: Aw: Vorläufige Einstellung ihrer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes
Beitrag von: malsumis am 27. September 2023, 14:58:09
Per Fax einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ans Sozialgericht stellen, die werden schon von selbst zurückrudern. Und da die sich auch noch vorm Gericht blamieren, werden diese  :zensiert: das nächste Mal genau überlegen, ob sie mit dir solche Spielchen spielen.
Titel: Aw: Vorläufige Einstellung ihrer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes
Beitrag von: Ottokar am 27. September 2023, 15:20:54
Die gesamte Leistung wird eingestellt, einschl. der KdUH.
Diese vorläufige Einstellung der Zahlung von Leistungen mit der Begründung wiederholter Meldepflichtverletzungen ist rechtswidrig.
Weder ist die postalische Erreichbarkeit Voraussetzung für den Leistungsanspruch, noch sind wiederholte Meldepflichtverletzungen ein Indiz oder Beweis dafür, dass der Leistungsbezieher dem JC nicht mehr zur Verfügung steht. Meldepflichtverletzungen können lediglich nach § 32 SGB II sanktioniert werden.
Eine vorläufige Einstellung der Zahlung der Leistung ist nur unter den in § 40 Abs. 2 Nr 4 SGB II geannnten Voraussetzungen zulässig, d.h. wenn das Jobcenter Kenntnis von Tatsachen erhalten hat, die zu einem Wegfall des Leistungsanspruch führen. Derartige Tatsachen wurden jedoch nicht genannt.
Ich würde mit dem o.g. als Begründung sofort gegen die vorläufige Einstellung der Zahlung Widerspruch einlegen und fordern, dass diese sofort zurückgenommen wird, andernfalls Klage beim Sozialgericht erhoben und Strafanzeige wegen Rechtsbeugung im Amt erstattet wird.
Titel: Aw: Vorläufige Einstellung ihrer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes
Beitrag von: Brotzeit am 27. September 2023, 16:18:18
Zitat von: Ottokar am 27. September 2023, 15:20:54Die gesamte Leistung wird eingestellt, einschl. der KdUH.
Diese vorläufige Einstellung der Zahlung von Leistungen mit der Begründung wiederholter Meldepflichtverletzungen ist rechtswidrig.
Weder ist die postalische Erreichbarkeit Voraussetzung für den Leistungsanspruch, noch sind wiederholte Meldepflichtverletzungen ein Indiz oder Beweis dafür, dass der Leistungsbezieher dem JC nicht mehr zur Verfügung steht. Meldepflichtverletzungen können lediglich nach § 32 SGB II sanktioniert werden.
Eine vorläufige Einstellung der Zahlung der Leistung ist nur unter den in § 40 Abs. 2 Nr 4 SGB II geannnten Voraussetzungen zulässig, d.h. wenn das Jobcenter Kenntnis von Tatsachen erhalten hat, die zu einem Wegfall des Leistungsanspruch führen. Derartige Tatsachen wurden jedoch nicht genannt.
Ich würde mit dem o.g. als Begründung sofort gegen die vorläufige Einstellung der Zahlung Widerspruch einlegen und fordern, dass diese sofort zurückgenommen wird, andernfalls Klage beim Sozialgericht erhoben und Strafanzeige wegen Rechtsbeugung im Amt erstattet wird.

Danke @Ottokar für die Hilfe. Mir war überhaupt nicht klar, dass hier ein Widerspruch möglich ist. Meine mal hier im Forum dahingehend was gelesen zu haben. Dann werde ich das so auf den Weg bringen und über den Fortgang berichten.
Titel: Aw: Vorläufige Einstellung ihrer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes
Beitrag von: TripleH am 27. September 2023, 18:51:00
Ein Widerspruch ist unzulässig. Die VZE ist kein Verwaltungsakt. Gegen eine VZE ist die isolierte Leistungsklage das zulässige Rechtsmittel.

ZitatBei dem Schreiben des Beklagten vom 23.10.2020, in dem er eine vorläufige Zahlungseinstellung mitteilt, handelt es sich nicht um einen Verwaltungsakt i.S.d. § 31 SGB X, gegen den ein Widerspruch gem. § 62 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) i.V.m. § 78 SGG zulässig wäre.

https://openjur.de/u/2340561.html
Titel: Aw: Vorläufige Einstellung ihrer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes
Beitrag von: Ottokar am 27. September 2023, 19:04:04
Natürlich kann man auch einem rechtswidrigen Verwaltungshandeln widersprechen.
Das ist dann dem Rechtscharakter nach eine Stellungnahme, Widerspruch hört sich aber deutlich besser an.

Eine vorläufige Einstellung der Zahlung mit einer isolierten Leistungsklage anzufechten, ist wegen der Verfahrensdauer nicht zielführend.
Hier geht man am besten mit einem einstweiligen Rechtsschutzersuchen vor und beantragt das JC zur (Weiter)Zahlung der bewilligten Leistung zu verurteilen. Den Beschluss kann man dann erforderlichenfalls auch vollstrecken lassen.
Titel: Aw: Vorläufige Einstellung ihrer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes
Beitrag von: Brotzeit am 28. September 2023, 10:37:21
Moin,

komplizierter als man so denkt. Was gebe ich dem Kind denn jetzt für einen Namen?

Stellungnahme, Widerspruch gegen rechtswidriges Verwaltungshandeln oder nur Widerspruch?
Titel: Aw: Vorläufige Einstellung ihrer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes
Beitrag von: TripleH am 28. September 2023, 17:31:32
Zitat von: Ottokar am 27. September 2023, 19:04:04Natürlich kann man auch einem rechtswidrigen Verwaltungshandeln widersprechen.
Das ist dann dem Rechtscharakter nach eine Stellungnahme, Widerspruch hört sich aber deutlich besser an.

Dann wandert dieser "Widerspruch" zur Widerspruchsstelle, die erlassen einen Widerspruchsbescheid mit "unzulässig" und das wars. Wenn man eine Stellungnahme schreiben will, sollte man nicht das Wort Widerspruch verwenden. Wir sind im Verwaltungsverfahren, wo fast alles einen Namen hat.

Zitat von: Ottokar am 27. September 2023, 19:04:04Eine vorläufige Einstellung der Zahlung mit einer isolierten Leistungsklage anzufechten, ist wegen der Verfahrensdauer nicht zielführend.
Hier geht man am besten mit einem einstweiligen Rechtsschutzersuchen vor und beantragt das JC zur (Weiter)Zahlung der bewilligten Leistung zu verurteilen. Den Beschluss kann man dann erforderlichenfalls auch vollstrecken lassen.

Du möchtest also ein Einstweiliges anhängig machen ohne dass es dazu eine Hauptsache gibt. Das wird so nicht funktionieren. Du brauchst die Leistungsklage als Hauptsache.
Titel: Aw: Vorläufige Einstellung ihrer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes
Beitrag von: Ottokar am 28. September 2023, 19:05:51
Zitat von: TripleH am 28. September 2023, 17:31:32Wir sind im Verwaltungsverfahren, wo fast alles einen Namen hat.
Und welchen würdest du hier empfehlen?

Zitat von: TripleH am 28. September 2023, 17:31:32Du möchtest also ein Einstweiliges anhängig machen ohne dass es dazu eine Hauptsache gibt. Das wird so nicht funktionieren. Du brauchst die Leistungsklage als Hauptsache.
Das ist Unsinn.
§ 86b Abs. 2 S. 2 SGG setzt weder ein Hauptsacheverfahren noch ein Widerspruchsverfahren voraus.
Titel: Aw: Vorläufige Einstellung ihrer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes
Beitrag von: Brotzeit am 29. September 2023, 09:40:32
Moin,

dann werde ich wohl den beigefügten Vordruck nehmen um mich zu äußern und dem Schreiben weiter keinen Namen geben.
Titel: Aw: Vorläufige Einstellung ihrer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes
Beitrag von: TripleH am 29. September 2023, 10:18:35
Zitat von: Ottokar am 28. September 2023, 19:05:51§ 86b Abs. 2 S. 2 SGG setzt weder ein Hauptsacheverfahren noch ein Widerspruchsverfahren voraus.

Aber natürlich brauchst du ein Hauptsacheverfahren. Auch bei § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG:

ZitatGemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteils notwendig erscheint. Die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes setzt in diesem Zusammenhang einen Anordnungsanspruch, also einen materiell-rechtlichen Anspruch auf die Leistung, zu der der Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet werden soll, sowie einen Anordnungsgrund, nämlich einen Sachverhalt, der die Eilbedürftigkeit der Anordnung begründet, voraus. Sowohl Anordnungsanspruch als auch Anordnungsgrund sind gemäß § 920 Abs. 2 der ZPO iVm § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG glaubhaft zu machen. Um einen Anordnungsgrund im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes glaubhaft zu machen, hat der Antragssteller darzulegen, welche Nachteile zu erwarten sind, wenn er auf den Ausgang des Hauptsacheverfahrens verwiesen wird. Ein wesentlicher Nachteil liegt nur vor, wenn der Antragsteller konkret in seiner wirtschaftlichen Existenz bedroht ist oder ihm sogar die Vernichtung der Lebensgrundlage droht. Auch erhebliche wirtschaftliche Nachteile, die entstehen, wenn das Ergebnis eines langwierigen Verfahrens abgewartet werden müsste, können ausreichen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27.10.2009, 1 BvR 1876/09 und Beschluss vom 19.12.2007, 1 BvR 2157/07 sowie. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 08.10.2007, L 9 B 150/07 AS ER, alle zitiert nach juris).

https://www.sozialgerichtsbarkeit.de/legacy/180530?modul=esgb&id=180530
Titel: Aw: Vorläufige Einstellung ihrer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes
Beitrag von: malsumis am 29. September 2023, 18:32:04
Zitat von: TripleH am 28. September 2023, 17:31:32Du möchtest also ein Einstweiliges anhängig machen ohne dass es dazu eine Hauptsache gibt. Das wird so nicht funktionieren. Du brauchst die Leistungsklage als Hauptsache.

Erzähl keinen Schwachsinn.
§ 86b Abs. 3 SGG: Die Anträge nach den Absätzen 1 und 2 sind schon vor Klageerhebung zulässig.
Titel: Aw: Vorläufige Einstellung ihrer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes
Beitrag von: TripleH am 29. September 2023, 19:14:54
Man muss den Absatz 3 auch verstehen. Den gibt es, weil z. B. bereits ein Verwaltungsverfahren (Antrag) oder ein Widerspruchsverfahren Hauptsache sein kann (und nicht erst nach x Monaten die darauf basierende Klage). Da hier das richtige Rechtsmittel aber nunmal die Leistungsklage ist, bedarf es nunmal der Klage als Hauptsache.
Titel: Aw: Vorläufige Einstellung ihrer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes
Beitrag von: Petra am 29. September 2023, 19:53:02
Zitat von: TripleH am 29. September 2023, 19:14:54Man muss den Absatz 3 auch verstehen. Den gibt es, weil z. B. bereits ein Verwaltungsverfahren (Antrag) oder ein Widerspruchsverfahren Hauptsache sein kann (und nicht erst nach x Monaten die darauf basierende Klage). Da hier das richtige Rechtsmittel aber nunmal die Leistungsklage ist, bedarf es nunmal der Klage als Hauptsache.
Titel: Aw: Vorläufige Einstellung ihrer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes
Beitrag von: Ottokar am 06. Oktober 2023, 12:07:22
Zitat von: TripleH am 29. September 2023, 19:14:54Da hier das richtige Rechtsmittel aber nunmal die Leistungsklage ist, bedarf es nunmal der Klage als Hauptsache.
Das ist und bleibt Unsinn.
Eine Hauptsacheklage dauert mindestens 12 Monate, die ist damit offensichtlich ungeeignet, um gegen den Entzug existenzsichernder Leistungen vorzugehen.
Ein Antrag auf eine einstweilige Anordnung nach § 86b Abs. 2 S. 2 SGG setzt weder ein Hauptsacheverfahren noch ein Widerspruchsverfahren voraus.
Genau darin liegt ja die Bedeutung einstweiligen Rechtsschutzes.
Titel: Aw: Vorläufige Einstellung ihrer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes
Beitrag von: TripleH am 06. Oktober 2023, 20:54:11
Du kannst gern diese Meinung haben. Ich fürchte nur, dass es ein Gericht nunmal so sieht:

ZitatUm einen Anordnungsgrund im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes glaubhaft zu machen, hat der Antragssteller darzulegen, welche Nachteile zu erwarten sind, wenn er auf den Ausgang des Hauptsacheverfahrens verwiesen wird

Link zur Entscheidung in einem meiner vorherigen Beiträgen.

Sinn und Zweck eines solchen Antrages ist es ja nunmal, dass eine vorläufige Regelung ergeht, damit die "12 Monate" bis zur Verhandlung der Hauptsacheklage überbrückt wird.
Titel: Aw: Vorläufige Einstellung ihrer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes
Beitrag von: malsumis am 07. Oktober 2023, 01:22:02
Ja, das Verstehen scheint bei einigen wohl das größte Handicap zu sein.
In der von dir rosinengepickten Passage geht es um die Glaubhaftmachung des Anordnungsgrundes.
Um einen Anordnungsgrund im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes glaubhaft zu machen, hat der Antragssteller darzulegen, welche Nachteile zu erwarten sind, wenn er auf den Ausgang des Hauptsacheverfahrens verwiesen wird.
Mit welcher verqueren Logik du hieraus entgegen dem eindeutigen Wortlaut des Abs. 3 eine Klage als Voraussetzung für einen Antrag nach Abs. 2 schlussfolgerst, ist dir wohl selbst nicht klar.
Wenn Helga schon solche Defizite beim Textverständnis hat, dann hätte sie sich das ganze auch aus der einschlägigen Rechtsprechung und Literatur herauslesen können. Aber auch dafür muss man wissen, wie und wo man suchen soll.
ZitatLSG Berlin-Brandenburg, 30.06.2022 - L 7 KA 8/22 ER:
Der Antrag ist zulässig. Er ist auf Erlass einer Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 SGG gerichtet und statthaft. Der Senat hat bereits entschieden, dass vorläufiger Rechtsschutz gegenüber den Richtlinien des Antragsgegners zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes eröffnet ist, wenn das durch den Eilrechtsschutz zu sichernde Hauptsacheverfahren auf Überprüfung einer Norm in Gestalt der Feststellungsklage gerichtet ist (Beschluss vom 26. Januar 2011, L 7 KA 79/10 KL ER). Die Zulässigkeit des Antrags setzt nicht voraus, dass die in der Hauptsache statthafte Feststellungsklage bereits erhoben worden ist (§ 86b Abs. 3 SGG, vgl. Burkiczak in: Schlegel/Voelzke, juris-PK-SGG, § 86b Rdnr. 351 f.). Dies gilt jedenfalls solange, wie das Klagerecht in der Hauptsache nicht verwirkt ist.
Titel: Aw: Vorläufige Einstellung ihrer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes
Beitrag von: Ottokar am 07. Oktober 2023, 09:41:56
Zitat von: TripleH am 06. Oktober 2023, 20:54:11Du kannst gern diese Meinung haben. Ich fürchte nur, dass es ein Gericht nunmal so sieht:
Das ist nicht meine Meinung, das ist Gesetz.

Zitat von: TripleH am 06. Oktober 2023, 20:54:11Sinn und Zweck eines solchen Antrages ist es ja nunmal, dass eine vorläufige Regelung ergeht, damit die "12 Monate" bis zur Verhandlung der Hauptsacheklage überbrückt wird.
Und genau da liegt dein Fehler, denn nicht nur das ist Sinn und Zweck eines solchen Antrages, sondern nur einer davon, wie § 86b Abs. 3 SGG klarstellt.

Nach § 86b Abs. 2 S. 2 SGG kann eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen werden.
Mit streitigem Rechtsverhältnis sind die Rechtsbeziehungen zwischen Personen oder Personen und Gegenständen gemeint.
Bei der Regelungsanordnung handelt es sich um zustandssichernde und zustandsverbessernde Maßnahmen.
Die Regelungsanordnung ist dabei zulässig, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint.
Die Regelungsanordnung ist dabei zulässig, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Sie kann eine Rechtsposition vorläufig begründen oder erweitern, z.B. die Verpflichtung zu einer weiteren Leistung aussprechen, allerdings kann sie auch eine Feststellung enthalten.

Auch hier müssen wie in § 86b Abs. 1 SGG die allgemeinen Prozessvoraussetzungen vorliegen. Demnach muss der Rechtsweg zu den Sozialgerichten gegeben sein und für den Fall einer weiteren Klageerhebung eine andere Klageart als die Anfechtungsklage vorliegen. Es gelten die allgemeinen Regelungen über die Beteiligtenfähigkeit und Prozessfähigkeit, es muss ein Rechtsschutzbedürfnis vorliegen und es ist ein Antrag erforderlich. Der Antrag ist dabei an keine besondere Form oder Frist gebunden, demnach gelten die allgemeinen Grundsätze.
Damit hier ein Rechtsschutzbedürfnis vorliegt, muss sich der Antragsteller zuvor schon an die Verwaltung gewandt haben, dort einen Antrag auf die Leistung gestellt und die normale Bearbeitungszeit abgewartet haben. Wenn die Sache sehr eilig sein sollte und der Antragsteller aus besonderen Gründen mit großer Wahrscheinlichkeit davon ausgehen kann, bei der Verwaltung kein Gehör zu finden, kann ausnahmsweise bereits ohne förmlichen Antrag auf die Leistung, ein Rechtsschutzbedürfnis bestehen.
Wenn ein Bescheid, welcher eine Leistung ablehnt, schon bestandskräftig ist, ist ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht zulässig. Der Antrag kann bereits vor der Klageerhebung in der Hauptsache gestellt werden, nach dem Erlass eines rechtskräftigen Urteils in der Hauptsache ist ein Antrag jedoch nicht mehr zulässig, außer es werden dabei neue Tatsachen glaubhaft gemacht. Auch kann ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung in einen Antrag auf einstweilige Anordnung umgedeutet werden.


Wie du schon richtig erkannt hast, ist aufgrund der vorläufigen Leistungseinstellung der Rechtsweg zum Sozialgericht in Form einer (echten) Leistungsklage eröffnet.
Aufgrund § 86b Abs. 3 SGG ist genau das als Voraussetzung für eine einstweilige Anordnung nach § 86b Abs. 2 S. 2 SGG bereits ausreichend, einer tatsächlichen Klageerhebung bedarf es hierzu nicht, es reicht die bloße Möglichkeit, dass eine Hauptsacheklage erhoben werden kann.
Eine zusätzliche tatsächliche Klageerhebung in der Hauptsache ist im Fall einer vorläufigen Leistungseinstellung nicht nur nicht erforderlich, sondern auch deshalb nicht zielführend, weil die vorläufige Leistungseinstellung nach § 40 Abs. 2 Nr. 4 SGB II i.V.m. § 331 SGB II aufgrund § 331 Abs. 2 SGB III nur für die Dauer von 2 Monaten zulässig ist, danach muss die Behörde eine abschließende Entscheidung treffen, also entweder einen Aufhebungsbescheid erlassen, oder die Zahlung rückwirkend wieder aufnehmen. Tut sie das rechtswidrig nicht, kann an dieser Stelle immer noch eine Leistungsklage erhoben werden.
Der Klagegrund einer Leistungsklage würde wegen § 331 Abs. 2 SGB II somit regelmäßig bereits spätestens 2 Monate nach Klageerhebung wieder entfallen, was die Leistungsklage ab dann unzulässig macht. Sofern man nicht aufgrund der besonderen Umstände beabsichtigt, die Klage dann als Fortsetzungsfeststellungsklage weiterzuführen, macht eine Leistungsklage bei einer vorläufigen Leistungseinstellung also keinen Sinn.
Ein Abwarten der 2monatfrist des § 331 Abs. 2 SGB III ist im Bereich der Grundsicherung allerdings absolut unzumutbar, weshalb hier eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 S. 2 SGG zulässig ist.
Im Falle einer vorläufigen Leistungseinstellung nach § 40 Abs. 2 Nr. 4 SGB II i.V.m. § 331 SGB II ist somit i.d.R. eine einstweilige Anordnung nach § 86b Abs. 2 S. 2 SGG sowohl ausreichend als auch das Mittel der ersten Wahl, um die 2monatfrist des § 331 Abs. 2 SGB III zu überbrücken.
Titel: Aw: Vorläufige Einstellung ihrer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes
Beitrag von: Brotzeit am 10. Oktober 2023, 17:01:17
Moin,

kurzer Zwischenbericht:die vorläufig eingestellten Leistungen wurden mir heute überwiesen. Schriftlich habe ich zur Sache bis dato nichts weiter erhalten.

Eine Einladung nach §59 SGB II in Verbindung mit §309 SGB III (Besprechung der beruflichen Situation) habe ich ohne mein Zutun in der Zwischenzeit auch erhalten.

Nochmal vielen Dank @Ottokar für die Formulierungshilfe.

Gruß
Brotzeit