LSG Mainz: EinV - Ohne vorherige Verhandlung kein Verwaltungsakt

Begonnen von Meck, 18. Mai 2016, 14:51:33

⏪ vorheriges - nächstes ⏩

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Meck

Jobcenter und Hartz-IV-Bezieher müssen über eine Eingliederungsvereinbarung auch tatsächlich eine Vereinbarung anstreben und über die einzelnen Punkte vorher verhandeln. Ohne Verhandlungen zumindest angeboten zu haben darf die Behörde eine Eingliederungsvereinbarung nicht einfach per Bescheid durchsetzen, entschied das Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz in einem kürzlich veröffentlichten Beschluss vom 9. Mai 2016 (Az.: L 6 AS 181/16 B ER).

-->> http://www.gegen-hartz.de/nachrichtenueberhartziv/hartz-iv-ohne-verhandlung-keine-egv.php

Beschluss als PDF -->> Beschluss vom 9. Mai 2016

Nachtrag: Hier im Elo-Forum nachlesbar, wo auch der Sachverhalt nochmals verlinkt wurde: LSG ordnet aufschiebende Wirkung meines Widerspruchs gegen EinV-VA vom 03.03.2016 an
LG Meck :bye:

oldhoefi

Der Bescheid sei schon deshalb rechtswidrig, weil er nicht Gegenstand von Verhandlungen gewesen sei.
[...]
Hier habe es zwar Verhandlungen über drei Entwürfe zu Eingliederungsvereinbarung gegeben. Der letztendliche Verwaltungsakt sei davon aber gravierend abgewichen, ohne dass darüber verhandelt worden sei. Grundlegende Änderungen müssten aber dem Betroffenen vorab schriftlich zur Prüfung unterbreitet werden.


Hach - das geht bei mir runter wie Öl. :cool:

Schön auch einmal direkt zu lesen, dass ein LSG mit dem neueren BSG-Urteil ein JC ,,abgewatscht" hat.

In diesem LSG-Beschluss wurde offensichtlich auch eine AGH gem. § 16d SGB II abgehandelt.

Deshalb würde ich gerne den Volltext dazu lesen, habe diesen aber auf die Schnelle leider nicht finden können.

Hat bitte irgend jemand diesen Volltext parat – danke Euch. *



*Anmerkung: Habe den Beschluss oben mal verlinkt. LG Meck

Unwissender

Nutzt nur leider allen nix, die nicht in Rheinland-Pfalz leben, weil die anderen JC in so einem Fall dann argumentieren, das das Urteil für sie nicht gilt!
Dumm darf man sein, man muss sich nur zu helfen wissen!

oldhoefi

Danke @Meck – das nenne ich einen prompten Service. :sehrgut:

----------

Zitat von: Unwissender am 19. Mai 2016, 09:18:52Nutzt nur leider allen nix, die nicht in Rheinland-Pfalz leben, weil die anderen JC in so einem Fall dann argumentieren, das das Urteil für sie nicht gilt!
Ach ja...

Das LSG stützt sich in seinen Ausführungen unmissverständlich auf das BSG-Urteil vom 14.02.2013 – B 14 AS 195/11 R.

Unwissender

Das mag sein! Den JC ist das aber egal, die berufen sich darauf, das es für sie außerhalb Rheinland-Pfalz nicht gilt und man müsste klagen! Dann könnte es besser ausschauen!

So einen Fall hatte ich erst, als ein Gerichtsurteil eines anderen LSG "herangezogen" wurde! Komischerweise argumentieren JC schon mit solchen Urteilen und die sollen dann plötzlich gelten ...  :teuflisch:
Dumm darf man sein, man muss sich nur zu helfen wissen!

oldhoefi

Zitat von: Unwissender am 20. Mai 2016, 09:24:58Das mag sein!
Mag es sein, dass Du den Beschluss des LSG nicht richtig liest?

Zitat von: Unwissender am 20. Mai 2016, 09:24:58Den JC ist das aber egal, die berufen sich darauf, das es für sie außerhalb Rheinland-Pfalz nicht gilt und man müsste klagen!
Wenn sich ein LSG auf ein BSG-Urteil stützt, worauf auch die Entscheidung des LSG basiert, dann argumentiert man mit dem BSG-Urteil und nicht mit dem LSG-Beschluss.

Zitat von: oldhoefi am 19. Mai 2016, 15:17:05Das LSG stützt sich in seinen Ausführungen unmissverständlich auf das BSG-Urteil vom 14.02.2013 – B 14 AS 195/11 R.
Dass ein BSG-Urteil bundesweit gilt und Vorrang vor einem LSG-Beschluss hat, muss ich aber nicht auch noch näher erläutern.

Das o. g. BSG-Urteil wird hier im Forum laufend angewandt, was Dir augenscheinlich komplett entgangen ist.

Orakel

Und nur mal so am Rande:

Allgemein bindend sind allein Entscheidungen des BVerfG, ansonsten sind Richter in ihrer Entscheidung grundsätzlich frei. So kann sich ein Gericht in Hamburg der Rechtsauffassung eines Gerichts in München anschließen ... oder auch nicht. Das ist tagtägliche Praxis, nahezu jedes Gerichtsurteil belegt dies ...

Ich kenne keinen Anwalt, der sagen würde: Die Argumentation finde ich überzeugend, nutzt bloß nix, weil das Gericht im benachbarten Bundesland liegt ...

Mit anderen Worten: Dies

Zitat von: Unwissender am 19. Mai 2016, 09:18:52
Nutzt nur leider allen nix, die nicht in Rheinland-Pfalz leben, weil die anderen JC in so einem Fall dann argumentieren, das das Urteil für sie nicht gilt!

kann in der Tat nur von einem Unwissenden stammen!

Unwissender

Dem ist nicht so! Denn genau mit den Urteilen hatte ich vor kurzem argumentiert, weil einem guten Freund eine EGV vorgelegt wurde, die er unterschreiben sollte, was er natürlich nicht tat, sondern eben "verhandeln" wollte, da sich unangemessene Forderungen darin befanden. Die Vermittlerin verweigerte dies, mit den Worten, das eine EGV nicht verhandelbar ist und ihm ein Verwaltungsakt droht, wenn er nicht unterschreibt.
Also kam der Verwaltungsakt, von uns ein Widerspruch, der trotz Hinweise auf genanntes Urteil zurückgewiesen wurde und somit nun eine Klage läuft, (auch gegen Sanktion wegen einer Veretzung der ihm auferlegten Pflichten aus dem Verwaltungsakt).
Die beantragte Aussetzung der Vollziehung kam nicht durch, so dass die 30% Sanktion trotzdem wirksam wurde!
Also hat sich hier das JC um dieses Urteil absolut nichts geschert ....
Dumm darf man sein, man muss sich nur zu helfen wissen!

Orakel

Zitat von: Unwissender am 23. Mai 2016, 11:27:05
Also hat sich hier das JC um dieses Urteil absolut nichts geschert ....

Das kann viele Ursachen haben. Vielleicht lag es einfach nur an deiner (schlechten) Argumentation oder der deines Freundes; vielleicht war der Tenor der Urteile auf den konkreten Sachverhalt schlicht nicht übertragbar. Letztlich ist ein Urteil eines LSG auch nicht für alle Jobcenter des gleichen Bundeslandes bindend. Eine Gerichtsentscheidung bindet grundsätzlich nur die im konkreten Fall streitenden Parteien des Verfahrens - wie geschrieben - mit Ausnahme von Entscheidungen des BVerfG.

ZitatIm deutschen Recht sind Gerichte an Urteile, die nicht im gleichen Rechtsstreit ergangen sind, nicht gebunden. In Deutschland können Gerichte von Urteilen des eigenen Gerichts oder anderer Gerichte, sogar der obersten Bundesgerichte (Bundesgerichtshof, Bundesarbeitsgericht, Bundesverwaltungsgericht, Bundesfinanzhof und Bundessozialgericht), abweichen. Eine Bindung gilt nur für bestimmte Urteile des Bundesverfassungsgerichts, die Gesetzeskraft erlangen. Gemäß Art. 97 Abs. 1 GG sind Richter nur dem Gesetz unterworfen. Eine Bindung an Präjudizien ist dem deutschen Recht fremd. Allerdings haben die Entscheidungen der Rechtsmittelgerichte, insbesondere der obersten Bundesgerichte, faktisch eine erhebliche Bindungswirkung, weil sich die Rechtsanwendung der Gerichte im Interesse der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens an der Rechtsprechung der Rechtsmittelgerichte orientiert.

Quelle

Hexe

Es soll vorkommen ,das SGs und LSG Urteile des BSG nicht verstehen .
LG Hexe
Ich erteile keine Rechtsberatung sondern gebe nur meine eigene Erfahrung weiter

Orakel

Die Befähigung zum Richteramt erwirbt, wer ein rechtswissenschaftliches Studium an einer Universität mit der ersten Prüfung und einen anschließenden Vorbereitungsdienst mit der zweiten Staatsprüfung abschließt; die erste Prüfung besteht aus einer universitären Schwerpunktbereichsprüfung und einer staatlichen Pflichtfachprüfung. (§ 5 Abs. 1 DRiG)

Also nicht durch googeln, knobeln am Stammtisch oder auf sonstige Weise!

oldhoefi

Zitat von: Unwissender am 23. Mai 2016, 11:27:05Denn genau mit den Urteilen hatte ich vor kurzem argumentiert
Plural?

Zitat von: Unwissender am 23. Mai 2016, 11:27:05sondern eben "verhandeln" wollte, da sich unangemessene Forderungen darin befanden
Ein ,,verhandeln wollen" alleine reicht nicht aus, man muss seine Einwände auch hinreichend begründen.

Insgesamt liest sich das für mich so, dass aufgrund der Aussage der SB der ersetzende EinV-VA stillschweigend ausgesessen wurde. Verbunden mit dem Gedanken, dass man (alleinig) mit dem BSG-Urteil durchkommt.

Zitat von: Unwissender am 23. Mai 2016, 11:27:05Also hat sich hier das JC um dieses Urteil absolut nichts geschert ....
Wenn keine begründeten Einwände gegen die vorausgegangene EinV vorgebracht wurden, hat das JC durchaus (weiterhin) die Möglichkeit, einen ersetzenden EinV-VA zu erlassen.

Das BSG-Urteil - falls dieses überhaupt gemeint ist - ist kein Freifahrtsschein gegen alle EinV. Wenn man sich gründlich damit auseinander gesetzt hätte, wäre einem das nicht entgangen.

Uns sind weder die genauen Sachverhalte noch die Argumentationen in den Schriftsätzen bekannt. Deshalb kann es viele Gründe gehabt haben, warum das JC und angeblich (!) auch das SG nicht diesem BSG-Urteil gefolgt sind.

Nichts desto trotz hat sich das LSG Mainz – um das es in diesem Thread geht – bei seiner Entscheidung auf dieses BSG-Urteil gestützt.