BVerfG: Hartz IV darf sich nach Einkommen von Angehörigen richten

Begonnen von Greywolf08, 07. September 2016, 12:14:52

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Greywolf08

Der Staat darf Hartz-IV-Leistungen niedriger ansetzen, wenn der Empfänger in einer sogenannten Bedarfsgemeinschaft von Familienangehörigen unterstützt wird. Das hat das Bundesverfassungsgericht entschieden. Von Eltern und Kindern, die im selben Haushalt zusammenleben, kann zum Beispiel ein gegenseitiges Einstehen erwartet werden, wie aus dem am Mittwoch veröffentlichten Beschluss hervorgeht. (Az. 1 BvR 371/11)...
Hartz IV darf sich nach Einkommen von Angehörigen richten

Gast29894

So ist es auch bei Elternunterhalt und Ehegatten.
Der Ehegatte hat das unterhaltspflichtige Kind ebenfalls zu unterstützen, damit mehr Einkommen als Unterhalt freigesetzt werden kann.

Quinky

Das ist aber NICHTS Neues!

!!! Vater und Sohn 21 Jahre besteht laut SGBII ohnehin eine BG, Daher wird grundsätzlich seit Jahren bis zum 25 LJ. des Sohnes (sofern er kein ausreichendes Einkommen hat)  nur 80% des Regelsatzes für den Sohn und für den Vater NUR der Regelsatz plus Mietanteil berücksichtigt.

Diese Entscheidung bestätigt lediglich den § 7 SGBII, nichts anderes.

Es geht NUR!!!!! um eine gemeinsame BG!!!!
Die Haushaltsgemeinschaft/Wohngemeinschaft usw. ist von diesem Urteil NICHT betroffen.

Somit ist die Überschrift: HartzIV darf sich nach Einkommen von Angehörigen richten
FALSCH!
Nur von Angehörigen, die laut Gesetz in einer gemeinsamen BG leben!!!! ist richtig, damit kein falschen Schlüsse gezogen werden.

Gruß
Ernie

MichaK

Regelbedarfsstufe 3:
Für eine erwachsene leistungsberechtigte Person, die weder einen eigenen Haushalt führt, noch als Ehegatte, Lebenspartner oder in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftsähnli-cher Gemeinschaft einen gemeinsamen Haushalt führt.

Allerdings besteht hier bei Leistungsberechtigten in der GS ein Anspruch auf die Regelbedarfsstufe 1.

Mir nicht erklärbar, wieso dieser Unterschied zwischen SGB II und SGB XII gemacht wird.

Luchs0

Wenn man dann noch liest,  dass der zivilrechtlich nicht unterhaltsverpflichtete Vater massive 615 Euro Erwerbsunfähigkeitsrente bezieht,  kommt einem dann erst richtig der Kaffee hoch.
Von diesen 615€ soll er dann noch seinen Sohn unterstützen.
Die Richter verstehen wohl nicht,  dass bei 615€ im Monat Einkommen kein überschüssiges Geld vorhanden ist.


Ottokar

Immer diese reißerischen Artikel in Bild-Manier.

In dem vom BVerfG verhandelten Fall ging es um die Altersgrenze nach § 7 Abs. 3 Nr. 2 SGB II, die Höhe des Eckregelsatzes nach § 20 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 SGB II und die Bedarfsanteilsmethode nach § 9 Abs. 2 SGB II.
Lt. BVerfG war die Heraufsetzung der Altersgrenze sowie die damit einhergehende Höhe des Eckregelsatzes nach § 20 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 SGB II zulässig.
Lt. BVerfG ist auch die Bedarfsanteilsmethode nach § 9 Abs. 2 SGB II zulässig.


Maßgeblich und wegweisend sind folgende Feststellungen des BVerfG:

Stehen Eltern und Kinder im konkreten Fall tatsächlich nicht füreinander ein, greift die Fiktion einer Bedarfsgemeinschaft zwischen ihnen nicht.

In Fällen, in denen das Existenzminimum durch die Familie tatsächlich nicht gewährleistet wird, ist daher auch die Zustimmung zum Umzug im Wege der Zusicherung nach § 22 Abs. 2a SGB II - heute nach § 22 Abs. 5 SGB II - zu erteilen.

Diese Feststellungen des BVerfG sind für die Praxis von großer Relevanz, denn die Jobcenter haben dies bislang gerade nicht so gehandhabt, wie es das BVerfG hier vorschreibt.
Meine Beiträge beinhalten oder ersetzen keine anwaltliche Beratung oder Tätigkeit.
Für eine verbindliche Rechtsberatung und -vertretung suchen Sie bitte einen Anwalt auf.



oldhoefi

Verfassungsbeschwerde gegen Berücksichtigung von Einkommen eines Familienangehörigen bei Gewährung von Grundsicherung erfolglos

Beim Zusammenleben im Elternhaus darf Erwerbsunfähigkeitsrente des Vaters auch auf Grundsicherungsleistung des erwachsenen Kindes angerechnet werden


Kann von Familienangehörigen, die in familiärer Gemeinschaft zusammen leben, zumutbar erwartet werden, dass sie "aus einem Topf" wirtschaften, darf bei der Ermittlung der Bedürftigkeit für die Gewährung existenzsichernder Leistungen unabhängig von einem Unterhaltsanspruch das Einkommen und Vermögen eines anderen Familienangehörigen berücksichtigt werden. Allerdings kann nicht in die Bedarfsgemeinschaft einbezogen werden, wer tatsächlich nicht unterstützt wird.

weiterlesen (runter scrollen) --> http://www.kostenlose-urteile.de/BVerfG_1-BvR-37111_Verfassungsbeschwerde-gegen-Beruecksichtigung-von-Einkommen-eines-Familienangehoerigen-bei-Gewaehrung-von-Grundsicherung-erfolglos.news23137.htm

Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 27.07.2016 - AZ: 1 BvR 371/11

oldhoefi

Zur Höhe der Regelleistung bei Schwangeren im Haushalt der Eltern

Üblich ist, schwangere junge Frauen, die im Haushalt der Eltern leben, (meist) mit der Regelbedarfsstufe 3 (80 % Regelbedarf) in Höhe von derzeit 324 EUR) und dem Schwangerenmehrbedarf entsprechend der jeweiligen Regelbedarfsstufe als sozialrechtlichen Bedarf zu berücksichtigen. Für diese Regelung gibt es keine dezidierte Rechtsgrundlage, sondern Handhabungspraxis. Allerdings bestimmt § 9 Abs. 3 SGB II, dass bei Schwangeren die elterliche Unterhaltspflicht im Haushalt entfällt. Eine Reihe von Schwangeren, auch aus Nicht-Hartz IV Haushalten, machen daher SGB II Leistungsansprüche geltend.

Nach herrschender Meinung gilt, die junge Frau begründet erst nach der Entbindung zusammen mit ihrem Baby eine eigene BG. Öfters kommt es anlässlich der Schwangerschaft zu Konflikten und Eltern weigern sich Unterhalt zu erbringen (was sie nach § 9 Abs. 3 SGB II auch nicht müssen).

Zu dieser Problematik möchte ich anregen.

Das BVerfG hat mit Beschluss vom 27.07.2016 festgestellt: ,,Weigern sich Eltern aber ernsthaft, für ihre nicht unterhaltsberechtigten Kinder einzustehen, fehlt es schon an einem gemeinsamen Haushalt und damit auch an der Voraussetzung einer Bedarfsgemeinschaft. Eine Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen scheidet dann aus; ein Auszug aus der elterlichen Wohnung muss dann ohne nachteilige Folgen für den Grundsicherungsanspruch möglich sein" (Pressemitteilung Nr. 60/2016 vom 07.09.2016, 2 c).

Im Ergebnis bedeutet dies, im Falle der Weigerung Unterhalt zu erbringen, was sie mit Hinweis auf § 9 Abs. 3 SGB II auch nicht müssen, entfällt der gemeinsame Haushalt und somit die BG und es ist in der Folge die Regelbedarfsstufe 1 von 100 % und der Schwangeren Mehrbedarf ausgehend von der Stufe 1 zu erbringen ist. Das macht einen Differenzbetrag von 93,60 EUR.

BVerfG, Beschluss vom 27.07.2016 – AZ: 1 BvR 371/11

Pressemitteilung 60/2016 vom 07.09.2016 --> http://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2016/bvg16-060.html

Volltext direkt --> http://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2016/07/rs20160727_1bvr037111.html;jsessionid=C72AD6DCE96DFD1163DC1A5FBA52F4E7.2_cid361

(Zitat und Quelle: Harald Thomé – Newsletter vom 20.11.2016)
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Gast29894

Zitat von: Luchs0 am 07. September 2016, 19:39:34
Wenn man dann noch liest,  dass der zivilrechtlich nicht unterhaltsverpflichtete Vater massive 615 Euro Erwerbsunfähigkeitsrente bezieht,  kommt einem dann erst richtig der Kaffee hoch.


Das waäre mir neu. Mein Partner bezieht eine EM-Rente und zahlt weder Unterhalt, noch die aufgelaufenen Schulden durch den Unterhaltsvorschuss zurück, da er unter dem Selbstbehalt von knapp € 900 (für Erwerbsunfähige) liegt.