BSG: Hartz IV Bezieher dürfen nicht sparen

Begonnen von Meck, 15. Oktober 2017, 08:36:14

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Meck

Keine Schonung für vom ,,Munde abgesparte" Lebensversicherung: BSG: Aus Hartz IV angespartes Vermögen ist zu verwerten.

Üben sich Hartz-IV-Bezieher in Konsumverzicht und geben ihr Geld lieber für eine private Renten- und Lebensversicherung zum Vermögensaufbau aus, haben sie Pech gehabt. Auch wenn sie sich die Versicherungsbeiträge ,,vom Munde abgespart" haben, müssen sie die Lebensversicherung grundsätzlich für ihren Lebensunterhalt verwerten, urteilte am Donnerstag, 12. Oktober 2017, das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel (Az.: B 4 AS 19/16 R). Eine Verwertung ist danach möglich, wenn der Wert des Vermögens über den gesetzlichen Freibeträgen für Hartz-IV-Bezieher liegt und mit der Versicherung kein Verwertungsausschluss vereinbart wurde.


-->> http://www.gegen-hartz.de/nachrichtenueberhartziv/hartz-iv-bezieher-duerfen-nicht-sparen.php
LG Meck :bye:

Ottokar

Es wird immer kurioser, denn hiermit hat das BSG nicht nur die sog. Ansparregelung des SGB II faktisch ad absurdum geführt, sondern auch den in § 20 Abs. 1 SGB II enthaltenen Grundsatz, wonach Leistungsempfänger eigenverantwortlich entscheiden dürfen und sollen, wie sie dieses Ansparungen realisieren.
Jedenfalls nicht über eine jederzeit beleihbare Kapitalanlage, wie in diesen Fall.
Also unter die Matratze damit, aber keinesfalls gewinnbringend anlegen.

Dazu muss man wissen, dass aus der Regelleistung u.a. die Ausgaben für Bekleidung und Schuhe, die Kosten für den Personalausweis und für die Ersatzbeschaffung langlebiger Wirtschaftsgüter wie Waschmaschinen, Kühlgeräte und Möbel angespart werden sollen.
Langlebige Wirtschaftsgüter haben je nach Nutzungsintensität und Qualität eine Lebensdauer von durchschnittlich 5 bis 10 Jahren. Auch der Personalausweis hat eine Geltungsdauer von 10 Jahren. D.h. in der Regelleistung für ein Jahr sind im Durchschnitt 1/10 bis 1/20 der Kosten für die Ersatzbeschaffung langlebiger Wirtschaftsgüter enthalten.
Betrachtet man nun nach einem Jahr Ansparung diese Rücklage bei einem Weiterbewillgungsantrag als Vermögen das den weiteren ALG II Anspruch mindert - wie es das BSG hier grundsätzlich tut - ist sowohl der Sinn als auch das Ziel des "vom Munde absparen" für die Ersatzbeschaffung dahin.

In Zahlen ausgedrückt bedeutet dies, dass bis zu 10% der monatlichen Regelleistung für Ersatzbeschaffungen langlebiger Wirtschaftsgüter, den Personalausweis oder auch hochwertigerer Kleidung und Schuhe angespart werden kann. Das sind bei Alleinstehenden derzeit 40,90€ und bei Partnern 36,80€. (Daher auch die 10%-Regelung in § 42a SGB II für die Aufrechnung von Darlehen für derartige Zwecke.)
Hat ein ALG II Bezieher nun das Pech, dass er bereits über Vermögen verfügt und seine Vermögensfreibeträge nicht mehr für die Ansparung von ALG II für die Ersatzbeschaffung langlebiger Wirtschaftsgüter, den Personalausweis oder auch hochwertigerer Kleidung und Schuhe einsetzen kann, hat er Pech und muss das dafür gesparte ALG II beim nächsten Weiterbewillgungsantrag zur Lebenshaltung aufbrauchen.
In der Praxis bedeutet dies, dass ALG II Bezieher keine Rücklagen für die Ersatzbeschaffung langlebiger Wirtschaftsgüter bilden dürfen. Der Gesetzgeber wird das sicher zum Anlass nehmen, bei der nächsten Regelsatzbemessung die Regelleistung um diese Positionen zu kürzen.
Meine Beiträge beinhalten oder ersetzen keine anwaltliche Beratung oder Tätigkeit.
Für eine verbindliche Rechtsberatung und -vertretung suchen Sie bitte einen Anwalt auf.


MichaK

Zitat von: Ottokar am 15. Oktober 2017, 13:08:26Der Gesetzgeber wird das sicher zum Anlass nehmen, bei der nächsten Regelsatzbemessung die Regelleistung um diese Positionen zu kürzen.

Wieso? Der Gesetzgeber ist doch der Gesetzgeber und das BSG nur der Deuter. Oder machen die Gerichte jetzt schon das Gesetz?

Gast30174

Das Urteil ist unmöglich. Es sollte jedem Leistungsbezieher total freistehen, ob und wie viel er aus seinem eigenen Regelsatz anspart. Dieses Urteil bedeutet, dass ein Leistungsbezieher nich frei über die Verwendung seines eigenen Regelsatzes entscheiden kann. Ist dies vereinbar mit der Verfassung?

Gast42062

Zitat von: Ottokar am 15. Oktober 2017, 13:08:26In der Praxis bedeutet dies, dass ALG II Bezieher keine Rücklagen für die Ersatzbeschaffung langlebiger Wirtschaftsgüter bilden dürfen. Der Gesetzgeber wird das sicher zum Anlass nehmen, bei der nächsten Regelsatzbemessung die Regelleistung um diese Positionen zu kürzen.

Das SGB II Gesetz ist theoretisch ja nur für kurzfristigen ALG2 Bezug ausgelegt, da braucht keiner Ansparen.

MichaK

war aber das BVerfG anderer Meinung. Ich las da was von unter 3 EUR für langlebige Gebrauchsgüter und der Gesetzgeber solle Unterdeckung vermeiden oder die Gerichte entsprechend auslegen, falls der Gesetzgeber nicht kurzfristig handelt.

Die Rechtsprechung kann ja nun die Webfehler des Gesetzgebers auch nicht heilen. So gesehen, könnte man auch solche Urteile als Aufforderung für den Gesetzgeber deuten.
Wenn der Gesetzgeber meint, die Bedarfe reichen zum Ansparen mittels Eigenverantwortung, hätte er dann mindestens den Vermögensfreibetrag entsprechend auch erweitern oder die besondere Härte konkretisieren müssen.
Genauso unmöglich wie bspw. die Anrechnung nachgezahlter Sozialleistungen als Einkommen, wo eine Härtefallregelung fehlt. Das hat mit Zuflussprinzip und Notlage nix mehr zu tun. Das ist einfach nur noch Raub.

Gast43697


MichaK

hilft auch nicht immer und außerdem sollte das Gesetz doch nicht das Verbrechen hervorrufen.

Angela1968

Ich weis nicht. Keiner geht drauf ein das es sich hier ja wohl nicht um eine LV wo ein Verwertungsausschluss nach dem 60. LJ. ging, sondertn wohl um eine Versicherung wo man quasi jederzeit rankommt. Also ist es ja keine privilegierte Versicherung für die Rentenvorsorge die dann sogar ein höheres Scvhonvermögen hat.

Oder sollte ich mich verlesen haben?

Angela

MichaK


Schnuffel01

Zitat von: Ottokar am 15. Oktober 2017, 13:08:26Also unter die Matratze damit, aber keinesfalls gewinnbringend anlegen.

Bei Al.i nord gibt es ab morgen einen Möbeltresor aus Qualitätsstahl mit elektronischem Zahlenschloss, frei wählbaren Code mit Doppelbolzenschloss und 2 Notschlüsseln für  29,99 €.
"Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter - Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt."   Jean-Claude Juncker

Die glücklichen Sklaven sind die erbittertsten Feinde der Freiheit.   Marie von Ebner-Eschenbach

Angela1968

Ok,

wenn ihr meint Euer Bargeld im Tresor verstauen zu müssen spricht nichts dagegen.

Ihr wisst aber schon das auch Barvermögen bei ALG II anzugeben ist?

Angela

MichaK

Zitat von: Schnuffel01 am 15. Oktober 2017, 16:15:27Möbeltresor aus Qualitätsstahl mit elektronischem Zahlenschloss, frei wählbaren Code mit Doppelbolzenschloss und 2 Notschlüsseln für  29,99 €.

zu schmächtig das Ding! Das reicht ja noch nicht mal für meine Goldbarren.  :lachen:

Schnuffel01

"Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter - Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt."   Jean-Claude Juncker

Die glücklichen Sklaven sind die erbittertsten Feinde der Freiheit.   Marie von Ebner-Eschenbach

Ottokar

Zitat von: Schnuffel01 am 15. Oktober 2017, 16:15:27
Zitat von: Ottokar am 15. Oktober 2017, 13:08:26Also unter die Matratze damit, aber keinesfalls gewinnbringend anlegen.

Bei Al.i nord gibt es ab morgen einen Möbeltresor aus Qualitätsstahl mit elektronischem Zahlenschloss, frei wählbaren Code mit Doppelbolzenschloss und 2 Notschlüsseln für  29,99 €.
Möbeltresore werden im Möbelstück verankert.
Um den aus MDF rauszubrechen braucht man ja nicht mal ein Nageleisen, da reicht einmal heftig ziehen oder kräftig drehen.
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