Sanktionen vom Jobcenter trotz Sperre vom Arbeitsamt

Begonnen von hb2211, 12. Februar 2022, 15:50:00

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BigMama

Eine Sperrzeit hat rein gar nichts mit einer vorläufigen Leistungseinstellung zu tun. Die Rechtsgrundlage und die FH hab ich hier verlinkt. Die Sperrzeit wird per schriftlichem VA festgestellt.
Die Welt wird nicht von skrupellosen Verbrechern, finstren Kapitalisten oder machtgierigen Despoten regiert, sondern von einer gigantischen, weltumspannenden RIESENBLÖDHEIT.
Wer´s nicht glaubt, ist schon infiziert.
(Michael Schmidt-Salomon, GBS-Sprecher)

Flip

Wenn die Agentur für Arbeit eine Sperrzeit verhängt hat, muss das Jobcenter zwingend eine Sanktion verhängen, sie hat da keine eigene Prüfkompetenz:

ZitatSoweit aus den Akten ersichtlich, ist im Rahmen des Leistungsbezugs nach dem SGB III für den Zeitraum vom 4. August 2005 bis 17. August 2005 eine Sperrzeit eingetreten. Gemäß § 31 Abs 4 Nr 3 Buchst a SGB II ist der Grundsicherungsträger insofern an die Feststellung einer Sperrzeit durch die Agentur für Arbeit gebunden. Dementsprechend wird dem Kläger für den Zeitraum der zweiwöchigen Sperrzeit Alg II nur in einem abgesenkten Umfang gemäß § 31 Abs 1 SGB II bewilligt werden können. Nach § 31 Abs 6 Satz 1 2. Halbsatz SGB II tritt jedenfalls im Fall des § 31 Abs 4 Nr 3 Buchst a SGB II Absenkung und Wegfall nach dem SGB II mit dem Beginn der Sperrzeit oder dem Erlöschen des Anspruchs nach dem SGB III ein. 

https://www.sozialgerichtsbarkeit.de/legacy/127025#suchwort=%C2%A7+31+Abs+4+Nr+3+Buchst+a+SGB+II+Sperrzeit




Heinz-Otto

Zitat von: BigMama am 12. Februar 2022, 20:52:55
Die Rechtsgrundlage und die FH hab ich hier verlinkt.

Du meinst das?
Zitatdie oder der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst oder durch ein arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat (Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe),
(3) Sperrzeitrelevante Lösungssachverhalte sind
eine Arbeitgeberkündigung wegen vertragswidrigen Verhaltens; arbeitsvertragswidriges Verhalten ist jede schuldhafte Verletzung der arbeitsrechtlichen Pflichten; ist für eine Entlassung der Verlust persönlicher Eigenschaften und Fähigkeiten des Arbeitnehmers ursächlich, liegt arbeitsvertragswidriges Verhalten nur vor, wenn der Verlust während desselben Arbeitsverhältnisses schuldhaft verursacht wurde.

Ich will doch nur verstehen, warum die Kündigungsschutzklage nicht abgewartet werden muss, bevor eine Sperrzeit verhängt werden darf. Bis dahin steht doch noch gar nicht fest, ob vertragswidriges Verhalten, oder sonstige Sperrgründe vorliegen. Ob das Arbeitsverhältnis tatsächlich beendet ist, kann nur das Gericht feststellen, wenn der AN die Kündigung nicht akzeptiert.

Eine KüSchuKlage kostet den AN Geld. Da zahlt nämlich jeder seine Kosten, unabhängig davon ob man gewinnt oder verliert Das macht er also nicht aus Spaß, wenn keine Erfolgsaussichten bestehen.

Es wäre hilfreich wenn der TE mal den Grund der Kündigung nennt.

hb2211

Ich fahre Taxi. Es besteht ein gesetzliches Rauchverbot im Taxi. Kunde hat behauptet das Auto habe nach Rauch gerochen und der Tabakrauch habe förmlich noch im Auto gestanden. Hatte bereits 2 Abmahnungen von denen die 2. unrechtmässig war. Widerspruch dagegen in der Personalakte. Ich habe unmittelbar VOR der Fahrt geraucht - also habe ICH nach Rauch gerochen und nicht das Auto - daher Kündigungsschutzklage mit sehr guten Erfolgsaussichten.
Ich verstehe nicht wieso man durch eine Sperre von ALG1 nochmal bestraft wird durch eine 30% Sanktion von ALG2
Man arbeitet jahrelang - zahlt Steuern und Arbeitslosenversicherung - fällt von einem eh schon geringen Mindestlohngehalt in lächerliche 60% vom Nettolohn ins ALG und wird doppelt bestraft. Das kann doch nicht rechtens sein

Ottokar

Zitat von: Heinz-Otto am 12. Februar 2022, 18:47:24
Die Beweggründe sind mir klar. mich interessiert die Rechtslage.
Ist doch das alte Thema, Einstellung der Leistungen, obwohl noch keine TATSACHEN bekannt sind.
Natürlich sind Tatsachen bekannt.
Es ist die Tatsache bekannt, dass der AN fristlos gekündigt wurde und genau diese Tatsache erlaubt sowohl Sperrzeit als auch Sanktion.
Ob die Kündigung rechtens ist oder nicht, diese Tatsache ist indes noch nicht bekannt, das wird erst arbeitsgerichtlich geklärt.
Meine Beiträge beinhalten oder ersetzen keine anwaltliche Beratung oder Tätigkeit.
Für eine verbindliche Rechtsberatung und -vertretung suchen Sie bitte einen Anwalt auf.


Flip

Zitat von: hb2211 am 13. Februar 2022, 07:27:00Man arbeitet jahrelang - zahlt Steuern und Arbeitslosenversicherung - fällt von einem eh schon geringen Mindestlohngehalt in lächerliche 60% vom Nettolohn ins ALG und wird doppelt bestraft. Das kann doch nicht rechtens sein

Doch, da es gesetzlich so normiert ist. Es gibt keinen Grund, dich im SGB II besser zu stellen, als eine Person, die in gleicher Sachlage den Job verliert, aber mangels 360 Tage Versicherungspflicht direkt ins Alg2 fällt. Der bekommt dann ja auch eine Sanktion.

Quinky

Unschuldige werden bestraft
Das komplette Rechtssystem Deutschlands wird außer Kraft gesetzt, DENN
In Deutschland ist "in dubio pro reo" gültig. Erst bei Schuldbeweis ist eine Verurteilung/Bestrafung möglich.
Beim ALGII werden Unschuldige SOFORT bestraft!
Durch die Arbeitsschutzklage gegen die fristlose Kündigung ist eben die Schuld des Arbeitsplatzverlustes (Entscheidend für eine Sanktion!!!) NICHT vorhanden!

hb2211

Dann sage ich mal Danke für die zahlreichen Antworten. Ich entnehme diesen, daß das gesetzlich wohl so geregelt ist und ich das schlucken soll/muss. Finde es trotzdem eine Frechheit. Bin doch durch die Sperre ALG1 schon bestraft.
Trotzdem noch eine Frage: Da die 30%-Sanktion ja auch den Bedarf für Miete/Heizung betrifft und ich ja den Strom schon aus diesem wenigen gekürzten Regelbedarf bezahlen muss - denkt ihr es macht dennoch Sinn Widerspruch einzulegen - wegen z.B. unzumutbarer Härte?? Es gibt doch auch sowas wie ein Existenzminimum. Von 60% netto ALG1 jetzt noch Sanktion von ALG2 - wie soll man das über 3 Monate bewältigen??

Heinz-Otto

Zitat von: hb2211 am 14. Februar 2022, 11:25:37
wie soll man das über 3 Monate bewältigen??

Die gehen davon aus, dass jeder so super viel verdienst, dass man sich locker so viel zurück legen kann, dass man einige Monate davon leben kann. DE ist ja schließlich kein Niedriglohnland? Wir verdienen in der EU, gemessen am BIP am besten in der EU.
Zudem ist es wichtiger, erst mal wichtiger Sozialleistungen zu kürzen. Die hohen Subventionen an die Wirtschaft müssen ja irgend wie bezahlt werden.

Wer Ironie findet, kann sich darüber Gedanken machen.


https://www.bpb.de/themen/arbeit/arbeitsmarktpolitik/322503/lohnentwicklung-in-deutschland-und-europa/
ZitatHier zeigt sich, dass die Einkommensungleichheit im Jahrzehnt 2008 bis 2018 weitergewachsen ist. So war das Einkommen der 20 Prozent der Bevölkerung mit den höchsten verfügbaren Äquivalenzeinkommen in 2018 um den Faktor 5,1 höher als das Einkommen der einkommensärmsten 20 Prozent der Bevölkerung (niedrigstes verfügbares Äquivalenzeinkommen). Deutschland liegt exakt auf diesem Ungleichheitsniveau, hier steigerte sich aber die Ungleichheit im Vergleich zur EU-27 deutlich dynamischer zwischen 2008 und 2018.

Interessant in der Entwicklungsdarstellung ist vor allem der Zeitraum seit 2001/2002. In diesen Jahren begannen die Diskussionen (insbesondere seitens der Vorstandsetagen deutscher Großbanken), dass das deutsche Gehaltsgefüge für Top-Manager zu niedrig wäre, um im internationalen Wettbewerb um die besten Köpfe zu bestehen. Aufgrund dessen nahmen nicht nur die Basisbezüge der Top-Manager, sondern auch die Vielfalt und Höhen von Bonusregelungen deutlich zu. Die Vergütungen der Top-Manager stiegen dadurch sprunghaft an und nicht selten auch die Anzahl der Vorstände.


Yavanna

Die 30% Sanktion gehen nur vom Regelsatz ab, nicht von den KDU.

hb2211

Ich blicke echt so langsam durch diese vielen Bescheide und Briefe nicht mehr durch. Die machen das extra - nur um einen zu zermürben. Greift mich langsam echt psychisch an

Fettnäpfchen

hb2211

Zitat von: hb2211 am 14. Februar 2022, 11:25:37denkt ihr es macht dennoch Sinn Widerspruch einzulegen
Nein

Zitat von: hb2211 am 14. Februar 2022, 12:17:17
Ich blicke echt so langsam durch diese vielen Bescheide und Briefe nicht mehr durch. Die machen das extra - nur um einen zu zermürben. Greift mich langsam echt psychisch an

Nicht umsonst soll man deswegen die VA`s anonymisiert hier einstellen.
Ansonsten Willkommen im Club.
Du bist ja nicht allein.

MfG FN
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Wer das Ziel kennt, kann entscheiden. Wer entscheidet, findet Ruhe. Wer Ruhe findet, ist sicher. Wer sicher ist, kann überlegen. Wer überlegt, kann verbessern. (Konfuzius)
Mach es: Sei stärker als deine stärkste Ausrede.

CCR

Zitat von: Flip am 13. Februar 2022, 11:28:32
Zitat von: hb2211 am 13. Februar 2022, 07:27:00Man arbeitet jahrelang - zahlt Steuern und Arbeitslosenversicherung - fällt von einem eh schon geringen Mindestlohngehalt in lächerliche 60% vom Nettolohn ins ALG und wird doppelt bestraft. Das kann doch nicht rechtens sein

Doch, da es gesetzlich so normiert ist. Es gibt keinen Grund, dich im SGB II besser zu stellen, als eine Person, die in gleicher Sachlage den Job verliert, aber mangels 360 Tage Versicherungspflicht direkt ins ALG2 fällt. Der bekommt dann ja auch eine Sanktion.
Wenn man bedenkt das aus 12 Wochen Sperre auch 1/4 des Anspruches werden kann, wo einer in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt hat wirds natürlich nochmal teurer im ALG 2

1 Bei älteren Arbeit­nehmern, die länger Anspruch auf ALG 1 haben, kürzt die Agentur die Dauer des Anspruchs um mindestens ein Viertel der Gesamtdauer (§ 148 Abs. 1 Nr. 4 SGB III). Bei einer Höchstdauer von 24 Monaten kann die Agentur deshalb bis zu 6 Monate den Anspruch auf ALG 1 mindern.
Quelle: Bundesagentur für Arbeit, Arbeitsmarkt 2018 (Stand: Oktober 2019)

Heinz-Otto

Tja, da spricht aber niemand von Enteignung. Alg 1 ist eine Versicherungsleistung, in die mancheiner über 40 .J einbezahlt hat.

zuber20

Zitat von: Heinz-Otto am 13. Februar 2022, 00:33:34
Zitat von: BigMama am 12. Februar 2022, 20:52:55
Die Rechtsgrundlage und die FH hab ich hier verlinkt.


Ich will doch nur verstehen, warum die Kündigungsschutzklage nicht abgewartet werden muss, bevor eine Sperrzeit verhängt werden darf.  ......




Also denke mal: das ist reine Willkür des Gesetzgebers. Da gibt es keine tiefere Logik. Man hat das so beschlossen, weil man das ok fand und deswegen darf man es so machen.

Das ist ja bei Rechtsangelegenheiten und Gesetzen oft so. Eigentlich immer. Es ist Willkür. Man beschließt Sachen so, weil die Mehrheit oder wie auch immer dafür ist.
Dann wird's wieder abgeschafft, neues wieder reglementiert usw.

Beispiel: Wieso gilt länger als 3 min. halten als >parken? - Man hätte auch 4 min. nehmen können.