EGV per Post erhalten, scheint mir einiges dubious.

Begonnen von Jennn, 16. Februar 2022, 13:36:44

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Jennn

Aloha,

ich hab per Post eine Eingliederungsvereinbarung bekommen.
Könnt ihr mir helfen, was soll ich eurer Meinung nach tun, bzw. was und wie beanstanden?  :help:
Einige Punkte davon kommen mir sehr dubious vor.

Unter Punkt 3 und 4 will man mich "vorrangig" als Burogehilfe vermitteln.
Ich habe allerdings eine abgeschlosse Berufsausbildung und viele Jahre Berufserfahrung,
wenn auch ich schon einige Zeit (fast 2 Jahre) ALG-2 beziehe.
Ich weiß jetzt nicht ob dies eine Rolle spielt, aber für mich klingt das nur, wir wollen Sie loswerden.
Sollte das vorrangige Ziel nicht immer sein, mich in meinen Beruf zu vermitteln, egal wie lange ich dort nicht mehr gearbeitet habe?

Desweiteren soll ich laut Punkt 4 für jede Bewerbungsaktivität im Vorfeld einen gesonderten Antrag auf Kostenübernahme stellen.
Sprich auch für jede einzelne schriftliche Bewerbung.
Das kann ja ein Spaß werden, wenn ich jede Woche ~4VV erhalte, ich dann 4 Anträge stellen muss, noch bevor ich mich Bewerben "darf".

Unter Punkt 5 soll ich alle Möglichkeiten nutzen um meine Hilfebedurftigkeit zu verringern.
Auch wenn dort einige Beispiele gelistet sind, unter alle Möglichkeiten kann man auch Bankraub verstehen.

Zusätzlich muss ich laut Punkt 5 jeden Rückmeldebogen schriftlich ausfüllen und zurückschicken.
Man könnte soetwas ja online machen, die Jobboerse hat ja ein wunderbares Onlinetool dafür.
Aber irgendwie möchte mein Sachbearbeiter noch mehr Post haben.

Dann soll ich auch noch 6 "Eigenbemühungen" pro Monat ableisten und die dann selbstverständlich jeden Monat auf ein Fixdatum
zu belegen sich. Weder finde ich 6 zusätzlich zu den VV's angemessen, noch eine monatlich Vorstellung meiner Aktivitäten.

Punkt 6 und 7 sind für mich irgendwie sinnbefreit und ergeben sich doch nach SGB-II von selbst und haben somit hier in der "Vereinbarung"
auch keine Daseinsberechtigung.


Ich wette da ist noch viel mehr drin was nicht ganz koscher ist.
Ich hoffe ihr könnt mir hier mit diesem Anliegen weiterhelfen und was ich dem netten Sachbearbeiter denn Antworten soll.

Lieben Gruß,
Jen

[Dateianhang durch Administrator gelöscht]

Jennn

Hat sich da schon jemand die EGV aus der Anlage anschauen können?
Ist ja auch nicht immer so viel Zeit dafür  :weisnich:

Lieben Gruß,
Jen

[Dateianhang durch Administrator gelöscht]

Ottokar

zu 4.

1. Absatz
Hier handelt es sich um eine bereits gesetzlich geregelte Pflicht (Vermittlung), die nicht im Ermessen des JC steht und damit nicht Inhalt einer EinV sein darf (§ 15 SGB II i.V.m. §§ 53 und 55 SGB X).

2. und 3. Absatz
Zulässig.

4. Absatz
Hier wird keine konkrete Leistung vereinbart, sondern auf die Beratungspflicht verwiesen.
Damit genügt diese Regelung nicht der Bestimmtheitsanforderung des § 15 Abs. 2 SGB II (vgl. auch B 14 AS 30/15 R) und beinhaltet mit der Beratungspflicht eine bereits gesetzlich geregelte Pflicht, die nicht im Ermessen des JC steht und damit nicht Inhalt einer EinV sein darf (§ 15 SGB II i.V.m. §§ 53 und 55 SGB X).

5. Absatz
Hier wird keine konkrete Leistung vereinbart, sondern eine mögliche Leistung angeboten, unter dem Vorbehalt einer separaten Genehmigung. Damit genügt diese Regelung nicht der Bestimmtheitsanforderung des § 15 Abs. 2 SGB II (vgl. auch B 14 AS 30/15 R).
Zudem handelt es sich nicht um eine originäre Engliederungsleistung, vielmehr wird das Eingliederungsinstrument der betrieblichen Erprobung zur Verwirklichung einer unbezahlten und damit sittenwidrigen Probearbeit missbraucht.

6. Absatz
Hier wird keine konkrete Leistung vereinbart, sondern eine mögliche Leistung angeboten, unter dem Vorbehalt einer separaten Genehmigung und weiterer nicht genannten Voraussetzungen. Damit genügt diese Regelung nicht der Bestimmtheitsanforderung des § 15 Abs. 2 SGB II (vgl. auch B 14 AS 30/15 R).
Zudem handelt es sich nicht um eine originäre Engliederungsleistung, da auf diese Leistung unter den im Gesetz genannten Voraussetzungen ein Rechtsanspruch besteht, womit diese nicht Inhalt einer EinV sein darf (§ 15 SGB II i.V.m. §§ 53 und 55 SGB X).


zu 5.

1. und 2. Absatz
Hier handelt es sich um bereits gesetzlich geregelte Pflichten (vgl. § 31 SGB II), die nicht im Ermessen des JC stehen und damit nicht Inhalt einer EinV sein dürfen (§ 15 SGB II i.V.m. §§ 53 und 55 SGB X).

3. Absatz
Zulässig.


zu 8.
Diese Regelung ist rechtswidrig.
Wie auch das BSG bereits klargestellt hat, darf eine EinV zwar "bis auf Weiteres" gelten, aber nur, wenn zusätzlich geregelt wird, dass diese EinV spätestens nach 6 Monate fortgeschrieben wird, ohne Wenn und Aber (B 14 AS 28/18 R).
Eine solche Regelung wurde hier nicht getroffen.
Vielmehr wurde geregelt, dass diese EinV auch nach Ablauf von 6 Monaten nicht fortgeschrieben werden muss, wenn es dafür keinen Bedarf gibt. Diesbezüglich hat das JC jedoch kein Ermessen.


Fazit
Wenn man die EinV auf die zulässigen Inhalte reduziert, verbleiben Eigenbemühungen und Bewerbungs- sowie Fahrtkostenerstattung.
Eine solche EinV ist lt. BSG wegen Formenmissbrauch rechtswidrig (B 14 AS 42/15 R).
Meine Beiträge beinhalten oder ersetzen keine anwaltliche Beratung oder Tätigkeit.
Für eine verbindliche Rechtsberatung und -vertretung suchen Sie bitte einen Anwalt auf.


Gast32644

@Jennn

Solltest du länger wie 5 Jahre aus dem Beruf raus sein, zählst du als ungelernt, weil deine Kenntnisse völlig veraltet sind. Da wirst du dann eher eine Chance haben, als Bürohilfe eingestellt zu werden.

Ich vermute, dass das bei dir der Fall ist, denn sonst würde das JC das nicht so machen.

a_good_heart

Zitat von: Ottokar am 19. Februar 2022, 14:37:23
zu 5.

3. Absatz
Zulässig.

Ähm,
Bewerbungsbemühungen an bzw. bis zu bestimmten Stichtagen vorzulegen, ist nicht zulässig, vgl. SG Neuruppin vom 15.11.2010 - S 18 AS 1569/10 ER. :scratch:
Wir leben alle unter dem gleichen Himmel, aber wir haben nicht alle den gleichen Horizont... (Konrad Adenauer)

Jennn

Irgendwie habe ich mit schon gedacht, dass sowas dabei rauskommt.
Scheinbar hat der SB die Maske mit allem unzulässigen gefunden und dies dann so 1:1 kopiert.

Alleine Punkt 10, den ich mir nochmal angeschaut habe, lässt mich an den schlechten Absichten des SB in keiner weise mehr zweifeln.
"Gemeinsam erarbeitet" wurde hier sicherlich nichts.
Und erklärungsbedurftige Punkte und Rechtsfolgen wurden eher gekonnt verschwiegen anstatt besprochen zu werden.
Einfach nur frech diese EGV...


Nun bleibt die Frage was jetzt zu tun ist.

EGV einfach nicht unterschreiben um dann den kommenden VA aufgrund der ganzen Punkte zu wiedersprechen,
oder den SB noch vor ablauf der 6-Tage Frist mit den ganzen Punkten zu konfrontieren, er solle sie doch bitte rechtskonform anpassen?
Fraglich ob er das tun wird, oder er formuliert das ganze nur irgendwie um.

Was wäre da der beste Plan?


Lieben Gruß,
Jen

a_good_heart

Zitat von: Jennn am 19. Februar 2022, 17:03:57Nun bleibt die Frage was jetzt zu tun ist.
Was wäre da der beste Plan?

Einen Gegenvorschlag machen und alles aufzählen, was nicht rechtskonform ist.
Das schafft erst mal etwas Zeit... :zwinker:
Kommt dann statt einer rechtskonformen EinV ein EinV-VA, muss der zwingend den gleichen Inhalt haben wie die jetzige EinV.
Und da kann man dann in Widerspruch gehen.
Wir leben alle unter dem gleichen Himmel, aber wir haben nicht alle den gleichen Horizont... (Konrad Adenauer)

Jennn

Hallo,

ich habe jetzt mal ein Antwortschreiben aufgesetzt,
ich hoffe das passt so.

Mag da nochmal jemand schnell drüberschauen ob das so ok ist oder ob was fehlt oder falsch ist?
Dann kann das heute noch raus  :mail:.

Lieben Gruß,
Jen

[Dateianhang durch Administrator gelöscht]

a_good_heart

#8
Sieht gut aus :zwinker:
Aber warte ruhig noch ein paar andere Meinungen ab...
Wir leben alle unter dem gleichen Himmel, aber wir haben nicht alle den gleichen Horizont... (Konrad Adenauer)

ErnestoDisput

Hast Du die EGV unterschrieben?
Nein - gut so!
Die EGV ist nämlich ohne Unterschrift nicht gültig. Bei einer gültigen muss da stehen "Eingliederungsvereinbarung als Verwaltungsakt" und diese enthält am Ende einen Rechtshinweis, dass Du dagegen Widerspruch einreichen kannst. Wie Ottokar das sehr gut dargelegt hat, was alles nicht richtig ist, würde ich das dann auch machen.

Aber Achtung. Wenn Du nun nichts machst, weil ungültig, könntest Du mehr Ärger bekommen. Ich würde per Brief antworten, dass Du die EGV so nicht akzeptiert. Als Gründe könntest Du dann die Argumente von Ottokar verwenden. Meist schreibe ich dazu, dass ich grundsätzlich mich einer EGV nicht verweigere und stelle dann meine eigenen Forderungen/Wünsche auf. Und sage dann, dass ich auch eine EGV als VA (Eingliederungsvereinbarung als Verwaltungsakt) akzeptieren würde. Wenn die kommt lege ich Widerspruch ein mit u.a. der Begründung das meine "Wünsche" nicht ausreichend berücksichtigt worden sind und noch ein paar Anregung hienzu :grins: die gegen die EGV sprechen, hier aus dem Forum.