Abschließende EKS - Jobcenter verlangt plötzlich Einkommensteuerbescheide

Begonnen von mahoney0, 11. August 2022, 20:16:56

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mahoney0

Liebe Forumsmitglieder,
ich habe ein Problem mit der abschließenden EKS  für 01 - 06/2022.
Bisher haben als Beleg immer Kontoauszüge (Bank und Paypal) ausgereicht, nun verlangt das Jobcenter plötzlich die Einkommensteuerbescheide von 2019 und 2020, die ich aber nicht besitze. Ich befürchte nun, wie im Schreiben unten angedroht, dass ich alle Leistungen zurückzahlen muss, trotz Anspruch (da nur geringes Einkommen).

Neben ALG2 habe ich geringe, schwankende Einkünfte (bleibt aber deutlich unter dem Freibetrag von 100€ pro Monat bzw 600€ pro Halbjahr), keine Ausgaben.
Ich beziehe ALG2 seit Herbst 2017, seitdem habe ich auch diese Einkünfte.

Darf das Jobcenter auf den Einkommensteuerbescheiden bestehen?
Ist die Mitwirkungspflicht nicht bereits durch die Kontoauszüge erfüllt, aus denen alle Einnahmen hervorgehen? ( ->Grenzen der Mitwirkung)
Warum möchte das JobCenter plötzlich die Einkommensteuerbescheide und warum ausgerechnet die von 2019 und 2020 für die EKS  von 2022? Welcher Zweck soll hier verfolgt werden?

Vielen Dank für Eure Hilfe

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castagir

"Es muss eine Einkommensteuererklärung abgegeben werden, wenn der Gesamtbetrag der Einkünfte (vgl. § 2 Einkommensteuergesetz) den sogenannten steuerlichen Grundfreibetrag von 9.000,00 Euro für 2018 bzw. 9.168,00 Euro für 2019 bzw. 9.408,00 Euro für 2020 bzw. 9.744,00 Euro für 2021 bzw. 9.984,00 Euro für 2022 übersteigt."

So kenne ich es...

ALGII ist KEIN zu versteuerndes Einkommen.



angi

Zitat von: mahoney0 am 11. August 2022, 20:16:56nun verlangt das Jobcenter plötzlich die Einkommensteuerbescheide von 2019 und 2020, die ich aber nicht besitze.
Dann schreibe dem JC, dass du sie nicht hast.
Allerdings solltest du sie haben, wenn du in den betreffenden Jahren zusätzliches Einkommen (mehr als 410 €) ausser ALG 2 hattest.
Weil man dann verpflichtet ist, eine Einkommenssteuererklärung abzugeben.


PetraL

Zitat von: castagir am 11. August 2022, 22:54:23Es muss eine Einkommensteuererklärung abgegeben werden
Zitat von: angi am 12. August 2022, 13:14:47Weil man dann verpflichtet ist, eine Einkommenssteuererklärung abzugeben.
Darf ich mal rein interessehalber fragen, warum für 2022 die Einkommenssteuerbescheide von 2019 und 2020 von Interesse sein sollen?
Wozu braucht denn ein Jobcenter die?
Ich meine, es geht doch um die EKS 01-06 von 2 0 2 2  ???
:scratch:  :weisnich:

Zitat von: mahoney0 am 11. August 2022, 20:16:56Ich beziehe ALG2 seit Herbst 2017, seitdem habe ich auch diese Einkünfte.
Dann müsstest du da doch auch eine Einkommenssteuererklärung abgegeben haben? Oder hast du die Bescheide nur einfach verlegt/verloren?
Und du müsstest die Einkünfte doch dann auch beim JC angegeben und entsprechend belegt haben? Also müssten die das doch eigentlich haben?  :scratch:

Hier im Forum wird für "merkwürdige" und übertriebene Unterlagenforderungen immer wieder empfohlen, nach dem Grund für die Datenerhebung zu fragen (Stichwort "Kontoauszüge") - das würde ich an deiner Stelle auf jeden Fall machen, wäre wirklich interessant zu wissen ...
Was du nicht hast, kannst du leider auch nicht vorlegen. Allerdings erteilt das Finanzamt doch bestimmt gerne entsprechende Auskünfte bzw. kann Zweitschriften ausfertigen oder sowas?
Hier in Deutschland werden doch die unmöglichsten Daten für Jahrzehnte oder sogar Jahrhunderte gespeichert, da sollte sich doch ein Bescheid (in Zweitschrift) nochmal irgendwie besorgen lassen?  :weisnich:

justine1992

Zitat von: PetraL am 13. August 2022, 11:01:21Darf ich mal rein interessehalber fragen, warum für 2022 die Einkommenssteuerbescheide von 2019 und 2020 von Interesse sein sollen?
Wozu braucht denn ein Jobcenter die?
Ich meine, es geht doch um die EKS 01-06 von 2 0 2 2  ???
Um sicherzugehen, dass es keine (nicht-gemeldete) Rückzahlung gab.
Ich freue mich, wenn es regnet, denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch.

PetraL

Zitat von: justine1992 am 13. August 2022, 11:15:23
Zitat von: PetraL am 13. August 2022, 11:01:21Darf ich mal rein interessehalber fragen, warum für 2022 die Einkommenssteuerbescheide von 2019 und 2020 von Interesse sein sollen?
Wozu braucht denn ein Jobcenter die?
Ich meine, es geht doch um die EKS 01-06 von 2 0 2 2  ???
Um sicherzugehen, dass es keine (nicht-gemeldete) Rückzahlung gab.
Äh, die wäre doch wohl in den vorgelegten Kontoauszügen aufgetaucht?  :nea:
Warum wird ALGII-Beziehern eigentlich immer Betrug unterstellt?  :sad:

angi

Zitat von: PetraL am 13. August 2022, 11:01:21Darf ich mal rein interessehalber fragen, warum für 2022 die Einkommenssteuerbescheide von 2019 und 2020 von Interesse sein sollen?
Wozu braucht denn ein Jobcenter die?
Ich wollte sagen, dass der TE dem Finanzamt gegenüber verpflichtet war/ist. Natürlich ist er nicht dem JC gegenüber verpflichtet, eine Einkommenssteuererklärung abzugeben.
Wenn der TE damals seine ESt-Erklärung gemacht hätte, dann würde sie ja noch im Elster-Postfach liegen.
Und weil er schreibt, er hat sie nicht, ging ich davon aus, er hat sie nicht gemacht.

Primus von Quack

Auf welchen Tag wurde das Schreiben denn datiert?
Ich gehe mal davon aus, dass das Schreiben noch nicht so lange auf dem Tisch liegt. Die Fristsetzung der Einreichung dürfte demnach zu kurz sein. Eine Frist unter einem Monat ist generell als zu kurz bemessen. In der Regel geht man von einer Frist von zwei Monaten aus, kann aber auch länger sein. Die Fristsetzung ist Einzelfallbezogen.

Die Forderung nach der Einkommensteuererklärung für die Jahre 2019 und 2020 dürfte im Rahmen der Feststellung des tatsächlichen Einkommens unzulässig sein. Es sei denn, die Einkommensteuererklärung ist Bestandteil der Begründung zur vorläufigen Leistungsbewilligung und selbst dann muss es dafür auch einen leistungserheblichen Grund geben. Gefordert werden die Unterlagen aber ausschließlich in Zusammenhang mit der Selbstständigkeit. Im Hinblick dessen, dass das Steuerrecht bei der Ermittlung des Einkommens aus selbständiger Tätigkeit keine Rolle spielt, ist die Forderung nach den Unterlagen fraglich.

Davon abgesehen müsstest du eine Einkommensteuererklärung abgeben. Bestand denn 2019 und 2020 die Selbstständigkeit?

Ergänzend zur Fristsetzung sei angemerkt, dass auch ansonsten die Rechtsfolgebelehrung die Anforderung des § 41a Abs. 3 SGB II nicht erfüllen dürfte. Insbesondere die Feststellung des SB, dass er Feststellung muss, dass kein Leistungsanspruch bestand, ist nicht korrekt. Denn es besteht auch noch die Möglichkeit, dass teilweise kein Anspruch auf Leistungen bestand. Ohne korrekte Fristsetzung und Rechtsfolgebelehrung wäre auch die Forderung nach Erstattung der Leistungen aufgrund fehlender Nachweise bereits rechtswidrig bzw. sogar nichtig.

Diese Gedankenspielchen sind bei dir aber nicht relevant, da du nach eigenen Angaben im Durchschnitt bereits unter den 600,- € liegst.
Als Nachweis für das Einkommen aus selbständiger Tätigkeit reichen die Kontoauszüge als Nachweis regelmäßig nicht aus. Du musst ja auch Rechnungen haben etc..
Wenn du für die abschließende EKS noch mehr Zeit benötigst, würde ich in deinem Fall um eine Fristverlängerung bitten. Was die Einkommensteuererklärung betrifft, kannst du vom § 14 u. 15 SGB I gebrauch machen und um Begründung der Forderung bitten.

Der ganze Aufwand lohnt sich letztendlich nur, wenn du Ausgaben oder weniger Einnahmen wie prognostiziert hast bzw. eine Erstattung wahrscheinlich ist.

Yavanna

Zitat von: Primus von Quack am 14. August 2022, 16:13:41Auf welchen Tag wurde das Schreiben denn datiert?
Ich gehe mal davon aus, dass das Schreiben noch nicht so lange auf dem Tisch liegt. Die Fristsetzung der Einreichung dürfte demnach zu kurz sein. Eine Frist unter einem Monat ist generell als zu kurz bemessen. In der Regel geht man von einer Frist von zwei Monaten aus, kann aber auch länger sein. Die Fristsetzung ist Einzelfallbezogen.
...

Da wüsste ich gerne mal die Rechtsgrundlage zu oder entsprechende Urteile

Primus von Quack

Ich habe erst überlegt, ob ich überhaupt darauf reagiere. Liest sich etwas harsch und nicht wie eine Bitte oder so. Mehr wie ein grundsätzliche infrage stellen, dann hättest du durchaus auch selbst mal eine Suchmaschine bedienen können.
Bei einer freundlichen Frage etc. bin ich gerne bereit meine Quelle offenzulegen oder durch eine Entscheidung zu ergänzen.

Spontan habe ich jetzt z.B. diese Entscheidung gefunden:
SG für das Saarland, Urteil vom 09.10.2020 - S 26 AS 809/18

Außerdem z.B.:
ZitatWelche Frist angemessen ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach dem Umfang der nachzuweisenden Tatsachen (vgl. jurisPK-SGB II/Grote-Seifert Rn. 50 mwN: grds. zwischen einem und zwei Monaten; ebenso Hauck/Noftz/Hengelhaupt, 8/2020, Rn. 347 mwN). Die Mitwirkungsobliegenheit muss innerhalb der Frist erfüllbar sein. Die Belehrung über die Rechtsfolgen muss konkret und unmissverständlich sein, so dass der Betroffene erkennen kann, welche Folgen drohen. Der Hinweis auf die Rechtsfolgen muss allerdings auf den individuellen Fall des Betroffenen bezogen sein. Zwar sehen S. 3 und 4 anders als § 66 Abs. 1 SGB I keine Ermessens-, sondern eine gebundene Entscheidung vor; jedoch sind die in S. 3 und 4 angeordneten Rechtsfolgen erheblich gravierender als diejenigen in § 66 Abs. 1 S. 1 SGB I (vgl. Hauck/Noftz/Hengelhaupt, 8/2020, Rn. 350 ff.; Gagel/Kallert, SGB II/SGB III, 2/2021, Rn. 88; aA Formann SGb 2016, 615 (617); anders auch noch die Voraufl. → Rn. 46). Die Fristsetzung und Rechtsfolgenbelehrung müssen schriftlich erfolgen.
Eicher/Luik/Harich/Kemper, 5. Aufl. 2021, SGB II § 41a Rn. 41-52

Yavanna

SG Urteile sind für die BA nicht bindend.
Außerdem handelt es sich um eine Einzelfallentscheidung. Alles andere würde implizieren, dass alle Aufforderungen zur Miwirkung (von denen mir einige hier im Zentrum vorgelegt werden), rechtswidrig sind. Die Frist beträgt regelmäßig 14 Tage, bzw. 17 inkl Postweg.

Wenn eine Frist nicht eingehalten werden kann, gebietet es da nicht der gesunde Menschenverstand um Verlängerung zu bitten?
Unabhängig, ob die Est-Erkläurung notwendig ist. Wenn man den Bescheid nur aus einem Ordner ziehen muss, ist die Frist mehr als ausreichend.  Wenn die Erklärungen auch noch gemacht werden müssen, sind auch 2 Monate zu wenig

Primus von Quack

Zitat von: Yavanna am 15. August 2022, 06:42:36SG Urteile sind für die BA nicht bindend.
Du fragst nach entsprechenden Urteilen und bringst du das Argument, dass die nicht bindend sind für die BA? Natürlich kann sich weder die BA noch die gemeinsamen Einrichtungen oder Optionskommunen über die Rechtsprechung stellen. Ob bereits örtlich ein SG oder LSG eine Entscheidung gefällt hat, müsste überprüft werden.

Es ist gängige Rechtsprechung, dass die Fristsetzung unter einem Monat als nicht angemessen angesehen wird. Auch die Fachliteratur hat diesen Punkt aufgegriffen.

Hauck/Noftz/Hengelhaupt, 8/2020, Rn. 347
jurisPK-SGB II/Grote-Seifert Rn. 50
Eicher/Luik/Harich/Kemper SGB II § 41a Rn. 41-52


z.B. auch SG Augsburg (8. Kammer), Urteil vom 03.07.2017 - S 8 AS 400/17 - 2 Monate

Zitat von: Yavanna am 15. August 2022, 06:42:36Außerdem handelt es sich um eine Einzelfallentscheidung. Alles andere würde implizieren, dass alle Aufforderungen zur Miwirkung (von denen mir einige hier im Zentrum vorgelegt werden), rechtswidrig sind. Die Frist beträgt regelmäßig 14 Tage, bzw. 17 inkl Postweg.
Mit der Frist von 14 Tagen dürften die Aufforderungen daher regelmäßig und faktisch rechtswidrig sein.

Zitat von: Yavanna am 15. August 2022, 06:42:36Wenn eine Frist nicht eingehalten werden kann, gebietet es da nicht der gesunde Menschenverstand um Verlängerung zu bitten?
Wie schon erwähnt, besteht die Möglichkeit natürlich und deshalb habe ich auch empfohlen, dass wenn der TE noch mehr Zeit benötigt, um eine Fristverlängerung bitten kann.

Ab dem Punkt, an dem man erkennt, dass Leistungen erstattet werden müssen, sollte man die Rechtsfolgebelehrung und die Fristsetzung sehr genau unter die Lupe nehmen.

TripleH

Zitat von: Yavanna am 15. August 2022, 06:42:36SG Urteile sind für die BA nicht bindend.
Außerdem handelt es sich um eine Einzelfallentscheidung. Alles andere würde implizieren, dass alle Aufforderungen zur Miwirkung (von denen mir einige hier im Zentrum vorgelegt werden), rechtswidrig sind. Die Frist beträgt regelmäßig 14 Tage, bzw. 17 inkl Postweg.


Du verwechselst anscheinend Fristen wegen einer normalen Mitwirkung nach § 60 ff. SGB I mit der Frist zur Abgabe der Unterlagen für die endgültige Festsetzung nach § 41a Abs. 3 SGB II. Selbst die Fachlichen Weisungen der BA zu § 41a (Rz. 41a.23) besagen ja bei Selbständigen 2 Monate:

ZitatSpätestens aber mit Ende des Bewilligungszeitraums ist unter Setzung einer einzelfallabhängigen angemessenen Frist (z. B. zwei Monate bei Selbständigen) und dem schriftlichen Hinweis auf mögliche Rechtsfolgen hierzu aufzufordern.