Sammelthema: Hartz IV wird zu Bürgergeld, zu mehr wird's nicht

Begonnen von Ottokar, 15. August 2022, 14:07:27

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Ottokar

#30
Zitat von: Yasha am 16. August 2022, 13:59:48Ich vertraue da eher auf die letzte aktuelle Meldung, was den Kooperationsplan anbelangt:

Zitat,,Anders als die bisherige Eingliederungsvereinbarung ist er keine rechtliche Grundlage für Leistungsminderungen."

https://www.hartziv.org/news/20220815-buergergeld-neuerungen-kooperationsplan-und-vertrauenszeit/
Diese Aussage ist bestenfalls unvollständig, insgesamt gesehen falsch.

Beweis (Quelle: Bürgergeld-Gesetz und Begründung):
Zitat§ 31 Pflichtverletzungen
(1) Erwerbsfähige Leistungsberechtigte verletzen ihre Pflichten, wenn sie trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis
1. sich weigern, den Mitwirkungspflichten im Sinne des § 15a Absatz 3 Satz 1 oder Absatz 5 Satz 1 nachzukommen,

Zitat§ 15a Absatz 2 Satz 1
Die Vertrauenszeit endet, wenn die leistungsberechtigte Person die im Kooperationsplan festgehaltenen Absprachen ohne wichtigen Grund nicht einhält.

Zitat§ 15a Absatz 3 Satz 1
Nach dem Ende der Vertrauenszeit soll die Agentur für Arbeit die erwerbsfähige leistungsberechtigte Person schriftlich unter Erläuterung der Rechtsfolgen zur Vornahme von notwendigen Mitwirkungspflichten wie Eigenbemühungen, Teilnahme an Maßnahmen oder Bewerbung auf Vermittlungsvorschläge auffordern.

ZitatDie Eingliederungsvereinbarung im SGB II wird durch einen von Leistungsberechtigen und
Integrationsfachkräften gemeinsam erarbeiteten Kooperationsplan abgelöst. Dieser wird
von rechtlichen Folgen entlastet und dokumentiert in klarer und verständlicher Sprache die
gemeinsam entwickelte Eingliederungsstrategie. Er dient damit als ,,roter Faden" im Einglie-
derungsprozess und stellt ein Kernelement des Bürgergeld-Gesetzes dar. Im Hinblick auf
vereinbarte Mitwirkungspflichten (Eigenbemühungen, Maßnahmeteilnahmen und Bewer-
bungen auf Vermittlungsvorschläge) wird die Selbstverantwortung der Leistungsberechtig-
ten und ihre Vertrauensbeziehung zur Integrationsfachkraft gestärkt. Ziel ist eine vertrau-
ensvolle Zusammenarbeit. Es gilt mit Abschluss des Kooperationsplans eine Vertrauens-
zeit. Den Leistungsberechtigten wird für die ersten sechs Monate dieser Vertrauenszeit ga-
rantiert, dass keine Anordnung von Maßnahmen mit Rechtsfolgenbelehrung ergehen. Statt-
dessen wird in diesem Zeitraum ganz besonders auf eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe
und Vertrauen gesetzt. Erst wenn nach den ersten sechs Monaten der Vertrauenszeit Ab-
sprachen zu Mitwirkungspflichten (Eigenbemühungen, Maßnahmeteilnahmen und Bewer-
bungen auf Vermittlungsvorschläge) nicht eingehalten werden, sollen diese Pflichten recht-
lich verbindlich durch Aufforderungen mit Rechtsfolgenbelehrungen festgelegt werden.

Sobald eine im Kooperationsplan festgelegte Plicht nicht erfüllt wird, endet die Vertrauenszeit (frühestens nach 6 Monaten) und die Einhaltung der im Kooperationsplan festgelegten Plichten wird mittels Verwaltungsakt eingefordert. Ab der danach folgenden 2. und jeder weiteren Pflichtverletzung wird sanktioniert.
Grundlage für die Sanktion ist in dieser Normenkette klar der Kooperationsplan nach § 15 SGB II, der Mitwirkungs-VA nach § 15a SGB II gießt diesen Inhalt dann lediglich in einen VA gleichen Inhalts, welcher dann als Basis für Sanktionen dient.
Ziel ist es offensichtlich, den Kooperationsplan rechtlich nicht angreifbar zu machen, erst der feststellende Verwaltungsakt wäre dann angreifbar.
Ob dies funktioniert, halte ich für höchst fraglich und bleibt abzuwarten, denn auch wenn der Kooperationsplan nicht unterzeichnet wird, so handelt es sich inhaltlich doch um einen Vertrag nach §§ 53 ff SGB X. Ansonsten würde ja auch die rechtliche Grundlage für den Erlass eines Verwaltungsaktes fehlen, der die Erfüllung der im Kooperationsplan vereinbarten Pflichten einfordert.
Insgesamt ist dieses Konstrukt rechtlich höchst fragwürdig, denn ich sehe so oder so keine rechtliche Grundlage für den Erlass eines VA zur Einforderung von zuvor außerhalb eines verbindlichen öffentlich-rechtlichen Vertrages freiwillig vereinbarten Pflichten.
Das Ganze ergibt nur dann Sinn, wenn man es getrennt betrachtet:
1. zuerst versucht das JC es im Einvernehmen mit dem Kooperationsplan, und wenn das nicht funktinoniert kommt stattdessen
2. der Mitwirkungs-Verwaltungsakt.
Das entspräche der bisherigen Verfahrensweise: erst EinV-Vertrag, dann EinV-VA.
Aber auch das funktioniert nach dieser Logik nicht, da der Kooperationsplan ja trotz Mitwirkungs-Verwaltungsakt weiter gilt, da bei nachträglicher Kooperation wieder darauf zurückgegriffen wird. D.h. Kooperationsplan und Mitwirkungs-Verwaltungsakt wirken parallel und zusammen.
Das funktioniert rechtlich aber nicht, wenn der Kooperationsplan nur eine Absichtserklärung darstellt, denn auf eine bloße Absichtserklärung kann man keinen (Mitwirkungs-)Verwaltungsakt gründen.
Egal wie ich es drehe und wende, es passt einfach nicht.

Übrigends ist das bisherige Verfahren ganz ähnlich, denn es wird nicht direkt aus der EinV heraus sanktioniert, sondern aufgrund des Bescheides, welcher die Pflichtverletzung feststellt, dieser dient dann als rechtliche Grundlage für die Feststellung der Minderung.
Meine Beiträge beinhalten oder ersetzen keine anwaltliche Beratung oder Tätigkeit.
Für eine verbindliche Rechtsberatung und -vertretung suchen Sie bitte einen Anwalt auf.


Yasha

#31
Bürgergeldgesetz, Seite 3

Zitat... Erst wenn nach den ersten sechs Monaten der Vertrauenszeit Absprachen zu Mitwirkungspflichten (Eigenbemühungen, Maßnahmeteilnahmen und Bewerbungen auf Vermittlungsvorschläge) nicht eingehalten werden, sollen diese Pflichten rechtlich verbindlich durch Aufforderungen mit Rechtsfolgenbelehrungen festgelegt werden

Quelle:

http://www.portal-sozialpolitik.de/uploads/sopo/pdf/2022/2022-07-21_Buergergeld_Gesetz_RefE.pdf

Was, wenn es keine Einigkeit zu Absprachen vorher gab? Wenn da irgendwelche Absprachen sowieso dann ggf. in einem VA landen, dann werden dort deren alleinige Absprachen der IFK landen müssen, die dann gerichtlich überprüfbar wären, meinem Verständnis nach. Und meiner ergänzenden Einschätzung nach, da werden die teuer systemisch geschulten JC Mitarbeiter von Ihrem hoheitlichen Umgang nicht abweichen wollen oder können.  Jedenfalls sind mir bislang keine entsprechenden Schulungen bekannt, die eine anderweitige Annahme rechtfertigen.

Nachtrag:

Übrigens quellen manche OK Pläne für Langzeitarbeitslose schon jetzt über, mit hilflosen und fatalistischen Einstellungen des JC, bezüglich deren Eingliederung.

Sinngemäß wird sofort moniert, dass ja bei Nutzung der Eingliederungsinstrumente Vermittlungserfolge fast immer ausblieben. Die Verbleibswahrscheinlichkeit des Langzeitarbeitslosen stiege dadurch an. Die Hemmnisse ebenfalls, die sich dann weiter verfestigen. Deren Behebung würde zunehmend kostenintensiver werden- bis zur Unmöglichkeit der Reversibilität.

Soweit sinngemäß der postulierte Alarmismus aus dem aktuellem Arbeitsmarktprogramm 2022, Abteilung Perspektiven bis 2027, einer Ok zwischen Dortmund und Münster.

Welche Absprachen sollen denn da ernsthaft für den Erwerbslosen noch möglich sein? Kein Erwerbsloser hat die Lizenz zum Entwicklungshelfer ..

Ottokar

Ich kann nicht mit den Fingern schnippen und bewirken, dass jemand diese Hintergassentricks versteht, aber ich habe meinen Beitrag zum besseren Verständnis überarbeitet und ergänzt.
Vielleicht geht nun dem Einen oder der Anderen ein Licht auf.
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Der Friese

Die ganzheitliche Betreuung wird dann auch in den ganzen Marxlohs dieser Republik eingeführt? Das Vermittlingshemmnis Sprache wird in Angriff genommen? Frauen müssen dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen? .... Oder aber ist nur die Kartoffel, die sich verarschen lässt, Ziel dieser liebevollen Entmündigung?

Spritzenhalter

Wenn alle Stricke reißen sprechen wir von max. 30% Sanktion?

a_good_heart

Einfach mal abwarten, was die bis ins Mark verlogene rot/grüne Brut da wieder ausgeheckt hat.
Aber vielleicht hab ich bis dahin ja im Lotto gewonnen oder den Löffel abgegeben... :weisnich:
Wir leben alle unter dem gleichen Himmel, aber wir haben nicht alle den gleichen Horizont... (Konrad Adenauer)

Yasha

Zitat von: Der Friese am 16. August 2022, 15:29:11Die ganzheitliche Betreuung wird dann auch in den ganzen Marxlohs dieser Republik eingeführt?  .... Oder aber ist nur die Kartoffel, die sich verarschen lässt.

Das sollten sich die JC aktuell mal selbst fragen. Werden sie aber eher nicht.Denn es mutet beispielsweise schon sehr selbstherrlich an, wenn beispielsweise das JC Offenbach allen Ernstes so ungefähr  4300 Elo ab 2023 in 16i verfrachten will, mittels einer Vorschaltmaßnahme. Davon sollen 65 Prozent Migranten sein. :lachen:

Greywolf08

Zitat von: Spritzenhalter am 16. August 2022, 16:02:09Wenn alle Stricke reißen sprechen wir von max. 30% Sanktion?
Richtig. Verhindert aber nicht die komplette Leistungseinstellung, die mit dem bisherigen Sanktionsgebaren nichts zu tun hat. Zumindest hab ich bis jetzt nichts dazu gefunden, das diese aufgehoben wird.

Zumindest gibt es im SGB XII leichte Verbesserungen. Man darf bis 10.000 EUR und sogar ein angemessenes Fahrzeug behalten.

Yasha

Zitat von: Ottokar am 16. August 2022, 15:25:48Vielleicht geht nun dem Einen oder der Anderen ein Licht auf.

Das mit dem "Mitwirkungsverwaltungsakt" -das passt dann dazu auch nicht:

ZitatFür Konfliktfälle im Zusammenhang mit der Erarbeitung, Durchführung und Fortschreibung des Kooperationsplans wird ein unabhängiger Schlichtungsmechanismus geschaffen."

Quelle: https://www.infodienst-schuldnerberatung.de/referentenentwurf_zum_buergergeld_erste_uebersicht/

Ein Verwaltungsakt wäre dazu ungeeignet.Klingt für mich zudem danach, dass der Elo vom SG ferngehalten soll.

CCR

Zitat von: Greywolf08 am 16. August 2022, 16:16:16Zumindest gibt es im SGB XII leichte Verbesserungen. Man darf bis 10.000 EUR und sogar ein angemessenes Fahrzeug behalten.
mit 65 kann man das nicht mehr ersparen es sei denn eine private Altersrente wird ausgezahlt.

götzb

Zitat" Jedoch sei die Wahrnehmung von Beratungsterminen eine Grundvoraussetzung für eine ,,vertrauensvolle Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen Integrationsfachkräften und Leistungsberechtigten. Daher können Einladungen weiterhin mit Rechtsfolgen verknüpft werden. "

Was ist das ? Gegensätze ziehen sich an, oder wie man aus Shit Gold macht ?
Vertrauensvoll gleich freiwillig und ohne Bedrohungen.
Anders kann man das Wort "vertrauensvoll" gleich in die Tonne kloppen.
Liebes Corona. Vielen Dank das dank dir die Jobcenter 3 Monate schließen mussten. #auch Pandemien haben ihre guten Seiten.
Arbeit bekämpfen, Automatisierung fördern ! Das evangelische Arbeitsethos ist das Grundübel dieser Gesellschaft.

CCR

ZitatDie Neuerungen beim Vermögen lassen erkennen, was unsere Politiker für die Zukunft erahnen: das immer mehr auch besser situierte Menschen auf eine Grundsicherung angewiesen sein werden. Diese will man offensichtlich nicht verprellen und die Mittelschicht nicht der Armut preisgeben.

genau auf dem Punkt gebracht, düstere Aussichten für die Zukunft.

Schnuffel01

Pläne für ,,Bürgergeld" statt Hartz IV
Beratungsorganisationen skeptisch

Das ,,Bürgergeld" wird wohl nicht der große Wurf, kritisieren Aktive aus der Arbeitslosenberatung. Für sie ist es nicht die erhoffte große Reform.
https://taz.de/Plaene-fuer-Buergergeld-statt-Hartz-IV/!5871388/
"Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter - Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt."   Jean-Claude Juncker

Die glücklichen Sklaven sind die erbittertsten Feinde der Freiheit.   Marie von Ebner-Eschenbach

Yasha

Zitat von: Yasha am 16. August 2022, 15:22:31Und meiner ergänzenden Einschätzung nach, da werden die teuer systemisch geschulten JC Mitarbeiter von Ihrem hoheitlichen Umgang nicht abweichen wollen oder können.Jedenfalls sind mir bislang keine entsprechenden Schulungen bekannt, die eine anderweitige Annahme rechtfertigen.

Ich möchte meine Aussage von vorhin aktualisieren. Denn nunmehr werden Schulungsinhalte mit Schlagworten  -noch sehr vereinzelt -für JC Mitarbeiter zum Bürgergeld angeboten und sind mir nun bekannt. Zumindest fand ich 2 Angebote zur Sachlage FBW und den damit verbundenen Möglichkeiten  -während der Vertrauenszeit. Erscheint mir als Info interessant, zumal diese Schulung nur für Optionskommunen gelten soll:

https://www.bildungsmarkt-sgb2.de/pdf/angebot_00064589.pdf

https://www.bildungsmarkt-sgb2.de/pdf/angebot_00067251.pdf


HansiHansen

Die Meisten scheinen vergessen zu haben wer Hartz4 eingeführt hat.
Dann aber auch noch zu erwarten, dass bei der Restaurierung etwas positives bei rum kommt
ist schon mehr als naiv.  :sleep:


Wie damals bei Hartz4, wird auch hier wieder der Verfassungschutz seinen Segen dazu geben.
Denn bedenke, wir haben einen Verfassungsschutz der 30% unter der Würde des Menschen für angemessen hält,
und somit selbst gegen Artikel 1 des Grundgesetz (Verfassung) verstößt.

"Die Menschenwürde ist die wichtigste Regel im deutschen Grundgesetz.
Niemand darf die Würde eines Menschen verletzen.
Die Würde eines Menschen ist unantastbar. Das heißt: Die Würde darf auf keinen Fall verletzt werden.
Alle Menschen sind gleich wertvoll. Ein Leben ohne Menschenwürde ist ein Leben in Angst,
Unterdrückung und Zwang. Das heißt: Kein Mensch hat das Recht, einem anderen Menschen Gewalt anzutun.
Kein Mensch darf gefoltert oder getötet werden."
-immanuel Kant