Geben Eltern das Geld für Tabak und Alkohol statt für ihre Kinder aus?

Begonnen von selbiger, 19. Juni 2023, 10:34:03

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Sensoriker

Es gibt auch in der sogenannten wohlhabenden Schichten sicherlich genau so zu viele vernachlässigte und verwahrloste Kinder wie in Familien die in sozial prekären Verhältnissen leben.

Nur welche von den Fällen findet man dann in der Presse wieder.
Wer sich beim JC nicht wehrt hat schon verloren
Meine Antworten basieren auf eigenen Erfahrungen mit dem JC sowie auf der Lektüre zahlreicher Threads auf diesem (und ein paar anderen) Boards.
Ansonsten halte ich es wie beim Lotto. Alle Antworten ohne Gewähr.

madinksa

Zitat von: Ottokar am 22. Juni 2023, 15:04:15https://www.fr.de/wissen/kindesmisshandlungen-allen-schichten-11476653.html

@madinksa
Hast du gelesen, was da steht?
Dann müsstest du wissen, dass diese Studien einen solchen Zusammenhang keineswegs belegen, sondern bereits im Voraus als angeblich international bewiesene und feststehende Tatsache unterstellen.


In Deinem Artikel geht es um Kindesmißhandlung, nicht um Veranchlässigung und Verwahrlosung.
Hast Du die Studien gelesen, die ich verlinkt habe?
Die könnten helfen, Deine Vorurteile abzubauen.

Übrigens: Wenn über die Hälfte der prügelnden Mütter alleinerziehend sind, während nur 20% der Kinder bei Alleinerziehenden aufwachsen, ergibt sich auch hier ein Schwerpunkt der Mißhandlung bei Eltern in prekären Lebensverhältnissen.

Ich verstehe nicht, warum man das nicht akzeptieren will; es ergibt sich daraus ja kein Vorwurf, sondern nur ein Bedarf an Hilfe zu den Gründen, die dazu führen, bspw. Armut, Sucht, psychische Erkrankung etc.

Leeres Portemonnaie

Problematisch finde ich auch, das bei Diskussionen über Armut grdstzl fast nur Bürgergeld ~ u. sonstige Hilfeempfänger in diesen Topf geworfen werden.
Wenn ich mir die rechnerische Armutsgrenze in D ansehe, gehören auch viele Menschen dazu, die keinerlei finanzielle Hilfe in Anspruch nehmen und sich mit Niedriglohn den ganzen Tag abstrampeln oder mehrere Jobs haben.
Ob das bei solchen Gedanken wie der Eingangsfrage Beachtung findet? 
Wissen Erzieher, welche bspw in solchen Studien befragt werden, über die finanziellen Verhältnisse, insbesondere der arbeitenden  Eltern, Bescheid?

(Mich hat nie jemand danach gefragt, die Erzieher in der Kita haben sich nur beschwert, wenn ich mein Kind nach 70km Fahrt als letztes am Tag abgeholt habe.)
Wo bin ich denn bloß hingekommen, und wie ist das passiert? 😦 🤧

horst

Zitat von: Leeres Portemonnaie am 24. Juni 2023, 21:39:15(Mich hat nie jemand danach gefragt, die Erzieher in der Kita haben sich nur beschwert, wenn ich mein Kind nach 70km Fahrt als letztes am Tag abgeholt habe.)
aber nur, weil sie an sich selbst dachten, Feierabend zu machen.

Ottokar

Zitat von: madinksa am 24. Juni 2023, 20:34:15In Deinem Artikel geht es um Kindesmißhandlung, nicht um Veranchlässigung und Verwahrlosung.
In dem Artikel geht es um Kindesmißhandlung DURCH Vernachlässigung.

Zitat von: madinksa am 24. Juni 2023, 20:34:15Hast Du die Studien gelesen, die ich verlinkt habe?
Ja, habe ich.
Zitat von: madinksa am 24. Juni 2023, 20:34:15Die könnten helfen, Deine Vorurteile abzubauen.
Ich habe keine Vorurteile, vielmehr sind die Studien selbst auf Vorurteilen aufgebaut, die dort auch eingangs sehr offen und ausführlich - unübersehbar - dargelegt werden.
Die Studien entsprechen deshalb nicht mal ansatzweise wissenschaftlichen Standarts, sie sind vielmehr so aufgebaut, dass sie die Vorurteile, auf denen sie basieren, scheinbar belegen.
Das ist heute allgemein beliebt, so kann geliefert werden, was bestellt wurde. Insbesondere funktioniert das bei sog. Metastudien hervorragend, da es dort nur dann auffällt, wenn man weis, wonach man suchen muss.
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madinksa

Zitat von: Ottokar am 25. Juni 2023, 11:42:06In dem Artikel geht es um Kindesmißhandlung DURCH Vernachlässigung.

In dem Artikel steht, dass bei den beobachteten Fällen Verwahrlosung die zweithäufigste Art der Misshandlung nach körperlicher Misshandlung ist.
Aber lass gut sein; Du hast ohnehin Recht.

Izzi

Vernachlässigung, Misshandlung wie auch immer
würde ich mit Überforderung in Verbindung bringen. Armut ist auch Überforderung.
Wahrscheinlich sogar die Extremste.
Dennoch finden Vernachlässigung und Misshandlung in allen Gesellschaftsschichten statt.
Wenn armutsbetroffenen Familien also mehr Unterstützung zugestanden wird, kann das Risiko verringert werden.
Das Geld wird schließlich nicht grundsätzlich in Tabakwaren und Alkohol umgesetzt.
Von daher dürfte es im Interesse der Kinder sein.
Wer aber Gründe finden will, sozialschwache Familien nicht zu unterstützen, kommt einfach mit so einer platten Aussage daher.

Ottokar

Zitat von: madinksa am 25. Juni 2023, 12:53:55In dem Artikel steht, dass bei den beobachteten Fällen Verwahrlosung die zweithäufigste Art der Misshandlung nach körperlicher Misshandlung ist.
Wenn du wenigstens sachlich richtig argumentieren würdest, aber selbst das schaffst du nicht.

Da steht, Zitat:
"Kindesmisshandlung ist entgegen landläufiger Meinung kein Problem bestimmter Bevölkerungsschichten. Laut einer am Freitag veröffentlichten Studie der Universität Leipzig steigt allerdings bei alleinerziehenden Elternteilen die Gefahr, dass sie ihre Kinder misshandeln.
...
Nicht unterschätzt werden darf der Studie zufolge die Vernachlässigung als Form der Kindesmisshandlung. Sie stellte nach der körperlichen Misshandlung bei den in Leipzig untersuchten Fällen die zweithäufigste Form der Misshandlung dar."
Bei der Studie ging es um alle Formen von Kindesmisshandlung, an zweiter Stelle steht Vernachlässigung (nicht Verwahrlosung).

In der von dir genannten Studie aus Baden-Württemberg von 2009 findet man u.a. folgende Aussage:
"Z.B. weist Armut ... nur schwachen Zusammenhang vor allem zum Vernachlässigungsrisiko auf und eignet sich daher nur bedingt als Risikofaktor (Kindler 2007h)."
Diese Aussage bestätigt das Ergebnis der aktuellen Leipziger Studie.

In der von dir genannten Studie aus NRW von 2010 kommt man zur gegenteiligen Aussage:
"Armut ist eine der wichtigsten Risikofaktoren für Kindeswohlgefährdung. Längsschnittstudien von Steinberg, Catalano und Dooley (1983) und später Krugman et al. (1986) zeigen sowohl auf der größeren Ebene von counties, als auch auf der kleinräumigen Ebene von Nachbarschaften, dass Fälle von Kindesmisshandlung zunehmen, wenn die Beschäftigungsquote insgesamt zurückgeht. In diesem Sinne ist zunehmende Gewalt gegen Kinder auch eine der psychosozialen Folgen von Arbeitslosigkeit der Eltern."
Warum? Ganz einfach: man beruft sich auf uralte Studien aus den USA von 1981 und 1986, die bereits zum Zeitpunkt der Studie 19 bzw. 14 Jahre alt waren und eine vollkommen andere Sozialstruktur betreffen, weil gerade diese die gewünschte Grundannahme (Armut als wichtigster Risikofaktor für Kindeswohlgefährdung) feststellen. Im Weiteren werden dann nur noch Ergebnisse gelistet, die diese Grundannahme bestätigen.
Zudem handelt es sich dabei lediglich um Längsschnittstudien, die vergleichbar einer Einnahme-Überschussrechnung sind. Das Ergebnis belegt lediglich eine statistische Korrelation, aber keinen kausalen Zusammenhang.
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madinksa

Zitat von: Ottokar am 25. Juni 2023, 16:58:11In der von dir genannten Studie aus Baden-Württemberg von 2009 findet man u.a. folgende Aussage:
"Z.B. weist Armut ... nur schwachen Zusammenhang vor allem zum Vernachlässigungsrisiko auf und eignet sich daher nur bedingt als Risikofaktor (Kindler 2007h)."

Allerdings steht da zum gleichen Autor:
Zwar sind fast alle Familien, in denen es zu bedeutsamen Vernachlässigungsereignissen kommt, arm, weshalb dieser Faktor von Praktikern häufig als zentraler Risikofaktor genannt wird. Tatsächlich aber ist Einkommensarmut aber nur ein sehr schwacher Risikofaktor für Kindesvernachlässigung, da die allermeisten Eltern in Einkommensarmut ihre Kinder nicht im Sinne des §1666 BGB vernachlässigen.

Es sagt ja niemand, dass alle Armen ihre Kinder vernachlässigen; deshalb ist Armut als Risikofaktor zu unspezifisch.

Ottokar

Zitat von: madinksa am 25. Juni 2023, 18:14:28Allerdings steht da zum gleichen Autor
Wieso allerdings?
Da steht doch ganz klar:
"Tatsächlich aber ist Einkommensarmut (unter den bekannten Faktoren) aber nur ein sehr schwacher Risikofaktor für Kindesvernachlässigung, da die allermeisten Eltern in Einkommensarmut ihre Kinder nicht im Sinne des § 1666 BGB vernachlässigen."


Zitat von: madinksa am 25. Juni 2023, 18:14:28Es sagt ja niemand, dass alle Armen ihre Kinder vernachlässigen
Doch, genau das ist der Fall.
In den o.g. 2 Studien aus den USA von 1981 und 1986 wurde genau diese Behauptung aufgestellt und damit begründet beschränkte sich u.a. die Studie aus NRW von 2010 auf eben jene Bevölkerungsschicht.
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madinksa

In den alten Studien wird das Risiko für eine Gesellschaft betrachtet.
Armut ist eine der wichtigsten Risikofaktoren für Kindeswohlgefährdung. Längsschnittstudien von Steinberg, Catalano und Dooley (1983) und später Krugman et al. (1986) zeigen sowohl auf der größeren Ebene von counties, als auch auf der kleinräumigen Ebene von Nachbarschaften, dass Fälle von Kindesmisshandlung zunehmen, wenn die Beschäftigungsquote insgesamt zurückgeht.
Je mehr Armut, desto mehr Kindswohlgefährdung. Wenn fast alle Kindswohlgefährdungen in armen Familien stattfinden, stimmt das sicher auch heute.

Allerdings ist der Anteil von gefährdeten Kindern an allen armen Kindern so klein, dass Armut für ein einzelnes Kind kein Risiko bedeutet. Armut eignet sich also nicht, um von Vernachlässigung bedrohte Kinder in einem Kindergarten zu identifizieren.

Da haben die Studien unterschiedliche Ziele und kommen deshalb zu unterschiedlichen Ergebnissen.

Ottokar

Zitat von: madinksa am 26. Juni 2023, 15:45:53In den alten Studien wird das Risiko für eine Gesellschaft betrachtet.
Dann kläre uns mal auf, welche das ist.
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madinksa


Kopfbahnhof

Zitat von: madinksa am 26. Juni 2023, 15:45:53fast alle Kindswohlgefährdungen in armen Familien stattfinden, stimmt das sicher auch heute.
Also ich kannte einige, die mit Sicherheit nicht arm sind.
Deren Kinder wurden ebenso Vernachlässigt, vor allem allein gelassen.

Auch gibt es Gewalt und Alkoholprobleme, bei allen Schichten gleichermaßen.

Hat fast nichts mit Armut und Reichtum zu tun.

Eine Erklärung wegen der Häufigkeit könnte sein, es gibt deutlich mehr arme als reiche Menschen.

Greywolf08

Ich behaupte mal, das über 90% armer Familien jeden zusätzlichen Euro für ihre Kinder ausgeben. In der heutigen Zeit leider oftmals in Statusobjekte statt für zusätzliche Bildung.
Aber für Tabak und Alkohol wohl die wenigsten.
Abgesehen davon: Wenn Eltern zu tief ins Glas schauen, dann dauert es nicht lange und man hat das Jugendamt vor der Tür.

Zitat von: Kopfbahnhof am 27. Juni 2023, 17:39:02Eine Erklärung wegen der Häufigkeit könnte sein, es gibt deutlich mehr arme als reiche Menschen.
Oder aber: Es werden schlicht keine oder nur sehr wenige Studien bei besser Betuchten durchgeführt.
Und das ist wohl der Hauptgrund, weshalb immer nur die "sozial Schwachen" ran gezogen werden.
Vernachlässigung hat viele Gesichter. Angefangen mit Desinteresse über emotionale Erpressung bis zur psych. und phys. Gewalt ist alles vertreten.
Aus Mittelschicht und reicheren Haushalten hört man davon seltener, weil sie da verdeckt stattfindet.
Da bekommen Kinder schon frühzeitig einen Maulkorb angelegt. Nach dem Motto: "Was hier zu Hause abläuft bleibt auch innerhalb des Hauses (Wohnung). Und wehe du erzählst irgend jemanden davon .. dann wanderst du ins Heim". (oder ins Internat)
Schlimmstenfalls gibt es dann noch schlagende "Argumente" (wenn man sich doch mal verplappert hat).
Und bevor jemand meint, das diese Art von Drohungen Blödsinn sind - ich war betroffen und hab alles von bis (üb)erlebt.