Immer tiefer in die Abhängigkeit...

Begonnen von AnaisRichter, 22. September 2023, 22:09:17

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AnaisRichter

Hallo ihr lieben Leute, ich brauche mal euer Schwarmwissen.

Ich bin selbstständig und erhalte aufstockend Bürgergeld. Für meine Arbeit benötige ich ein bestimmtes Gerät, ohne das ich nicht arbeiten kann. Dieses Gerät ist mir kaputt gegangen und muss dringend repariert werden. Zur Übernahme oder Beteiligung der Kosten habe ich einen formlosen Antrag beim Jobcenter gestellt und habe einen KV hinzugefügt. Nach ein paar Tagen kam ein Zweizeiler zurück, in dem mir mitgeteilt wurde, dass die Kosten weder übernommen werden, noch ein Darlehen gewährt wird. Ohne Begründung.
Meine Fragen:
1. Muss man sich an eine bestimmte Stelle wenden, innerhalb des Jobcenters, um einen solchen Antrag zu stellen? Vielleicht habe ich mich einfach an die falsche Person gewendet.
2. Ist eine Ablehnung ohne Begründung überhaupt rechtskräftig?
3. Kann ich mich dagegen wehren? Und wenn ja wie? Ich könnte Widerspruch einlegen, aber bei wem? Nützlich wäre auch eine Rechtsberatung speziell für Fragen das Jobcenter betreffend. Ich weiß, es gibt einen Beratungsgutschein beim Gericht. Aber egal welchen Rechtsanwalt ich anrufe, niemand will einen Bürgergeldbezieher beraten und dafür lediglich einen Beratungsgutschein bekommen... Bei welchen Stellen könnte ich noch eine Beratung erhalten? Auch lese ich immer wieder von Gerichtsurteilen. Wie kann man den überhaupt als Bürgergeldbezieher zu einem Gerichtsurteil kommen?

Oh Mann.  :wand:

Vers

Hallo

Welches Gerät brauchst du denn?
Falls es sich um ein Tablet oder Ähnliches handelt glaube ich nicht an eine Kostenerstattung.

AnaisRichter

Nein, es geht nicht um ein Tablett. Es geht um ein Arbeitsgerät, ohne das ich nichts produzieren kann.

Sheherazade

Dann fragen wir mal anders: Von welchem Betrag reden wir hier?

In der Regel finanziert das Jobcenter keine Produktionsgeräte für Selbständige. Für solche Anschaffungen sollten aus dem Freibetrag Rücklagen gebildet werden, die Ausgabe für die Anschaffung sollte dann in der abschließenden EKS angegeben werden.
"In Krisenzeiten suchen  die Intelligenten nach Lösungen, während die Schwachköpfe nach Schuldigen suchen." Totó 1898-1967

"Höher, schneller, weiter!" ist nicht das Problem. Das Problem ist: "Ich zuerst!", "Alles meins!" und "Mir doch egal!"

september23

Zitat von: AnaisRichter am 22. September 2023, 22:09:17Hallo ihr lieben Leute, ich brauche mal euer Schwarmwissen.

Ich bin selbstständig und erhalte aufstockend Bürgergeld.
wie lange ist der Zeitraum, seit dem Du das Gewerbe hast? Die Frage ist für Dein Anliegen wichtig, nebst der, wie hoch der Betrag für das Arbeitsgerät ist, von dem Du schreibst.

Zitat von: AnaisRichter am 22. September 2023, 22:09:17Für meine Arbeit benötige ich ein bestimmtes Gerät, ohne das ich nicht arbeiten kann. Dieses Gerät ist mir kaputt gegangen und muss dringend repariert werden. Zur Übernahme oder Beteiligung der Kosten habe ich einen formlosen Antrag beim Jobcenter gestellt und habe einen KV hinzugefügt. Nach ein paar Tagen kam ein Zweizeiler zurück, in dem mir mitgeteilt wurde, dass die Kosten weder übernommen werden, noch ein Darlehen gewährt wird. Ohne Begründung.
grundsätzlich bist Du auch dafür selbst zuständig und kannst dies wie genannt, bei Deinen Einnahmen in Abzug bringen

Selbstständige sparen entweder an oder nehmen bei Banken Darlehen.

Zitat von: AnaisRichter am 22. September 2023, 22:09:17Meine Fragen:
1. Muss man sich an eine bestimmte Stelle wenden, innerhalb des Jobcenters, um einen solchen Antrag zu stellen? Vielleicht habe ich mich einfach an die falsche Person gewendet.
2. Ist eine Ablehnung ohne Begründung überhaupt rechtskräftig?
3. Kann ich mich dagegen wehren? Und wenn ja wie? Ich könnte Widerspruch einlegen, aber bei wem? Nützlich wäre auch eine Rechtsberatung speziell für Fragen das Jobcenter betreffend. Ich weiß, es gibt einen Beratungsgutschein beim Gericht. Aber egal welchen Rechtsanwalt ich anrufe, niemand will einen Bürgergeldbezieher beraten und dafür lediglich einen Beratungsgutschein bekommen... Bei welchen Stellen könnte ich noch eine Beratung erhalten? Auch lese ich immer wieder von Gerichtsurteilen. Wie kann man den überhaupt als Bürgergeldbezieher zu einem Gerichtsurteil kommen?
Zu 2: Sie ist erstmal da. Wenn Du dagegen vorgehen möchtest, wäre Widerspruch der nächste Schritt.

Da es sich um eine Sozialleistung handelt, eher das das Sozialgericht. Der Weg wäre Widerspruch und dann Klagen vor dem SG. Ein Anwalt ist nicht Voraussetzung.

Allerdings stellt sich die o.a. Frage. Wenn das Gerät für die Arbeit notwendig ist, dann ist es das. Nur dürfte nicht zutreffen, dass bei jeder Anschaffung das JC zuständig ist.

Ottokar

Nein, das Jobcenter finanziert keine Selbständige Erwerbstätigkeit. Dafür gibt es im SGB II kein Geld, auch nicht als Darlehen. Deshalb sind Widerspruch oder Klage sinnlos.
Kosten für Arbeitsgeräte und deren Reparatur sind Betriebsausgaben, welche letztlich den Gewinn und damit das beim Bürgergeld anrechenbare Einkommen mindern.
Wie jeder andere Selbständige musst du diese Kosten aus den laufenden Betriebseinnahmen, Rücklagen, Betriebsvermögen oder durch Aufnahme eines Kredites finanzieren.
Meine Beiträge beinhalten oder ersetzen keine anwaltliche Beratung oder Tätigkeit.
Für eine verbindliche Rechtsberatung und -vertretung suchen Sie bitte einen Anwalt auf.


TripleH

§ 16c SGB II bietet durchaus eine Grundlage für eine Förderung:

Zitat(1) Erwerbsfähige Leistungsberechtigte, die eine selbständige, hauptberufliche Tätigkeit aufnehmen oder ausüben, können Darlehen und Zuschüsse für die Beschaffung von Sachgütern erhalten, die für die Ausübung der selbständigen Tätigkeit notwendig und angemessen sind. Zuschüsse dürfen einen Betrag von 5 000 Euro nicht übersteigen.

Allerdings kommt es auf etliche Faktoren an. Tragfähigkeit, Zukunftsaussichten, Aussicht hinsichtlich unselbständiger Beschäftigung, Höhe der Kosten usw.

Ansprechpartner ist der zuständige Vermittler/Fallmanager.

Harald53

Da würde ich garnicht lange rumdiskutieren.
Ich würd dem Jobcenter mitteilen, dass ich dieses Gerät zwingend für die selbstständigkeit benötige und es wenigstens ein Darlehen gewährt werden soll.

Wenn das nicht geschieht, kann die selbstsändigkeit eben nicht fortgesetzt werden und es muss wieder komplett Bürgergeld kassiert werden.
Ist leider traurig das die Gesetze so sind, aber anscheinend ist es tatsächlich gewollt, dass die Menschen lieber in der Hängematte liegen als zu arbeiten.

Ottokar

§ 16c SGB II zielt auf die Aufnahme einer hauptberuflichen selbständigen Tätigkeit ab.
Fördervoraussetzung für § 16c SGB II ist u.a. eine tragfähige hauptberufliche selbständige Tätigkeit.
D.h. in der Praxis, das die Hilfebedürftigkeit dadurch dauerhaft reduziert oder beendet wird.
Außerdem müssen zuvor alle anderen Möglichkeiten wie z. B. Bundes- und Landesprogramme, lokale Wirtschaftsförderung, Mikrokredite nachweislich ausgeschöpft worden sein.
Eine bereits ausgeübte hauptberufliche selbständige Tätigkeit, bei der die Reparatur eines defekten Arbeitsgerätes nicht aus den laufenden Einnahmen bezahlt werden kann, ist per se nicht tragfähig.
Hinzu kommt, das durch diese Reparatur nur der bisherige Zustand beibehalten wird, also weder die Hilfebedürftigkeit dauerhaft reduziert noch beendet wird.
Meine Beiträge beinhalten oder ersetzen keine anwaltliche Beratung oder Tätigkeit.
Für eine verbindliche Rechtsberatung und -vertretung suchen Sie bitte einen Anwalt auf.


september23

Zitat von: Harald53 am 23. September 2023, 17:53:16Da würde ich garnicht lange rumdiskutieren.
Ich würd dem Jobcenter mitteilen, dass ich dieses Gerät zwingend für die selbstständigkeit benötige und es wenigstens ein Darlehen gewährt werden soll.

Wenn das nicht geschieht, kann die selbstsändigkeit eben nicht fortgesetzt werden und es muss wieder komplett Bürgergeld kassiert werden.
Das dürfte niemand sonderlich beeindrucken, zumal niemand hier weiß, wie hoch der selbst erwirtschaftete Anteil des Einkommens ist

Zitat von: Harald53 am 23. September 2023, 17:53:16Ist leider traurig das die Gesetze so sind, aber anscheinend ist es tatsächlich gewollt, dass die Menschen lieber in der Hängematte liegen als zu arbeiten.
nein, so sind die Gesetze nicht, es ist nur nicht gewollt, dass die "Hängematte" dazu genutzt wird, eine nicht tragfähige Geschäftsidee dauerhaft zu finanzieren.

Harald53

Zitat von: september23 am 23. September 2023, 23:15:07Das dürfte niemand sonderlich beeindrucken, zumal niemand hier weiß, wie hoch der selbst erwirtschaftete Anteil des Einkommens ist
Also ist es dem Jobcenter egal ob er dann wieder komplett Bürgergeld kassiert?
Kann ich mir eigentlich nicht vorstellen, ich meine mich zu erinnern, dass zb. in Sanktionsanhörungen drin steht, dass die Jobcenter wirtschaftlich mit dem Steuergeldern arbeiten müssen.
Da kann es denen sicherlich nicht egal sein ob jemand aufstockend Sozialleistungen bezieht oder komplett Bürgergeld bekommt.


Rico

Wenn du die Geschäftsausstattung nicht einmal selbsttätig bezahlen kannst , dann hast wahrscheinlich auch kein Geld für eine Rentenversicherung übrig :sad:
Die Selbstständigkeit wäre nicht tragbar und sollte besser eingestellt werden.
Selbstverständlich zahlt das JC dir keine Geschäftsausstattung.
Bürgergeld mußt du nicht beziehen.
Seit dem Bürgergeld kann man sich ziemlich leicht umschulen lassen.(mit Arbeitsvertrag mit sofortiger voller Bezahlung)
Habe ich (als ehemaliger Selbstständiger) jetzt auch.
Bin zufrieden. :sehrgut:

september23

Zitat von: Harald53 am 24. September 2023, 08:29:17
Zitat von: september23 am 23. September 2023, 23:15:07Das dürfte niemand sonderlich beeindrucken, zumal niemand hier weiß, wie hoch der selbst erwirtschaftete Anteil des Einkommens ist
Also ist es dem Jobcenter egal ob er dann wieder komplett Bürgergeld kassiert?
Eine Behörde hat keine Meinung. Wie der Sachbearbeiter das wertet ist keine Rechtsgrundlage, kann rechtswidrig sein.

Wenn jemand nach Abzug von Freibeträgen und Absetzbeträgen kaum was erwirtschaftet, so dass er kein (wieder vom Umsatz absetzbares) Gerät kaufen kann, wirkt diese Selbstständigkeit nicht sonderlich tragfähig.
Es klingt dann zwar cool, wenn man von sich als Selbstständigen sprechen kann, man ist es aber faktisch nur im Sinne, dass man keinen Arbeitgeber hat. 

Wenn der Betreffende für seine "Selbstständigkeit" die Zahlung eines Geräts begehrt, ohne, dass mit dem Gerät Aussicht auf deutliche Verringerung, gar Ende der Hilfebedürftigkeit zu erwarten ist, gibt es keine Rechtsgrundlage für ein Darlehen oder gar der Zahlung des Geräts.

Zitat von: Harald53 am 24. September 2023, 08:29:17Kann ich mir eigentlich nicht vorstellen, ich meine mich zu erinnern, dass zb. in Sanktionsanhörungen drin steht, dass die Jobcenter wirtschaftlich mit dem Steuergeldern arbeiten müssen.
Da kann es denen sicherlich nicht egal sein ob jemand aufstockend Sozialleistungen bezieht oder komplett Bürgergeld bekommt.
Aus dem Grund wird auch keine "Selbstständigkeit" über die Zeit der Existenzgründung hinaus finanziert.
Die Rechtsgrundlage wurde doch selbst im Beitrag von Ottokar genannt.

Und mit "wenn ich das nicht bekomme, höre ich halt auf und dann könnt ihr sehen, was ihr davon habt" schadet man nun mal in erster Linie sich selbst.

Und eine Aussicht auf Ende der Hilfebedürftigkeit dürfte dann auch nicht bestanden haben. Denn so eine Aussicht würde man nicht wegen der Nichtzahlung eines Amtes aufgeben. Bei einem tragfähigen Unternehmen geben Banken Darlehen.

AnaisRichter

Hallo an alle. Ich möchte mich bei jedem Einzelnen für seine Antwort bedanken. Eure Gedanken helfen mir sehr weiter. Danke, danke, danke.  :yes: