Wohnen im Eigenheim - muß das Jobcenter Kosten für Wasser und Abwasser bezahlen?

Begonnen von Yessamin82, 19. November 2023, 20:23:59

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Yessamin82

Hallo,

ich wohne im Eigenheim welches auch als angemessen vom Jobcenter anerkannt wurde. Meines Wissens werden Kosten wie Heizöl und Warmwasser, Grundsteuer, Müllabfuhr, Gebäudeversicherung und Schornsteinfeger übernommen. Nun hat mir jemand gesagt (auch Eigenheimbewohner) das das Jobcenter bei ihm auch die Kosten für Wasser (die die Stadt abrechnet) und Abwasser bzw. Kanal übernimmt. Das wurde mir vom Jobcenter aber nicht mitgeteilt. Stimmt das oder hat man mir hier was falsches erzählt?

Und wie sieht es mit Rechnungen aus von Reparaturen, die im Haus und um das Haus herum anfallen z.B. Reparaturen an der Heizung, Fenster, Türen, Handwerker im Badezimmer, Küche usw..?

Grüße!

Ottokar

Zu den Kosten für Unterkunft und Heizung gehören auch alle Kosten, die in der Betriebskostenverordnung und Heizkostenverordnung geregelt sind. Somit auch die Wasser- und Abwasserkosten.
Wenn das JC dies "vergessen" hat im Rahmen seiner Informations- und Beratungspflichten nach §§ 13 bis 15 SGB I zu erwähnen, ist es diesbezüglich haftbar.
Eine rückwirkende Anerkennung und Zahlung dieser Kosten kannst du noch bis 31.12.2023 rückwirkend bis zum 01.01.2022 mit einem Überprüfungsantrag erreichen.
Kosten für Zeiträume die länger zurück liegen kannst du nur in Form von Schadensersatz über die Amtshaftung einfordern.
Meine Beiträge beinhalten oder ersetzen keine anwaltliche Beratung oder Tätigkeit.
Für eine verbindliche Rechtsberatung und -vertretung suchen Sie bitte einen Anwalt auf.


Yessamin82

Hallo Ottokar,

ich danke Dir für die Info! Dann stimmt das also tatsächlich. Eine Mustervorlage für einen Überprüfungsantrag hab ich mir schon herunter geladen. Darf ich Dich noch fragen, was ich darin alles erwähnen muß? Ich habe so einen Antrag bisher nämlich noch nicht gestellt. Man hätte mich bereits 2020 darauf aufmerksam machen müssen, ich habe das leider nicht gewusst, da ich vorher kein Eigenheim bewohnt habe.

Es müssten quasi Rechnungen vom 01.01. 2022 bis aktuell 2023 vorgelegt werden bezüglich Wasser, Abwasser und Kanal? Ich bekam bisher nur die Kosten für Heizöl erstattet. Bei uns wird das im Vierteljahr berechnet und vom Konto abgezogen. Ich habe somit immer nur eine Rechnung von der Stadt. Reicht das aus?

Wie kann ich den Schadensersatz über die Amtshaftung einfordern? An wen muß ich mich da wenden.

Wäre super, wenn ich hier weitere Hilfe erhalten würde, ich kenne mich damit leider selbst nicht aus.

Danke!

Ottokar

Ich würde das wie folgt formulieren:


Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X

hiermit beantrage ich die Überprüfung aller Bescheide über die Bewilligung von Unterkunftskosten nach § 22 SGB II rückwirkend zum 01.01.2020.

Gründe
Bislang wurden von Ihnen keine Kosten für Wasser und Abwasser berücksichtigt, obwohl Ihnen bekannt ist, das diese regelmäßig anfallen.
Die sich aus dieser Kenntnis nach §§ 13 bis 15 SGB I ergebenden Beratungspflichten zur Geltendmachung dieser Kosten sind Sie pflichtwidrig nicht nachgekommen.
Erst aktuell ist mir durch einen Bekannten erklärt worden, dass alle Kosten, die in der Betriebskostenverordnung und Heizkostenverordnung geregelt sind, zu den Kosten für Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II gehören, somit auch die Wasser- und Abwasserkosten.
Mir ist bekannt, dass eine rückwirkende Leistungsbewilligung durch § 40 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB II auf den 01.01.2022 begrenzt ist.
Aus dem o.g. Beratungsversagen ergibt sich jedoch regelmäßig ein Schadensersatzanspruch (sozialrechtlicher Herstellungsanspruch), den ich hiermit für den weiter zurückliegenden Zeitraum geltend mache.
Die Kostennachweise habe ich in Kopie beigefügt.

MfG
...
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Yessamin82

Hallo Ottokar,

vielen vielen Dank! So hätte ich das gar nicht formulieren können, da mir die entsprechenden Paragraphen nicht bekannt waren. Ich werde das Schreiben mit Kopien der Kostennachweise sofort einreichen. Ich werde dann berichten, wie sich das Jobcenter dazu geäussert hat.

Bis dahin ein grosses Dankeschön für die Hilfe!

Grüße,
Yessamin

Simone-

Zitat von: Ottokar am 21. November 2023, 13:58:08hiermit beantrage ich die Überprüfung aller Bescheide über die Bewilligung von Unterkunftskosten nach § 22 SGB II rückwirkend zum 01.01.2020.
...
@ Ottokar

Wenn es hier nur einen Bescheid betrifft - ok.
Aber mir wurde mal erklärt, falls es mehrere Bescheide betrifft, man müsse bei einem Überprüfungs-Antrag alle betreffenden Bescheide extra aufzählen.
Also Überprüfungsantrag für
Bescheid vom aaa für den Zeitraum 111111
Bescheid vom bbb für den Zeitraum 222222
usw.

Irrtum? Oder hat sich das geändert?


"Alles was die weise Frau lernte schrieb sie in ihr Buch, und als die Seiten schwarz vor Tinte waren, nahm sie weiße Tinte und begann von vorne."

Ottokar

Lt. BSG-Urteil vom 12.10.2016, B 4 AS 37/15 R (RdNr 14), müssen bei einem Überprüfungsantrag die betroffenen Bescheide nicht konkret benannt werden. Es reicht, wenn der streitgegenständliche Zeitraum benannt wird. Damit sind die betroffenen Bescheide ohne Weiteres ermittelbar und der Umfang des Prüfauftrags erkennbar.

Im Kern geht es darum, dass das JC bei einem Überprüfungsantrag nicht ins Blaue hinein prüfen muss, der Antragsteller muss für das JC nachvollziehbar vortragen, weshalb er die Überprüfung beantragt und was überprüft werden soll. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt: als Grund der Überprüfung wurde die Nichtberücksichtigung der Wasser- und Abwasserkosten genannt und als Gegenstand der Überprüfung der Leistungszeitraum 01.01.2020 bis aktuell. Die in diesem Leistungszeitraum betroffenen Bewilligungsbescheide über Unterkunftskosten kann das JC leicht selbst ermitteln.
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Yessamin82

Zitat von: Ottokar am 21. November 2023, 13:58:08Aus dem o.g. Beratungsversagen ergibt sich jedoch regelmäßig ein Schadensersatzanspruch (sozialrechtlicher Herstellungsanspruch), den ich hiermit für den weiter zurückliegenden Zeitraum geltend mache.
Die Kostennachweise habe ich in Kopie beigefügt.

MfG
...

@Ottokar: dazu hätte ich noch kurz eine Frage. Ich habe gelesen, das bei solchen Übeprüfungsanträgen nur die letzten beiden Jahre berücksichtigt werden müssen. Also die Nachzahlung von Anfang 2022 bis Ende 2023. Wie kann man denn dann einen Schadensersatzanspruch geltend machen? Und wie wird das Jobcenter darauf vermutlich reagieren? Kann ich mich damit vielleicht selbst in Schwierigkeiten bringen oder hat das keine Nachteile für mich, wenn das im Antrag erwähnt wird?

Gruß!

Ottokar

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Yessamin82

Zitat von: Ottokar am 20. November 2023, 14:52:48Kosten für Zeiträume die länger zurück liegen kannst du nur in Form von Schadensersatz über die Amtshaftung einfordern.

Das hatte ich gelesen Ottokar, aber was bedeutet "Schadensersatz über die Amtshaftung"? Geht das dann über das Sozialgericht? Ich kenne mich da leider gar nicht aus. Den Überprüfungsantrag hab ich fertig.

Ottokar

Die Überprüfung von Verwaltungsakten nach § 44 SGB X ist auch im SGB II 4 Jahre rückwirkend möglich, also aktuell bis 01.01.2020, allerdings muss das JC wegen einer Sonderregelung in § 40 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB II nur 2 Jahre rückwirkend Leistung nachzahlen. Diese Sonderregelung gilt aber nicht bei Schadensersatzansprüchen.
Also muss man hier beides geltend machen, die Kosten für Wasser und Abwasser für den Zeitraum 01.01.2022 bis aktuell über den Nachzahlungsanspruch und für den Zeitraum 01.01.2020 - 31.12.2021 über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch.
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Yessamin82

Alles klar Ottokar. Wenn ich Dich also richtig verstanden habe, wird das alles über das Jobcenter abgeklärt und hat nicht mit dem Sozialgericht zu tun? Vielen Dank! Mir war wichtig zu wissen, das ich dafür keinen Anwalt benötige, denn da habe ich sehr schlechte Erfahrugen machen müssen, die mich viel Geld gekostet haben.

Gruß!

Ottokar

Zunächst benötigst du keinen Anwalt.
Ich gehe davon aus, dass das JC nur für den Zeitraum 01.01.2022 bis 31.12.2023 Kosten für Wasser und Abwasser nachzahlen wird. Der Anspruch für den Zeitraum 01.01.2020 bis 31.12.2021 wird vermutlich mit Verweis auf § 40 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB II abgelehnt werden.
Gegen diese Ablehnung musst du dann Widerspruch einlegen, damit begründet, dass der Anspruch im Wege des Amtshaftungsanspruches geltend gemacht wird, der nicht durch § 40 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB II begrenzt wird, da dem JC bekannt war, dass Kosten für Wasser und Abwasser anfallen und es dem aus dieser Kenntnis resutierenden Beratungspflichten nach §§ 13 bis 15 SGB I hinsichtlich Nachweis und Geltendmachung dieser Kosten im SGB II pflichtwidrig nicht nachgekommen ist, sodass du diese nicht erhalten konntest.
Sollte das JC diesen Widerspruch zurückweisen, kannst du dagegen vorm SG klagen. Damit würde ich in deinem Fall aber einen Anwalt beauftragen.
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Yessamin82

@Ottokar: vielen Dank! Damit sind alle meine Fragen beantwortet worden. Ich werde euch berichten, sobald ich Antwort vom JC habe.

Grüße!

Yessamin82

Muß das Jobcenter per Brief bestätigen, das der Überprüfungsantrag eingegangen ist? Bis jetzt kam nämlich nichts. Beim Widerspruch war der Brief am nächsten Tag da.

Hat das Jobcenter bei einem Überprüfungsantrag 3 oder 6 Monate Zeit zur Bearbeitung?

Gruß!