Bürgergeld-Aufstockung trotz Ausbildung?

Begonnen von Conny1115, 14. August 2024, 21:44:51

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Conny1115

Folgende Fakten:

- Noch keine abgeschlossene Ausbildung
- Unter 25 Jahre alt
- Seit einigen Jahren bereits in eigener Wohnung lebend
- Nach Abbruch einer Ausbildung Bürgergeld beantragt und erhalten, ohne dass nach dem Einkommen der Eltern gefragt wurde
- Neue Ausbildung begonnen mit einem Nettoverdienst von ca. 950 Euro
- Vom Jobcenter einen Leistungsbescheid bekommen, dass trotzdem noch ein Aufstockungsbedarf von rund 500 Euro besteht, zunächst aber vorrangig Berufsausbildungsbeihilfe beantragt werden müsse
- Darauf besteht aber laut BAB-Rechner kein Anspruch, da in der Ausbildung ja 950 Euro netto zur Verfügung stehen (zzgl. Kindergeld von den Eltern) und auch aufgrund eines zu hohen Elterneinkommens.
- Hat man in diesem Fall wirklich Anspruch auf aufstockendes Bürgergeld? Das würde ja bedeuten, man hätte in der Ausbildung rund 1700 Euro netto zur Verfügung.
- Würde das Jobcenter sich dann diese Aufstockung von den Eltern zurückholen? Auch wenn es vorher nie nach dem Einkommen der Eltern gefragt hat?

TripleH

Zitat von: Conny1115 am 14. August 2024, 21:44:51Hat man in diesem Fall wirklich Anspruch auf aufstockendes Bürgergeld?

Ja.

Zitat von: Conny1115 am 14. August 2024, 21:44:51Würde das Jobcenter sich dann diese Aufstockung von den Eltern zurückholen?

Es wird zumindest prüfen, ob ein Unterhaltsanspruch besteht. Das kann aufgrund des bei der Unterhaltsberechnung zu berücksichtigenden Azubilohns auch nicht der Fall sein.

Conny1115

Vielen Dank für die Antwort. Ich befürchte, dass meine Eltern evtl. nachträglich noch für die Bürgergeldleistungen seit Abbruch der letzten Ausbildung herangezogen werden könnten, wenn beim Jobcenter bekannt würde, dass meine Eltern über ein relativ gutes Einkommen verfügen. Sie hatten bei meinem Bürgergeldantrag nie nach dem Einkommen meiner Eltern gefragt. Vielleicht, weil ich zu dem Zeitpunkt schon rund 2 Jahre in der eigenen Wohnung lebte? Andererseits liest man im Netz ja immer, dass Eltern für die Erstausbildung des Kindes verantwortlich sind. Weiterhin ist es für mich auch irgendwie unlogisch, dass der Staat mir rund 500 Euro Aufstockung gewährt,  ich aber keine Berufsausbildungsbeihilfe erhalten, weil ich ein zu hohes Azubigehalt habe und meine Eltern zu viel verdienen.  Ich möchte auf keinen Fall, dass das Jobcenter sich die Aufstockung von meinen Eltern zurückholt.

Birgit63

Wenn deine Eltern zu Unterhalt verpflichtet sind, spielt es keine Rolle, was du möchtest. Es geht hier um Steuergelder. Das Jobcenter wird prüfen, ob deine Eltern dir Unterhalt zahlen müssen.

Ottokar

Wir wollen dabei aber nicht vergessen, dass das JC von gesetzeswegen keine Kompetenz hat, einen Unterhaltspflicht rechtskräftig festzustellen. Es kann nur einen Unterhaltsanspruch vermuten und den Antragsteller zur Geltendmachung auffordern (§ 12a SGB II), oder den Anspruch selbst geltend machen, sofern er nach § 33 SGB II bereits auf das JC übergegangen ist.

Du lebst nicht bei deinen Eltern, damit gehen das JC Einkommen und Vermögen deiner Eltern auch nichts an.
Wenn das JC dich aufgefordert hat, BAB zu beantragen, musst du das tun, auch wenn du nach deinen Recherchen vermutlich keinen Anspuch hast.
Anspruch auf Kindesunterhalt während einer Zweitausbildung besteht i.d.R. nicht.

Da das Gesetz grundsätzlich vorschreibt, dass Unterhalt nur für die Gegenwart und die Zukunft gezahlt werden muss, kann das JC diesen nicht rückwirkend für die 1. Ausbildung bei den Eltern einfordern.
Zudem wäre dieser Unterhaltsanspruch damals auf das JC übergegangen und das JC hat diesen selbst nicht eingefordert. Dieses Versäumnis und damit die Unmöglichkeit, den Unterhalt nachträglich geltend machen zu können, ist allein dem JC zuzurechnen, womit auch die Voraussetzungen für einen Ersatzanspruch nach § 34 SGB II oder § 34a SGB II nicht bestehen.
Meine Beiträge beinhalten oder ersetzen keine anwaltliche Beratung oder Tätigkeit.
Für eine verbindliche Rechtsberatung und -vertretung suchen Sie bitte einen Anwalt auf.


Sheherazade

Zitat von: Ottokar am 16. August 2024, 09:44:49Anspruch auf Kindesunterhalt während einer Zweitausbildung besteht i.d.R. nicht.

Das ist nur der 2. Versuch einer Erstausbildung des U25-jährigen TE. Von daher KÖNNTE Anspruch auf Unterhalt bestehen.
"In Krisenzeiten suchen  die Intelligenten nach Lösungen, während die Schwachköpfe nach Schuldigen suchen." Totó 1898-1967

"Höher, schneller, weiter!" ist nicht das Problem. Das Problem ist: "Ich zuerst!", "Alles meins!" und "Mir doch egal!"

Ottokar

So ist die Zählweise bei Ausbildungen aber nicht. Das Gesetz stellt nicht auf die erfolgreiche Erstausbildung oder Studium ab, sondern auf eine angemessene Vorbildung zu einem Beruf.
Ob der Azubi die erste Ausbildung erfolgreich oder erfolglos beendet, oder abbricht, spielt dabei keine Rolle.
Die Rechtsprechung kennt nur ganz wenige Ausnahmen für eine Unterhaltspflicht bei einer zweiten Ausbildung, etwa wenn die erste Ausbildung nicht den Fähigkeiten oder Interessen des Kindes entspricht und deshalb abgebrochen wurde, oder aus gesundheitlichen Gründen nicht fortgeführt oder erfolgreich beendet werden konnte.
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TripleH

Die Rechtsprechung zum Unterhalt stellt darauf ab, wieso die erste Ausbildung abgebrochen wurde (Gesundheit, Neigung etc). Es kann daher sehr wohl ein Unterhaltsanspruch bestehen und genau das wird das JC prüfen, da der Anspruch nach § 33 SGB II cessio legis auf das Jobcenter übergeht.

Conny1115

Vielen Dank für die Antworten. Ich habe meine Erstausbildung bis zum Ende gemacht, bin dann aber durch die Abschlussprüfung gefallen und habe diese nicht mehr wiederholt. Aber unabhängig davon: Kann der Grund, warum das Jobcenter nie nach meinen Eltern gefragt hat, darin liegen, dass ich schon 2 Jahre vor meiner Bedürftigkeit in meiner eigenen Wohnung lebte?

TripleH

Der Unterhalt geht nur über, wenn du eine Schule besuchst oder eine Ausbildung machst.

Sheherazade

Zitat von: Conny1115 am 16. August 2024, 16:36:56Kann der Grund, warum das Jobcenter nie nach meinen Eltern gefragt hat, darin liegen, dass ich schon 2 Jahre vor meiner Bedürftigkeit in meiner eigenen Wohnung lebte?

Eine Antwort darauf gab es schon. Und den Hinweis auf Beantragung von BAB, denn den Bescheid (egal ob positiv oder negativ) will das Jobcenter sehen.

Zitat von: Ottokar am 16. August 2024, 09:44:49Du lebst nicht bei deinen Eltern, damit gehen das JC Einkommen und Vermögen deiner Eltern auch nichts an.
Wenn das JC dich aufgefordert hat, BAB zu beantragen, musst du das tun, auch wenn du nach deinen Recherchen vermutlich keinen Anspuch hast.

"In Krisenzeiten suchen  die Intelligenten nach Lösungen, während die Schwachköpfe nach Schuldigen suchen." Totó 1898-1967

"Höher, schneller, weiter!" ist nicht das Problem. Das Problem ist: "Ich zuerst!", "Alles meins!" und "Mir doch egal!"

Ottokar

Zitat von: TripleH am 16. August 2024, 13:18:17Die Rechtsprechung zum Unterhalt stellt darauf ab, wieso die erste Ausbildung abgebrochen wurde (Gesundheit, Neigung etc).
Nichts Anderes hatte ich geschrieben.
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