Ratgeber Einkommensanrechnung

Begonnen von Ottokar, 15. November 2008, 12:57:12

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Ottokar

Das SGB II kennt nur zwei Einkommensarten:

1. Einkommen aus Erwerbstätigkeit,
2. sonstiges Einkommen.

Erwerbstätigkeit (= Tätigkeit zum Erwerb von Einkommen) ist jede Tätigkeit die man mit der Absicht ausübt, dafür eine Vergütung (= Geld) zu erhalten. Welchen zeitlichen Umfang diese Tätigkeit hat, ob sie mit Arbeitsvertrag, auf Honorarbasis oder als Selbstständigkeit ausgeübt wird, ist dabei vollkommen egal.
Alles Einkommen, das nicht aus Erwerbstätigkeit stammt (KiGe, Zinsen, etc.), ist sog. sonstiges Einkommen.

Bei beiden Einkommensarten gibt es Einkünfte, die aufgrund ihrer Zweckbindung ganz oder teilweise nicht angerechnet werden, sog. zweckgebundenes bzw. privilegiertes Einkommen.

Nicht als Einkommen zu berücksichtigen sind:
- Einnahmen von Schülerinnen und Schülern allgemein- oder berufsbildender Schulen aus Einkommen während der Schulferien ausgeübter Erwerbstätigkeit,
- steuerfreie Aufwandsentschädigungen (§ 3 Nr 12, 26, 26a EStG) in Höhe von 3.000 Euro im Kalenderjahr,
- die Aufwandspauschale für Betreuer (§ 1878 BGB) in Höhe von 3.000 Euro im Kalenderjahr,
- Mutterschaftsgeld nach § 19 des Mutterschutzgesetzes,
- Elterngeld, wenn dieses aufgrund Einkommens aus Erwerbstätigkeit berechnet wurde, i.H.v. 300€ pro Monat (150€ bei Elterngeld Plus),
- alle in § 1 Bürgergeld-Verordnung genannten Einkommen und Beträge.

Anrechnung von Einkommen aus Erwerbstätigkeit
Vom Nettoeinkommen werden Freibeträge, die vom Bruttoeinkommen ermittelt werden, abgezogen.
Bei Selbständigkeit stellt der Gewinn das Bruttoeinkommen dar.
Das Ergebnis ist das auf das Bürgergeld anrechenbare Einkommen.
Die Freibeträge werden dabei wie folgt ermittelt (§§ 11 bis 11b SGB II):

Grundfreibetrag: 100€
Freibetrag 1: 20% des Brutto von 100,01€ bis 520,00€
Freibetrag 2: 30% des Brutto von 520,01€ bis 1000,00€
Freibetrag 3: 10% des Brutto von 1000,01€ bis 1200,00€, bei mindestens einem minderjähigen Kind bis 1500€

Darüber hinaus können bestimmte Beträge zusätzlich zum Grundfreibetrag abgesetzt werden, das sind:
- der Zusatzbeitrag zur GKV (§ 11b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB II),
- aufgrund gesetzlicher Unterhaltsverpflichtungen nach einem Unterhaltstitel oder einer notariell beurkundeten Unterhaltsvereinbarung tatsächlich gezahlter Unterhalt (§ 11b Abs. 1 S. 1 Nr. 7 SGB II),
- der Betrag, der als Elternunterhalt bei der Berechnung von Bafög oder BAB berücksichtigt wird.

Kinder und Jugendliche unter 25 erhalten einen erhöhten Grundfreibetrag i.H. der Geringfügigkeitsgrenze nach § 8 Abs. 1a SGB IV von derzeit 520 Euro:
- auf ihre Ausbildungsvergütung, wenn die Ausbildung förderungsfähig ist,
- als Schülerinnen und Schüler allgemein- oder berufsbildender Schulen auf Einkommen aus während der Schulzeit ausgeübter Erwerbstätigkeit,
- auf Einnahmen aus dem Bundes- oder Jugendfreiwilligendienst.

Aufwandserstattungen, "Spesen" etc. sind Einkommen, soweit diese über die Lohnabrechnung erstattet werden.

Kindergeld ist Einkommen des Kindes, in der Höhe in der das Kind es zur Deckung seines Bedarfes benötigt.
Benötigt das Kind sein Kindergeld nicht oder nur zum Teil für seinen Bedarf, wird das den Bedarf des Kindes übersteigende Kindergeld beim Kindergeldberechtigten als sonstiges Einkommen angerechnet.
Ist das Kind 25 Jahre oder älter, wird das Kindergeld generell dem Kindergeldberechtigten als Einkommen angerechnet.
Lebt das Kind nicht mehr im Haushalt der Eltern und leiten diese das Kindergeld nachweislich an das Kind weiter, ist es Einkommen des Kindes, an das es weitergeleitet wird

Statt des Grundfreibetrages können bei einem Bruttoeinkommen ab 400,01€/Monat auch die tatsächlichen Kosten angesetzt werden, wenn diese höher sind.
Zu den tatsächlichen absetzbaren Kosten gehören u.a.:
a) die Pauschale für priv. Versicherungen i.H.v. 30€,
oder stattdessen die nachgewiesenen Beiträge für freiwillige private Haftpflicht-, Hausrat-, Unfall-, Lebens-, Berufs-, Erwerbsunfähigkeits, Kranken- und Rentenversicherung, aber nur sofern diese Versicherungen erforderlich sind,
b) monatlich 1/12 der Beiträge für gesetzlich vorgeschriebene Versicherungen, hierzu gehört u.a. die Kfz-Haftpflichtversicherung,
c) Beträge für staatliche Altersvorsorge nach § 82 EStG bis zur Höhe des Mindesteigenbeitrages nach § 86 EStG,
d) die tatsächlichen Werbekosten, dazu gehören u.a. die Aufwendungen für
- doppelte Haushaltsführung (aufgrund auswärtiger Tätigkeit, wenn Umzug und Tagespendeln nicht zumutbar ist, pauschal als Mehraufwand die Differenz zwischen Regelleistung bei Partnern und bei Alleinstehenden, Kosten für die Unterkunft/Heizung am auswärtigen Ort in tatsächlicher Höhe, die wöchentliche Familienheimfahrt (die von der BA in ihrer FH 11.150 vorgenommene Begrenzung auf 1 bzw. 2 Heimfahrten im Kalendermonat ist mangels rechtlicher Grundlage rechtswidrig),
- Beiträge zu Berufsverbänden und Gewerkschaften,
- Kinderbetreuungskosten (sofern nicht nach SGB VIII gezahlt),
- Arbeitsmaterial, Berufskleidung, Arbeitsmittel, Fachliteratur, Fortbildung, Reisekosten,
- Umzugskosten,
- Bewerbungskosten,
- Reparatur- und Unfallkosten für KFZ (sofern dieses zum Erreichen des Arbeitsortes benötigt wird, bzw. der Unfall auf dem Weg zur, während oder von der Arbeit passiert ist),
e) Fahrtkosten zum Erreichen des Arbeitsplatzes (0,20€ je Entfernungskilometer, oder die tatsächlichen höheren, oder die für öffentliche Verkehrsmittel; max. i.H. der für öffentliche Verkehrsmittel),
f) Abwesenheitspauschale für Arbeitnehmer i.H.v. 6€ pro Tag (wenn der Arbeitnehmer nicht am vertraglichen Arbeitsort beschäftigt wird und mindestens 12 Std./Tag von zu Hause und seinem vertraglichen Arbeitsort abwesend ist).
Hinzu kommen noch die schon genannten zusätzlich zum Grundfreibetrag absetzbaren Beträge.

Besonderheiten bei Minijobs
Der Gesetzgeber hat ab 01.01.2013 die Verdienstgrenze für Minijobs von 400 Euro auf 450 Euro angehoben.
Allerdings wurde § 11b Abs. 2 S. 1 SGB II nicht geändert, dort gilt noch immer die 400€-Grenze für die Absetzung von tatsächlichen Ausgaben statt des Grundfreibetrages. Damit sollen alle in § 11 Abs. 1 SGB II genannten Aufwendungen abgegolten sein. Hier heißt es also rechnen, ob der Grundfreibetrag ausreicht. Wenn nicht, ist das gemäß § 10 SGB II ein wichtiger Grund, den Job nicht anzunehmen.
Bei Minijobs besteht nun automatisch eine Versicherungspflicht in der Rentenversicherung (Ausnahme: Altersrentner). Der Minijobber zahlt also 3,9% (bzw. von 13,9% bei Minijobs in Privathaushalten) seines Bruttos an die Rentenversicherung und bekommt nicht mehr Netto für Brutto.
Allerdings besteht die Möglichkeit, sich jederzeit von der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung befreien zu lassen. Davon ausgenommen sind nur diejenigen, die bereits vor dem 01.01.2013 Rentenversicherungsbeiträge aufgestockt haben.

Besonderheit für Selbstständige 
Da es bei Selbständigen kein Nettoeinkommen gibt, müssen dort zusätzlich
- die auf das Einkommen zu entrichtenden Steuern und
- (analog zu den SV-Beiträgen) die Beiträge zur Kranken-, Renten-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung
abgesetzt werden.
Beiträge für andere gesetzlich vorgeschriebene Versicherungen, die aufgrund der Selbständigkeit erforderlich sind, sind als Betriebsausgaben abzusetzen.

Besonderheit bei Minderjährigen unter 15
Lt. § 1 Abs. 1 Nr. 9 ALG II-V kann ein minderjähriger Hilfebedürftiger bis zu seinem 15. Geburtstag (nur) einen 100€ Pauschalfreibetrag für Einkommen aus Erwerbstätigkeit geltend machen, wobei Kinder unter 13 Jahren generell keine Erwerbstätigkeit ausüben dürfen (§ 5 JArbSchG). Mit diesem Pauschalfreibetrag sind, analog zu § 11 Abs. 2 Satz 2 SGB II, u.a. die Aufwendungen zur Erzielung dieses Einkommens abgegolten. D.h. dieser Pauschalfreibetrag ist kein "Reingewinn", wenn das Kind Ausgaben, z.B. Fahrkosten, für die Tätigkeit hat.
Alles was über dem Freibetrag liegt, mehrere Tätigkeiten werden zusammen gerechnet, wird zu 100% auf das Sozialgeld angerechnet.
Mit Genehmigung der Eltern kann ein Kind ab 13 Jahren (§ 5 Abs. 3 JArbSchG) die in § 2 KindArbSchV genannten Erwerbstätigkeiten ausüben, z.B. Austragen von Zeitungen, Zeitschriften, Anzeigenblättern und Werbeprospekten, wobei das manuelle Tragen von Lasten dabei 7,5 kg nicht überschreiten darf und die Beschäftigung nicht mehr als zwei Stunden (in landwirtschaftlichen Familienbetrieben nicht mehr als drei Stunden) täglich, nicht zwischen 18 und 8 Uhr, nicht vor dem Schulunterricht und nicht während des Schulunterrichts stattfinden darf (§ 2 Abs. 2 KindArbSchV, § 5 Abs. 3 JArbSchG).

Anrechnung von sonstigem Einkommen
Sonstige Einnahmen sind alle Einnahmen, die nicht aus einer Erwerbstätigkeit stammen. Dazu gehören u.a.: Zinsen, Geldgeschenke, Kindergeld, Unterhalt.
Absetzungen sind hier aber nur zulässig, wenn nicht noch parallel Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielt wird. Ausnahme: Wenn das Erwerbseinkommen geringer ist als der Grundfreibetrag, können die von der Einkommensart unabhängigen und auch vom sonstigen Einkommen absetzbaren Beträge i.H. des ungenutzten Teiles des Grundfreibetrages auf das sonstige Einkommen übertragen und dort abgesetzt werden.
Abgesetzt werden können:
- Freibetrag für priv. Versicherungen i.H.v. 30€ (nur für Volljährige),
- Steuern (sofern das sonstige Einkommen steuerpflichtig ist; auch absetzbar, wenn parallel Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielt wird),
- Zusatzbeitrag zur GKV,
- Beiträge zur Riester-Rente,
- titulierte Unterhaltszahlungen,
- Beiträge zu gesetzlichen Pflichtversicherungen wie KFZ-Haftpflicht,
- die zur Erzielung dieses Einkommens erforderlichen Aufwendungen in tatsächlicher Höhe (diese sind auch absetzbar, wenn parallel Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielt wird).


Vorläufige Bewilligung
Wenn das Jobcenter die genaue Höhe des Einkommens nicht kennt oder Einkommen in unterschiedlicher Höhe zufließt, muss es über die Leistung vorläufig entscheiden (§ 41a Abs. 1 SGB II). Diese Regelung wurde zwar als "ist"-Vorschrift ausgestaltet, d.h. es ist dafür kein separater Antrag erforderlich, in der Praxis sieht es aber meist anders aus.
Nach Ablauf des Zeitraumes der vorläufigen Bewilligung sollte man unbedingt eine abschließende Entscheidung über den ALG II Antrag auf der Grundlage des tatsächlichen monatlichen Einkommens beantragen. Andernfalls kann das JC bis zu 10 Jahre danach noch Rückforderungen stellen.
Meine Beiträge beinhalten oder ersetzen keine anwaltliche Beratung oder Tätigkeit.
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