Erben

Begonnen von Ottokar, 05. September 2011, 10:11:24

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Ottokar

- Urteil vom 06.05.2010, B 14 AS 2/09 R:
Ein Hilfeempfänger muss seinen Pflichtteilsanspruch nur dann nicht geltend machen, wenn dadurch auf Seiten des pflichtteilsberechtigten Hilfeempfängers oder des Erben eine unzumutbare Situation entstünde (besondere Härte).
Im vorliegenden Fall ging es um ein selbst genutztes Eigenheim, dass die Ehefrau des Erblassers im Wege eines sog. Berliner Testaments erbte.
Sofern der Pflichteilsanspruch durch Barvermögen erfüllt werden kann, Abtretung, Verkauf oder Verpfändung der Forderung möglich ist, ist die Geltendmachung generell zumutbar.
Auch wenn der Erbe dafür das Haus mit einem Kredit belasten muss, welcher ihm, hinsichtlich seiner finanziellen Gesamtsituation, den in § 1 Abs. 2 ALG II-V genannten Selbstbehalt garantiert, ist die Geltendmachung zumutbar.
Ebenfalls nicht unzumutbar ist der, mit der Geltendmachung des Pflichtteilsanspruches eintretende, Erbverlust, da dieser nicht beziffert werden kann.
Unzumutbar wäre hingegen der Verkauf des Hauses, oder die Inkaufnahme eines familiären Zerwürfnisses.
Zur Beurteilung einer Verwertbarkeit ist regelmäßig der Zeitraum der Leistungsgewährung nach § 41 SGB II anzunehmen, i.d.R. also 6 Monate.
Anm. Ottokar:
Das BSG macht hierin generelle allgemeingültige Ausführungen zur Definition von Verwertbarkeit, Unwirtschaftlichkeit und besonderer Härte im Sozialrecht.
Durch die Erbrechtsreform von 2010 kann der Erbe die Stundung der Auszahlung des Pflichtteils verlangen, wenn diese für ihn eine "unbillige Härte" darstellt. An eine solche Entscheidung wäre auch das Sozialrecht gebunden.
Ob ein Pflichtteilsverzicht bei drohendem oder während des Leistungsbezuges sittenwidrig ist, dazu gibt es keine höchstrichterliche Entscheidung des BSG. Im der bisherigen Sozialrechtsprechung wird ein wissentlich zu Lasten der Allgemeinheit vorgenommener Pflichtteilsverzicht jedenfalls als sittenwidrig und damit unwirksam angesehen.


- Urteile vom 28.10.2009, Az. B 14 AS 62/08 R, und vom 24.2.2011, Az. B 14 AS 45/09 R:
Eine Erbschaft ist beim Erben am Tag des Todesfalls des Erblassers zu berücksichtigen, da das Erbe mit dem Eintritt des Todesfalls unmittelbar in den Besitz des Erben übergeht (§ 1922 Abs. 1 BGB).
Bei einem Vermächtnisnehmer ist hingegen der tatsächliche Zufluss des Vermächtnisses ausschlaggebend.

- Urteil vom 12.06.2013, B 14 AS 73/12 R:
Ein Erbe gilt erst mit dem Zufluss als "bereite Mittel".

- Urteil vom 08.05.2019, B 14 AS 15/18 R
Zum Zeitpunkt des Erbfalls erlangt der Erbe lt. § 1922 BGB rechtlich das Eigentum am Erbe, somit entscheidet dieser Zeitpunkt darüber, ob das Erbe im SGB II als Einkommen oder Vermögen zu berücksichtigen ist.
Maßgeblich für die Berücksichtigung als den Bedarf mindernde bereite Mittel ist jedoch, wann über das Erbe tatsächlich verfügt werden kann.
Im verhandelten Fall ist der Erbfall im laufenden Bezug eingetreten, womit das Erbe als Einkommen klassifiziert wurde.
Bevor das Erbe zugeflossen war und als bereite Mittel hätte mindernd beim ALG II berücksichtigt werden können, wurde der Leistungsbezug aufgrund bedarfsdeckendem Einkommen für mind. einen Monat unterbrochen.
Aufgrund der Unterbrechung trat mit dem späteren Neuantrag auf ALG II ein neuer Leistungsfall ein (u.a. B 14 AS 23/13 R), bei dem alles was der Antragsteller bereits vorher hatte, somit auch das Erbe, als Vermögen zu berücksichtigen war. Dass das Erbe im vorherigen Leistungsbezug noch nicht verfügbar war, ändert daran nichts.
Die bislang vertretene These, dass eine Unterbrechung des Leistungsbezuges für mind. einen Monat dazu führt, das erst im Unterbrechungszeitraum (bereits "zugeflossenes" aber bislang nicht "verfügbares" und nun) verfügbar werdendes Einkommen im Folgemonat als Vermögen anzusehen ist, ist damit hinfällig.
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