BSG: K. Anrechung einer Nachzahlung von Asylbewerberleistungen auf Hartz IV

Begonnen von Gast38010, 06. September 2015, 16:23:37

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Gast38010

http://sozialberatung-kiel.de/2015/09/01/keine-anrechung-einer-nachzahlung-von-asylbewerberleistungen-auf-hartz-iv/
BSG, Urteil vom 25.06.2015, B 14 AS 17/14 R
ZitatEine Nachzahlung von Asylbewerberleistungen ist nicht als Einkommen auf den ALG II-Anspruch anzurechnen. Dies hat das Bundessozialgericht (BSG) klargestellt.

Die Kläger, ein Ehepaar mit zwei Kindern, erhielten ALG II. Nachdem den Klägern Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) in Höhe von circa 7.000 € nachgezahlt worden waren, hob das beklagte Jobcenter die Bewilligung mit der Begründung auf, die Kläger seien aufgrund der als Einkommen zu berücksichtigenden Nachzahlung nicht mehr hilfebedürftig. Das Sozialgericht hatte die Klage abgewiesen, das Landessozialgericht die Berufungen zurückgewiesen. Das Bundessozialgericht hob die vorinstanzlichen Entscheidungen sowie den Aufhebungsbescheid des Jobcenters nun auf, weil die Nachzahlung nicht als Einkommen nach dem SGB II zu berücksichtigen ist.

Zur Begründung hat das BSG angeführt, dass es nicht dem Sinn und Zweck des Gesetzes entspreche, eine rechtswidrige Vorenthaltung von Leistungen nach dem AsylbLG dadurch zu belohnen, dass spätere Nachzahlungen auf den ALG II-Anspruch angerechnet werden. Zudem scheide eine wechselseitige Anrechnung von Leistungen nach dem SGB II (ALG II), SGB XII (Grundsicherung) und AsylbLG aufgrund ihrer gemeinsamen Zwecksetzung, das verfassungsrechtlich geschützte menschenwürdige Existenzminimum zu gewährleisten, aus.

Gast32821

Sehr schön. Aber warum wird eine Steuerrückerstattung egal von wann die Steuern zu unrecht erhoben wurden voll angerechnet?

Gast36005

weil es Einkommen ist, weil dieses Einkommen nicht privilegiert ist.
voll is nich, sondern 30,- Freibetrag.

Quinky

Ganz besonders interessant ist diese Begründung des BSG:

Zur Begründung hat das BSG angeführt, dass es nicht dem Sinn und Zweck des Gesetzes entspreche, eine rechtswidrige Vorenthaltung von Leistungen nach dem AsylbLG dadurch zu belohnen, dass spätere Nachzahlungen auf den ALG II-Anspruch angerechnet werden. Zudem scheide eine wechselseitige Anrechnung von Leistungen nach dem SGB II (ALG II), SGB XII (Grundsicherung) und AsylbLG aufgrund ihrer gemeinsamen Zwecksetzung, das verfassungsrechtlich geschützte menschenwürdige Existenzminimum zu gewährleisten, aus.

Bei Sanktionen das verfassungsrechtlich geschützte Existenzminimum!!!!! zu verweiern ist verfassungsgemäß., d.h. eventuell den Todesfall als rechtlich korrekt anzusehen!!!

Gr´ß
Ernie

Floeti

Kann man das Urteil irgendwo schon im Ganzen lesen?
Ich frage mich, ob das auch auf Wohngeldnachzahlungen übertragbar ist, die erst nach einem Widerspruch gezahlt wurden. Ein Teil der Begründung scheint ja zu sein, dass durch das rechtswidrige Vorenthalten der Leistungen kein Vorteil für die Behörden entstehen soll.


Gast38010

Aus dem von Dagobert1 verlinkten Urteil. Punkt 14.

Floeti, vllt für deine Frage von Relevanz?
ZitatDemgemäß sind Nachzahlungen von Leistungen nach dem SGB II, die Anspruchsteller zB im Rahmen eines Gerichtsverfahrens für frühere Bewilligungsabschnitte erstritten haben und nun ausgezahlt werden, ebenfalls nicht als Einkommen im laufenden Bewilligungsabschnitt zu berücksichtigen (Mues in Estelmann, SGB II, Stand: Mai 2015, § 11a RdNr 12; Schmidt in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2014, § 11a RdNr 5). Eine andere Auslegung würde gegen den gesetzlichen Rechtsanspruch auf die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende verstoßen und die Verpflichtung des Leistungsträgers nach § 17 Abs 1 Nr 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil (SGB I), darauf hinzuwirken, dass die Berechtigten die ihnen zustehenden Sozialleistungen umfassend und zügig erhalten, in ihr Gegenteil verkehren, weil die zunächst erfolgte rechtswidrige Leistungsverweigerung "belohnt" werden würde; außerdem wäre dies mit dem Gebot einer effektiven Rechtsschutzgewährung nicht vereinbar (Art 19 Abs 4 Grundgesetz <GG>
Ich muss nochmal genau in die bisher geplanten Rechtsvereinfachungen schauen. Denn nach meiner Erinnerungen stand da irgendwas drinne v.w. das erstrittenes ALG II zu einer " Überzahlung" führen würde. Aber ich will mich da nicht zu weit aus dem Fenster hängen.



Floeti

@dagobert1
Leider hab ich da keinen Account. Deswegen frage ich.

@shili
In deinem Zitat geht es um die Nachzahlung von SGB-II-Leistungen. Die sind nach §11a Abs. 1 sowieso nicht anzurechnen. Ich bin der Meinung, dass diese Argumentation, dass bei einer Anrechnung "die zunächst erfolgte rechtswidrige Leistungsverweigerung "belohnt" werden würde", auch auf andere Sozialleistungen übertragen werden sollte. Ob das BSG das aber nu ganz allgemein auch so sieht oder nur bei Leistungen nach dem AsylbLG, wird mir aus der Zusammenfassung des Urteils nicht klar.

Muss ich wohl mal abwarten, bis das Urteil öffentlich verfügbar ist.

Gast38010

Ach Mist,   :schock: den Link den Dagobert1 eingestellt hatte funktionierte gestern kurzzeitig als vollständiges Urteil noch.
Daraus habe ich nämlich mein obiges Zitat.

@ Floeti
ZitatIch bin der Meinung, dass diese Argumentation, dass bei einer Anrechnung "die zunächst erfolgte rechtswidrige Leistungsverweigerung "belohnt" werden würde", auch auf andere Sozialleistungen übertragen werden sollte.
Das denke ich eigentlich auch. Wobei ich allerdings sagen muss, dass das BSG nicht immer für mich nachvollziehbar urteilt.

Aber ich wollte mehr auf dies hinaus:
Zitatdass die Berechtigten die ihnen zustehenden Sozialleistungen umfassend und zügig erhalten, in ihr Gegenteil verkehren, weil die zunächst erfolgte rechtswidrige Leistungsverweigerung "belohnt" werden würde; außerdem wäre dies mit dem Gebot einer effektiven Rechtsschutzgewährung nicht vereinbar (Art 19 Abs 4 Grundgesetz <GG
Wenn Wohngeld eine Sozialleistung ist, wäre es vllt. möglich dies mit diesen beiden Begründungen ( rechtswidrige Leistungsverweigerung und Rechtsschutzgewährung)  zu verknüpfen. Ein Anwalt wäre aber sicherlich viel, viel besser geeignet dies qab zu schätzen.


Ich bin nur noch verwirrt- irgendwie  :schaem:
http://juris.bundessozialgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bsg&Art=en&nr=13979

Gast26342

Zitat von: Floeti am 10. September 2015, 09:14:44
@dagobert1
Leider hab ich da keinen Account. Deswegen frage ich.
[...]
Muss ich wohl mal abwarten, bis das Urteil öffentlich verfügbar ist.
Ist es inzwischen, siehe unten oder Link im Vorpost (oder auch den Link zu dejure ein paar Beiträge weiter oben).
http://juris.bundessozialgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bsg&Art=en&Datum=2015&nr=13979&pos=2&anz=80
Zitat von: Gast38010 am 10. September 2015, 16:46:54
Ach Mist,   :schock: den Link den Dagobert1 eingestellt hatte funktionierte gestern kurzzeitig als vollständiges Urteil noch.
Daraus habe ich nämlich mein obiges Zitat.
Sicher?
Oder meinst du grad den anderen Thread?
http://hartz.info/index.php?topic=94729.msg986595#msg986595
:flag:
Auf Sozialgerichtsbarkeit gibt's das Urteil jetzt auch, ihr habt die freie Auswahl.
https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=180115

Floeti

Das ging ja schneller als gedacht. So richtig schlau bin ich aber nicht draus geworden.

Positiv klingt erstmal die Feststellung, dass der §11 keine abschließende Regelung darstellt. Es gibt also Interpretationsspielraum. Allerdings scheint sich das Urteil vor allem auf die systematischen Zusammenhänge von Leistungen nach dem SGB II und dem AsylbLG zu stützen, was so nicht aufs Wohngeld übertragbar ist.

Der letzte Abschnitt klingt auch nicht so gut:
Die weiteren zahlreichen Einnahmen, insbesondere Nachzahlungen, die nach der Rechtsprechung des BSG im Unterschied zu der vorliegenden Nachzahlung nach dem AsylbLG als Einkommen nach § 11 Abs 1 SGB II aF oder jetzt nach § 11a Abs 1 Satz 1 SGB II nF zu berücksichtigen sind, stammen nicht aus einem mit den drei Existenzsicherungssystemen SGB II, SGB XII und AsylbLG vergleichbaren Rechtsgrund, sodass aus ihnen nichts für die Beurteilung von Leistungen nach dem AsylbLG hergeleitet werden kann.

Wobei die genannten Einnahmen (Steuerrückerstattung, Krannkengeld, Abfindung...) nochmal was anderes als eine Wohngeldnachzahlung sind. Die Punkte zur rechtswidrigen Leistungsverweigerung und Rechtsschutzgewährung könnte man verwenden. Vielleicht lohnt es sich also trotzdem, es mal mit diesem Urteil zu versuchen. Man braucht nur den passenden Richter :clever: