Sozialgericht Gotha hält Hartz IV Sanktionen für verfassungswidrig

Begonnen von Diskus, 27. Mai 2015, 15:25:32

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Gast38171

Zitat von: Gast38338 am 03. Oktober 2015, 18:12:11wenn es so zu verstehen ist, daß bereits im von dir genannten BVerfG-Beschluß die 100% stets verfügbar sein müssen, macht doch dieser Leitsatz keinen Sinn.

Wie verstehst du dieses denn ?

Der gesetzliche Leistungsanspruch muss so ausgestaltet sein, dass er stets den gesamten existenznotwendigen Bedarf jedes individuellen Grundrechtsträgers deckt (vgl. BVerfGE 87, 153 <172>; 91, 93 <112>; 99, 246 <261>; 120, 125 <155 und 166>). Wenn der Gesetzgeber seiner verfassungsmäßigen Pflicht zur Bestimmung des Existenzminimums nicht hinreichend nachkommt, ist das einfache Recht im Umfang seiner defizitären Gestaltung verfassungswidrig.
https://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/ls20100209_1bvl000109.html, 137

Gast38338

Tja, welchen BVerfG-Text nehmen wir denn nun? neues Problem, oder was? meinst du mit STETS etwa monatlich?

und was wäre mit denen, die schon nach 2 Wochen "fertig haben"? Nochmal nachzahlen, oder was?

@mir reichts stellt auf 2014 ab, du auf 2010
im Leitsatz zum Beschluß von 2014 kommt das Wort "Ansparung" vor, sagt dir das was?

Gast38171

#557
Zitat von: Gast38338 am 03. Oktober 2015, 21:05:13meinst du mit STETS etwa monatlich?

Da musst du das BVerfG fragen. Für mich bedeutet es das  LEs niemals eine finanziellen Unterdeckung erfahren dürfen. Es war übrigens die erste Entscheidung des BVerfG vom 9. Februar 2010 zum RS. Danach hat die Besetzung des BVerfG ein wenig gewechselt. Kannst ja mal schauen wer von wem vorgeschlagen wurde! Ein Schelm der Böses vermutet.
https://de.wikipedia.org/wiki/Bundesverfassungsgericht, Senate

Zitat von: Gast38338 am 03. Oktober 2015, 21:05:13im Leitsatz zum Beschluß von 2014 kommt das Wort "Ansparung" vor, sagt dir das was?

Jupp, die Ansparungen sind nur nicht mehr möglich, da man vom RS die nicht übernommen Energiekosten, zu gering berechneten Bedarfe ( Fahrkarten , ect.) ausgleichen muss. Ansparungen aufgebraucht  :schock: Und nun?

oldhoefi

 :offtopic:   @Martell,

ich kann dankend auf Deine sinnfreien Ausführungen mir gegenüber verzichten. Diese habe ich weder nötig, noch habe ich DIR eine gezielte Frage gestellt.

Deshalb werde ich diese auch nicht weiter kommentieren, da ich wahrlich Sinnvolleres zu tun habe. :bye:

Gast18959

#559
Zitat von: Gast37751 am 03. Oktober 2015, 17:19:18Das ist falsch. Nirgendwo wird eine Aufteilung in 70% Existenz und 30% Teilhabe vorgenommen. Auch das BVerfG geht nicht davon aus. Allerdings macht der Gesetzgeber - dem laut BVerfG die Bemessung des Existenzminimums zukommt - in den §§ 31a Abs. 3 Satz 1, 43 Abs. 2 Satz 2 SGB II deutlich, dass er bezogen auf den Regelbedarf das Existenzminimum bei 70% verortet.

Und wohl, war Regierung und BSG der Meinung man könne frei auf die Bedarfe für Teilhabe zurückgreifen um ungedeckte existenznotwendige Bedarfe  "aufzufüllen".
Die Summe der Bedarfe für die Teilhabe (über 100 Euro) liegt etwa bei 30 %.
Rn 60
http://juris.bundessozialgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bsg&Art=en&nr=1266

Mit deiner beim DRB abgeschriebenen Auslegung der "70%" Regelleistung kannst du hier Niemanden beeindrucken.
Denn
erstens, hat das BfervG 2010 dem "Gesetzgeber" oktroyiert,  die bedarfsrelevanten Positionen zu ermitteln und
zweitens, den Leistungsanspruch in Tatbestand und Rechtsfolge zu konkretisieren.

Dies hat der Gesetzgeber mit dem RBEG vollzogen und das Minimum nach der Bedarfsermittlung festgeschrieben.
http://www.gesetze-im-internet.de/rbeg/BJNR045310011.html
Jegliche Sanktion in dieses errechnete Minimum ergibt zwangsläufig eine Unterdeckung der festgestellten Bedarfe.
Sanktionen in jetziger Form widersprechen der Vorgabe das Minimum berechnen zu müssen, sie können daher nicht grundrechtskonform sein.

So jedenfalls das BverfG 2010 :

RN 221
Zitat"Wenn der Gesetzgeber seiner verfassungsmäßigen Pflicht zur Bestimmung des Existenzminimums nicht hinreichend nachkommt, ist das einfache Recht im Umfang seiner defizitären Gestaltung verfassungswidrig."
http://openjur.de/u/174738.html

Ausserdem solltest du dieses Urteil nochmal genauer lesen :

http://www.bverfg.de/entscheidungen/ls20120718_1bvl001010
Zum Beispiel RN 112
Zitat"c) Dass die Höhe der Geldleistungen evident unzureichend ist, zeigt sich beispielsweise an den Leistungen für einen erwachsenen Haushaltsvorstand im Vergleich mit der aktuellen Leistungshöhe des allgemeinen Fürsorgerechts des Zweiten und des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch. Zwar sind die Leistungen angesichts der unterschiedlichen Regelungsstruktur nicht unmittelbar vergleichbar. Doch offenbart ein erheblicher Abstand von einem Drittel zu Leistungen nach dem Zweiten und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch, deren Höhe erst in jüngster Zeit zur Sicherung des Existenzminimums bestimmt wurde (......, ein Defizit in der Sicherung der menschenwürdigen Existenz. "

Somit dürfte klar werden, dass 70 % des Minimums im SGB II-Bereich ebenfalls "evident unzureichend" und deshalb verfassungswidrig sind.

Gast26342

Zitat von: Gast37751 am 03. Oktober 2015, 17:19:18
Zitat von: Unwissender am 02. Oktober 2015, 09:53:18
So ein Quark! Wie soll man mit Gutscheinen (bei 100/70% Sanktion bzw. rgänzenden Sachleistungen) die Miete zahlen?
Nix Quark, Tatsache! Erst ab der dritten Verletzung einer Pflicht nach § 31 SGB II werden keine KdU mehr gezahlt. Und selbst wenn es soweit gekommen ist, kann der Betroffene die Leistungsgewährung wiederherstellen, indem er erklärt, seinen Pflichten wieder nachzukommen.
Wobei es sich aber nach § 31a SGB II um eine "Kann"-Regelung handelt, die Leistungsgewährung also keineswegs sicher ist.
Zitat von: Gast37751 am 03. Oktober 2015, 17:19:18
Zitat von: Unwissender am 02. Oktober 2015, 09:53:18
Und was soll der Unsinn, das man es selber in der Hand hat, ob man sanktioniert wird oder nicht? Was, wenn Sachen von einem verlangt werden, die man nicht leisten kann und/oder die sanktionen willkürlich und rechtswidrig verhängt werden? Was hat man da selbst in der Hand?  :wand:
Kein Unsinn, Tatsache! Wenn die Sanktion rechtswidrig ist, kann man sich ja problemlos gerichtlich dagegen wehren.
Und wie lange dauert das?
Nur zur Erinnerung:
Die Sanktion wird sofort vollstreckt, das Geld fehlt also bereits wenn man versucht sich zu wehren.
Zitat von: Gast37751 am 03. Oktober 2015, 17:19:18
Zitat von: Gast18959 am 02. Oktober 2015, 13:11:37
Diesen Irrglauben hat das BverfG mehrfach verneint.
Zuletzt 2014, hat es Regierung und BSG darüber belehrt, dass das Existenzminimum nicht nur die 70 % lebensnotwendige Bedarfe zu decken hat, sondern auch die 30 % Bedarfe für Teilhabe zu decken sind.
Und zwar so eindeutig, dass andere Interpretationen nicht mehr möglich sind.
Das ist falsch. Nirgendwo wird eine Aufteilung in 70% Existenz und 30% Teilhabe vorgenommen. Auch das BVerfG geht nicht davon aus. Allerdings macht der Gesetzgeber - dem laut BVerfG die Bemessung des Existenzminimums zukommt - in den §§ 31a Abs. 3 Satz 1, 43 Abs. 2 Satz 2 SGB II deutlich, dass er bezogen auf den Regelbedarf das Existenzminimum bei 70% verortet.
Mit Urteil vom 18.07.2012 hat das BVerfG die Leistungen nach dem AsylbLG als evident unzureichend angesehen, weil diese etwa ein Drittel unter dem Hartz-IV-Regelsatz lagen. Hat der Gesetzgeber da irgendwas nicht mitbekommen?
Zitatc) Dass die Höhe der Geldleistungen evident unzureichend ist, zeigt sich beispielsweise an den Leistungen für einen erwachsenen Haushaltsvorstand im Vergleich mit der aktuellen Leistungshöhe des allgemeinen Fürsorgerechts des Zweiten und des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch. Zwar sind die Leistungen angesichts der unterschiedlichen Regelungsstruktur nicht unmittelbar vergleichbar. Doch offenbart ein erheblicher Abstand von einem Drittel zu Leistungen nach dem Zweiten und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch, deren Höhe erst in jüngster Zeit zur Sicherung des Existenzminimums bestimmt wurde (vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch der Fraktionen der CDU/CSU und FDP vom 26. Oktober 2010, BTDrucks 17/3404, S. 1 unter A.), ein Defizit in der Sicherung der menschenwürdigen Existenz.
BVerfG, 1 BvL 10/10, Rz. 112

Meck

In der Debatte um die Sanktionspraxis des Harz-IV-Systems wurden am 1. Oktober 2015 im Bundestag die Anträge der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt. Die Linke hatte in ihren beiden Anträgen vorgeschlagen, die Sanktionen bei Hartz IV und Leistungseinschränkungen bei der Sozialhilfe abzuschaffen sowie eine sanktionsfreie Mindestsicherung einzuführen. Die Grünen forderten in ihrem Antrag ein Sanktionsmoratorium, also die Aussetzung der Sanktionen, bis zum Vorliegen einer wissenschaftlichen Analyse der Sanktionspraxis und darauf aufbauender Veränderungsempfehlungen.

-->> http://www.gegen-hartz.de/nachrichtenueberhartziv/nur-die-linke-gegen-sanktionen-bei-hartz-iv-361730.php

Debatte im Bundestag (Dauer 57 Minuten) -->> Sanktionen bei Hartz IV und Sozialhilfe
Finde das grosse Glück in den kleinen Dingen des Lebens und empfinde dadurch wahre Zufriedenheit. LG Meck :bye:

Hexe

Ich erteile keine Rechtsberatung sondern gebe nur meine eigene Erfahrung weiter

Gast38010

Gab es dazu eine namentliche Abstimmung?  Oder vllt. sonstwie eine verlässliche Möglichkeit raus zu bekommen wie evtl. mein zuständige/R Bundestagsabgeordnete/R abgestimmt hat?


Atalante

Im Beitrag #18 von @LadyMiou war das da verlinkt, da gibts ein pdf, wo man alle Abstimmungsergebnisse nach Partei und Namen (alphabetisch sortiert) rauslesen kann...
War das gemeint?

MfG
-_-

Gast38010


Hexe

Ich erteile keine Rechtsberatung sondern gebe nur meine eigene Erfahrung weiter

Meck

Erst das:

ZitatSanktionen gegen Hartz-IV-Empfänger auf dem Prüfstand - "Menschenunwürdige Bestrafung"

Die Nationale Armutskonferenz fordert, die Sanktionen der Jobcenter gegen Hartz-IV-Empfänger abzuschaffen. Das ist am Donnerstag auch Thema im Bundestag. Michaela Hofmann von der Kölner Caritas zu den Gründen der Forderung nach Abschaffung der Strafen.


-->> http://www.domradio.de/themen/caritas/2015-09-30/sanktionen-gegen-hartz-iv-empfaenger-auf-dem-pruefstand

Und nun das:

Die Sanktionen für Hartz-IV-Bezieher müssen reformiert werden. ,,Ein Zuhause zu haben und im Krankheitsfall abgesichert zu sein, ist für alle Menschen existenziell. Dies darf nicht durch die Sanktionspraxis gefährdet werden", so Caritas-Präsident Neher. Er fordert außerdem eine Abschaffung von Sanktionen, die nur Jugendliche betreffen.

Deutlich stärker als Erwachsene werden derzeit Jugendliche unter 25 Jahren sanktioniert. Ihnen können im schlimmsten Fall alle Leistungen im Hartz-IV-Bezug gestrichen werden. Diese Verschärfungen bei den Sanktionierungen müssen dringend abgeschafft werden. Die Erfahrungen aus der Praxis zeigen, dass die betroffenen Jugendlichen mitunter aufgrund der rigiden Sanktionierung den Kontakt zum Jobcenter abbrechen. "Damit geht der Kontakt zu jungen Menschen verloren, die in besonderer Weise Unterstützung brauchen. Dann müssen mühsam wieder durch die öffentlichen Hilfesysteme Kontakte und Vertrauen aufgebaut werden", kritisiert Neher.

-->> http://www.caritas.de/fuerprofis/presse/pressemeldungen/hartz-iv-sanktionen-duerfen-nicht-existe
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