Rechtsverschärfungen im SGB II ab 01.08.2016 - 9. Gesetz zur Änderung des SGB II

Begonnen von Ottokar, 08. November 2015, 15:46:57

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oldhoefi

Rechtsverschärfungsgesetz / 9. SGB II ÄndG

Es gibt weitere Stellungnahmen zum 9. SGB II ÄndG.

So hat nunmehr das Deutsche Studentenwerk (DSW) eine Stellungnahme dazu abgegeben, in dem es notwendige und sinnvolle Änderungen anmahnt.
vom 15.04.2016 --> http://www.studentenwerke.de/de/content/gesetzentwurf-der-bundesregierung-entwurf

Auch gibt es eine Stellungnahme vom Kooperationsverbund Jugendsozialarbeit zum § 16h SGB II und die dortigen Regeln für schwer zu erreichende junge Menschen mit Förderbedarf.
vom 29.04.2016 --> http://www.harald-thome.de/media/files/KV_Stellungnahme_pp_16h_SGB_II.pdf

(Zitat und Quelle: Harald Thomé – Newsletter vom 01.05.2016)

coolio

Glaubt denn irgendjemand, gegen Nahles' zwischenzeitlich eingetretene Massenträgheit noch was erreichen zu können?

Gast21319

Die Nahles ist eh eine Marionette namens Jekyll & Hyde.
Vor Amtsbekleidung als Ministerin schrie sie: "Hartz 4 muss abgeschafft werden"
und seit Bekleidung des Amtes ist die der Meinung, dass es bestehen bleiben muss.

Schizophrenie ist eine Krankheit, die umgehend mit Therapien & Me­di­ka­ti­on behandelt werden muss.

Gast18959

@Alle

Beim Torsten Büscher (Projekt Peine) ist folgendes zu lesen :


Zitat12. Mai 2016 - Hartz IV Reform ab August 2016:

Ab August 2016 kommt eine Hartz IV Reform. Doch welche Veränderungen kommen auf die Leistungsempfänger zu?
Der aktuelle Gesetzesentwurf ist auf den 06. April 2016 datiert und enthällt ab Seite 86 die Veränderungen im Sanktionsbereich. Künftig wird bei jeder Pflichtverletzung nach § 31 SGB II eine Minderung des Arbeitslosengeldes II oder des Sozialgeldes um 30 Prozent des für die erwerbsfähige leistungsberechtigte Person nach § 20 SGB II maßgebenden Regelbedarfs erfolgen. Folgen weitere Pflichtverletzungen und werden diese im laufenden Minderungszeitraum nach § 31b Satz 3 SGB II der vorhergehenden Minderung festgestellt, werden die Minderungsbeträge für die Monate, in denen sich die Minderungen überschneiden, kumuliert. Die gestaffelte Sanktion mit den Stufen 60% und 100% entfallen dann also. Es ist aber dem Jobcenter weiterhin möglich mehrere Sanktionen zu addieren - 30% + 30% bleibt also 60%.

Durch die neue Regelung in § 31a Absatz 2 sind künftig Bedarfe für Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II von Leistungsminderungen nach Absatz 1 ausgenommen. Die Wohnungskosten sind also ab August 2016 (wenn das Gesetz so kommt) vor Sanktionen geschützt.

Mit diesen Veränderungen entschärft sich das Sanktionsrecht erheblich. Diese geplanten Anpassungen im SGB II werden auch wieder zu einem Strategiewechsel für mein Projekt Peine führen.
Am 09. Juni 2016 findet im Bundestag die 2. und 3. Lesung statt und am 08. Juli 2016 der zweite Durchgang im Bundesrat.
http://www.projekt-peine.de/

Hab ich was entscheidentes verpasst oder hängt der Torsten den aktuellen Entwicklungen hinterher ?


Ottokar

Ich weis nicht, was der Herr Büschner da geraucht oder wo er bislang gelebt hat  :wand:

Was das betrifft:
Zitat von: Gast18959 am 12. Mai 2016, 21:04:11Künftig wird bei jeder Pflichtverletzung nach § 31 SGB II eine Minderung des Arbeitslosengeldes II oder des Sozialgeldes um 30 Prozent des für die erwerbsfähige leistungsberechtigte Person nach § 20 SGB II maßgebenden Regelbedarfs erfolgen.
befindet sich Herr Büschner wohl noch in Pre-Hartz IV-Zeiten, denn 30% Sanktionen gibt es schon seit Anbeginn (01.01.2015).
Auch der Rest ins Unfug, denn dabei handelt es sich nicht um die Gesetzesvorlage, sondern den Inhalt der Stellungnahme des Bundesrates dazu (vgl. Bt-Dr 18/8041 ab Seite 85), der nun in den Ausschüssen beraten wird.
Da die Bundesregierung bislang alle Änderungsvorschläge des Bundesrates blockiert und bereits zuvor ausgeführt hat, dass sie die Änderungen der Sanktionsparagraphen aufgrund der Blockadehaltung der CSU nicht im 9. SGB II-ÄndG angehen wird, dürften diese Änderungsvorschläge des Bundesrates keinen Eingang ins 9. SGB II-ÄndG finden.
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Für eine verbindliche Rechtsberatung und -vertretung suchen Sie bitte einen Anwalt auf.


Unwissender

Der Bundesrat muss aber doch zustimmen? Sonst tritt das Gesetz ja nicht in Kraft, oder habe ich da was nicht mitbekommen?
Dumm darf man sein, man muss sich nur zu helfen wissen!

Ottokar

Ja, der Bundesrat muss zustimmen - aber: das bedeutet nicht, dass der Bundesrat die Bundesregierung erpressen kann, seine Vorschläge umzusetzen.
Außerdem ist der Bundesrat mit 8 Bundesländern zu insgesamt 35 Stimmen CDU-dominiert, was für die absolute (Stimmen)Mehrheit ausreicht. Im Zweifelsfall werden die SPD-geführten Länder einspringen, Hartz IV ist ja schließlich deren Kind.
Außerdem hat die Bundesregierung ja schon erklärt, sich danach mit dem Sanktionsrecht des SGB II auseinander setzen zu wollen. Auch wenn dazu die Koalition mit der CSU aufgekündigt werden muss. Ob man diese Aussage ernst nimmt, oder nicht, ist egal.
Siehe auch in Bt-Dr 18/8041 auf Seite 106 unter "Zu den Ziffern 16 bis 21".
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Gast18959

Zitat von: Ottokar am 13. Mai 2016, 08:01:24dabei handelt es sich nicht um die Gesetzesvorlage, sondern den Inhalt der Stellungnahme des Bundesrates dazu (vgl. Bt-Dr 18/8041 ab Seite 85), der nun in den Ausschüssen beraten wird.

Danke Otto,
dachte schon es hätte sich ohne mein Wissen erheblich Neues angebahnt   :grins:

Obwohl !

Hier noch als Aprilscherz :

http://www.nachdenkseiten.de/?p=32638

ergeben sich nun wohl doch noch völlig neue sozialpolitische Perspektiven :

http://www.tagesspiegel.de/politik/spd-in-der-krise-gabriel-trifft-offenbar-lafontaine-und-attestiert-merkel-wende-um-180-grad/13591382.html

Irgendwie muss dem Siggi das Zwanzigprozentloch arg brennen   :mocking:

oldhoefi

Hallo @Ottokar,

zu u. g. Beschluss habe ich mir meine Gedanken gemacht, hoffentlich nicht zu wirr. :grins:

BGH-Beschluss vom 22.03.2016 – AZ: 3 StR 517/15

--> http://hartz.info/index.php?topic=101397.msg1076051#msg1076051

Zitat daraus:

,,Um den Schaden zu belegen, muss aus den Feststellungen in nachvollziehbarer Weise hervorgehen, dass und inwieweit nach den tatsächlichen Gegebenheiten auf die sozialrechtliche Leistung kein Anspruch bestand, mit einer allgemeinen Verweisung auf behördliche Schadensaufstellungen darf sich das Urteil nicht begnügen."

Nach dem 9. SGB II ÄndG soll eine Änderung des § 34 Abs. 1 SGB II eingeführt werden. Also zusätzlich zur Leistungsminderung nach §§ 31ff SGB II ein Ersatzanspruch eintreten, wenn man z. B. eine angebotene Tätigkeit nicht aufnimmt.

Dazu frage ich mich immer noch, wie das JC diesen Ersatzanspruch berechnen will, wenn kein Arbeitsvertrag zustande gekommen ist und somit auch keine nachweisbare Berechnungsgrundlage vorliegen kann.

Da sowohl bei Leistungsbetrug als auch bei Nichtantritt einer Tätigkeit dem Leistungsträger ein Schaden entsteht, der wiederum dem Leistungsempfänger anzurechnen ist, werfe ich das einmal in den (gedanklich) gleichen Topf.

Laut diesen BGH-Beschluss reicht es aber nicht aus, dass die monatlichen Einnahmen geschätzt werden, ebenso wenig eine Schadensberechnung alleinig durch den Leistungsträger.

Unabhängig jetzt von den unterschiedlichen Gerichtsbarkeiten, meine vorausschauende Frage:

Kann die reine Argumentation aus diesem BGH-Beschluss auch auf den zu erwartenden § 34 Abs. 1 SGB II übertragen werden?

coolio

Vermutlich unqualiziert, aber trotzdem:
In der Praxis wird aufgrund der indifferenten Festlegungen nur der gleiche Weg bleiben, wie bei nicht schlüssigen Konzepten zur KDU:
Jeder Einzelfall 'darf' klagen und ist dann von der Gnade des Gerichts abhängig.

Subsummiert: Nahles go home....

Gast40135

Zwischenfrage: Auf Seite eins dieses Threads steht: § 41 Leistungen werden künftig für 12 Monate bewilligt.  Weiß jemand wann das in kraft tritt?

Ottokar

Das Schadenersatzrecht des BGB - und der deutschen Gesetzgebung allgemein - setzt voraus, dass tatsächlich ein Schaden entstanden sein muss und dieser vom Geschädigten nachgewiesen werden muss.
Auf die Änderung des § 34 Abs. 1 SGB II übertragen bedeutet dies, dass das JC - über jeden Zweifel erhaben - beweisen muss,
1. dass tatsächlich ein Schaden entstanden ist,
2. wie hoch dieser ist und
3. dass ein sozialwidriges Verhalten vorliegt (vgl. BSG in B 4 AS 39/12 R).

Für den 3. Punkt reicht es dabei nicht aus, dass die Voraussetzungen für eine Sanktion gegeben sind (vgl. B 4 AS 39/12 R, Rz 19 bis 21).
Was die Punkte 1 und 2 betrifft, setzt voraus, dass der AG dem JC schriftlich bescheinigt, dass er den AN unbefristet zum Lohn X eingstellt und auch nicht während der Probezeit entlassen hätte, was zu einer Reduzierung des ALG II für die Dauer von Y Monaten i.H.v. von Betrag Z geführt hätte. Das dürfte schon aus offensichtlichen Gründen unmöglich sein. Ein AG kann schon aus offensichtlichen Gründen keine solche Beschäftigungsgarantie geben, das wäre reine Spekulation - sowohl was die Entwicklung des Abeitsmarktes, der Firma sowie individuelle Umstände des AN betrifft.

Abgesehen davon führt die Bundesregierung mit der erweiteren Ersatzpflicht eine Regelung aus der Weimarer Republik (Reichsverordnung über die Fürsorgepflicht) wieder ein, die bereits 1964 als "Relikt aus einer nunmehr überholten Entwicklungsphase des Fürsorgerechts" abgeschafft wurde (vgl. B 4 AS 39/12 R, Rz 18).
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Gast18959

Zitat von: oldhoefi am 14. Mai 2016, 03:30:46Dazu frage ich mich immer noch, wie das JC diesen Ersatzanspruch berechnen will, wenn kein Arbeitsvertrag zustande gekommen ist und somit auch keine nachweisbare Berechnungsgrundlage vorliegen kann.

Da passt vieles nicht zusammen.
In der ständigen Rechtsprechung ist es unumstritten, dass zumindest das zum überleben Notwendige bedingungslos zu gewähren ist.

beliebiges Beispiel :
B 14 AS 19/14 R
ZitatRN 54  .......
Soweit der Gesetzgeber als Folge dessen negative Konsequenzen an die fehlende Bereitschaft knüpft, mit den für die Leistungsgewährung zuständigen Stellen (auch nur) in Gespräche über Möglichkeiten zur Überwindung von Erwerbslosigkeit einzutreten, ist ihm das verfassungsrechtlich jedenfalls solange nicht verwehrt, wie sichergestellt ist, dass den Betroffenen die auch in dieser Lage unerlässlichen Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts zur Verfügung stehen (vgl Schmidt-De Caluwe in Estelmann, SGB II, Stand: Dezember 2014, § 31 RdNr 15).

Bei Sanktionierten werden Sachleistungen nur auf Antrag und bei festgestelltem Anspruch gewährt (über 30%).
Wie will die Behörde im nachhinen dann feststellen, dass dieser Anspruch, den sie selbst ermittelt hat, nicht bestand ?
Im Gegenteil, müsste sie ja bereits im Angesicht des "asozialen Verhaltens" der Betroffenen einen Anspruch auf Sachleistungen von vornherein, trotz des vom BSG auf Null gesetzten Ermessen´s, verneinen.

Aber selbst wenn Betroffene nun (wegen Sinnlosigkeit) keine Sachleistungen mehr beantragen, besteht ja nach Sanktionsablauf immer noch ein festgestellter Anspruch aus dem Bewilligungsbescheid.
Dieser müsste nun, entgegen dem vom BSG entwickelten Zuflussprinzip, wegen "Sozialwidrigkeit" zurückgenommen werden weil Betroffene keinen Anspruch mehr auf die grobfahrlässig "erhöhten Leistungszahlungen" hätten.

In beiden Fällen käme es also garnicht zu einem Erstattungsanspruch weil die Behörde sonst rechtswidrig positiv bescheiden würde.
Es passt einfach hinten und vorne nicht zusammen.   :weisnich:

coolio

Mit der neuen Gesetzgebung sollen wohl gerade bestehende BSG Urteile ausgehebelt werden.

Gast18959

Zitat von: coolio am 14. Mai 2016, 20:29:25Mit der neuen Gesetzgebung sollen wohl gerade bestehende BSG Urteile ausgehebelt werden.

Das mag ja so gewollt sein, ändert allerdings nichts an der Tatsache, dass die Behörde den Bogen zwischen Anspruch und Erstattung nicht gespannt bekommt.
Es besteht entweder ein Anspruch, dann ist die Erstattung ausgeschlossen - oder - es besteht kein Anspruch, dann ist die Erstattung ausgeschlossen weil die Behörde nicht zuvor bewilligen darf.
Die Behörde muss aber dann bewilligen wenn sie den Bedarf feststellt weil der Bedarf den Anspruch begründet.
Und damit befinden wir uns wieder am "Anfang" des Kreisgangs.