BSG: Hartz IV Bezieher dürfen kein Glück haben-Gewinne als Einkommen anrechenbar

Begonnen von Meck, 16. Juni 2016, 09:09:44

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Orakel

Zitat von: Chakotay am 17. Juni 2016, 12:53:22
In anderen bekannten Fällen hatte die Staatanwaltschaft dahingehend argumentiert, es wäre nicht deren Aufgabe sozialrechtliche Probleme zu klären.

Was ist an dieser Argumentation zu beanstanden? Bitte mit Rechtsgrundlagen!

oldhoefi

Ich kann aus dieser BSG-Rechtssprechung nichts ,,Verwerfliches" vom Leistungsträger erkennen. Vielmehr hat der Leistungsempfänger seine tatsächlich erzielten Einnahmen vor dem Leistungsträger verschleiert.

Auszüge aus dem verlinkten Artikel:

Entgegen der Ansicht des Klägers sind als notwendige Ausgaben nur die Einsätze vom Spielgewinn absetzbar, die zum Spielgewinn geführt haben, nicht hingegen sämtliche aufgewendete Spieleinsätze", urteilte hierzu nun das BSG.

Bei Glücksspielen gelte es, ,,die Einkommenserzielung von der bloßen Einkommensverwendung abzugrenzen". Für die Berechnung der Gewinneinkünfte ,,unbeachtlich" seien daher ,,Ausgaben, die überwiegend dem privaten Bereich zugeordnet werden können – wie die in erster Linie zur Befriedigung des Spielbedürfnisses aufgewendeten weiteren Spieleinsätze".


Scheint sich zudem um nicht unerhebliche Spielgewinne gehandelt zu haben.

Auszüge aus Terminbericht des BSG --> http://juris.bundessozialgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bsg&Art=tm&Datum=2016&nr=14276

Zur Bestimmung des Umfangs der Hilfebedürftigkeit sind allerdings noch Feststellungen zum Zeitpunkt und der konkreten Höhe der zugeflossenen Einnahmen erforderlich. Nach Ausschöpfung sämtlicher verfügbarer Erkenntnisquellen wird das LSG im Falle der Unaufklärbarkeit nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast entscheiden können. Zwar trägt grundsätzlich die Behörde die objektive Beweislast für die Voraussetzungen der Rücknahme eines Bewilligungsbescheides. Beruht die Nichterweislichkeit einer Tatsache, die der Sphäre des Leistungsberechtigten zuzuordnen ist, allerdings maßgeblich auf der durch ihn unterlassenen Mitteilung, kann dies im Falle der Nichtaufklärbarkeit zu seinen Lasten gehen.

Im konkreten Fall folgt hieraus ggf, dass der Kläger als im streitigen Zeitraum durchgängig nicht hilfebedürftig angesehen werden könnte und der Bescheid des Beklagten zumindest nicht zu Lasten des Klägers rechtswidrig wäre. Denn nach den bindenden Feststellungen des LSG hat der Kläger monatlich ununterbrochen Spielgewinne erzielt und lagen die auf das Konto des Klägers eingezahlten Beträge deutlich unter den tatsächlich erzielten Einnahmen. 

Chakotay

Zitat von: Orakel am 17. Juni 2016, 13:30:21
Zitat von: Chakotay am 17. Juni 2016, 12:53:22
In anderen bekannten Fällen hatte die Staatanwaltschaft dahingehend argumentiert, es wäre nicht deren Aufgabe sozialrechtliche Probleme zu klären.

Was ist an dieser Argumentation zu beanstanden? Bitte mit Rechtsgrundlagen!

Vielleicht hatte ich mich unglücklich ausgedrückt.
Die Staatanwaltschaften hatten mit dieser Aussage Strafanzeigen abgewiesen.
Willensstärke ist, Erdbeeren zu pflücken ohne dabei zu naschen. ;-)

Orakel

Wohl eben aus diesem Grund: Es ist nicht Aufgabe der Staatsanwaltschaften, sozialrechtliche Probleme zu klären.

Das mag dir nicht gefallen, aber die Argumentation ist nun mal nicht zu beanstanden.

Gast37751

Zitat von: Meph1977 am 16. Juni 2016, 10:59:15
Nur merkt es keiner wenns nicht eingezahlt wird. Darum gehts ja.
Dann ist Steuerhinterziehung auch so lange in Ordnung, bis man erwischt wird? Die "Reichen" wird das freuen.

Zitat von: Gast38171 am 16. Juni 2016, 21:02:57
Schade, das MA der JCs nicht nach dem StGB zur Rechenschaft gezogen werden können!  :sad:
Können sie doch. Nur setzt das - wie bei allen anderen Menschen - voraus, dass sich derjenige auch einer Straftat schuldig gemacht hat.

Quinky

Zitat von: Unwissender am 17. Juni 2016, 09:28:03
Zitat von: Gast30174 am 16. Juni 2016, 14:37:18
Kommt auf die Höhe des Gewinns an, ob der Betreffende weiterhin ALG braucht oder nicht. Nicht mit jedem Gewinn ist man aus dem ALG-Bezug raus.

War vor einiger Zeit bei mir ja auch so! Hatte 10000 € im PS-Sparen meiner Hausbank gewonnen, das geld wurde natürlich auf meinem beim JC bekannten Konto ausgezahlt. Musste ich natürlich mitteilen und das JC stellte alles ein, bis der "Gewinn" verbraucht wurde und ich wieder Anspruch hatte! Ich dachte erst, man würde zurückrechnen (da ich mal gelesen habe, das im Falle, das man zu Vermögen kommt, Leistungen des JC für die letzten 10 Jahre zurückzahlen muss! Weiss aber nicht ob das noch stimmt! Evtl. kann jemand aufklären) Wozu es da noch ein BSG-Urteil braucht erschließt sich mir nicht!

Zur Bareinzahlung: mache ich auch! Sofern man "erklären" kann woher das Geld stammt, ist das auch kein Problem. Außer es sind immer wiederkehrende hohe Summen ...

Nein, eine Rückzahlung der bekommenen HartzIV-Leistungen im Falle von neuem Einkommen/Vermögen gibt es nicht.

Bei einem Gewinn wird dieser Gewinn als einmaliges Einkommen auf die Ansprüche der nächsten 6 Monate angerechnet. Entfällt durch eine größere Höhe des Gewinnes das ALGII für 6 Monate komplett (einschl. KV), besteht nach diesen 6 Monaten wieder voller Anspruch auf HartzIV. Ein eventueller Restgewinn wird dann zu Vermögen und es wird über die Schonvermögensprüfung nach § 12 SGBII geprüft, ob ÜBERSCHÜSSIGES Vermögen, also oberhalb der Schonvermögensgrenze, dadurch vorhanden ist.
(Auich während dieser 6 Monate des Wegfalls muß man NICHT auf HartzIV-Niveau leben)
Das mit der 10-Jahres-Grenze und Rückzahlung besteht bei einer anderen Situation:

Ein ehemalige HartzIV-Empfänger verstirbt. Sind nach der letzten HartzIV-Zahlung und dem Tode noch keine 10 Jahre vergangen, so sind bis auf bestimmte Freibeträge (Unterschiedlich bei Verwandten und Mitglieder der BG) = teilweise extrem geringe Freibeträge SÄMTLICHE HartzIV-Zahlungen einschl KV und PV zurückzuzahlen, bevor Erben etwas bekommen (sogenannte Erbenhaftung.
Beispiel:
5 Jahre HartzIV bekommen, Regelsatz plus Miete plus KV und PV 1.000/Monat = 60.000€
Nach der letzten HartzIV-Zahlung sind nur 8 Jahre vergangen, es besteht ein Vermögen von 50.000€, die Person ist unverheiratet und lebt mit keinem Verwandten in einem Haushalt.
In die Erbmasse für die Verwandten fliessen knapp 2.000€, das Jobcenter bekommt mehr als 48.000€
Der Ex-HartzIV-Empänger wird also auf dem Totenbett noch enteignet!

Es spielt KEINE Rolle, wann dieses Vermögen entstanden ist (z.B. Altersvorsorgeschonvermögen während der HartzIV-Zeit, Einkommen aus einer Rente, Rücklagen aus 8 Jahren Arbeit während der Rente).

Erst wenn die 10 Jahre überschritten sind, tritt die normale Erbfolge ein und die Erbenhaftung in Richtung HartzIV ist erloschen.

Gruß
Ernie

MichaK

Zitat von: Gast37751 am 21. Juni 2016, 18:59:09Die "Reichen" wird das freuen.


Die Reichen sollten sich doch auch so schon freuen. Schließlich nimmt sich der Staat nur einen Teil und sie dürfen sogar danach noch reich sein bzw. werden sie nach der Abgabe immer noch reicher.
Der Vergleich steht also schief, denn der Reiche will noch reicher sein und der Arme will "nur" nicht arm sein. Wenn du ganz genau hinschaust, wirst du in dem Vergleich auch schon die Lösung des Rätsels erkennen, ohne irgendwelche Paragraphen bemühen zu müssen.: Der Reiche kann nur reich bleiben, wenn der Arme auch arm bleibt.

Meph1977

Es ist allerdings schon ein Unterschied wenn ich dem JC die 100 oder 200 Euro die ich einmalig aus dem Automaten gezogen hab vorenthalte oder wie es im vorliegenden Fall anscheinend war regelmäßige Casinogewinne von denen ich mehrere Monate hätte leben können.

Rechlich mag das egal sein moralisch aber nicht unbedingt.
Seid vorsichtig was ihr dem JC erzählt. Die machen aus nem französischen Rotwein eine rothaarige Französin und drehen euch noch eine BG mit der Französin an.

Gast37751

Zitat von: MichaK am 23. Juni 2016, 20:45:24
Die Reichen sollten sich doch auch so schon freuen. Schließlich nimmt sich der Staat nur einen Teil und sie dürfen sogar danach noch reich sein bzw. werden sie nach der Abgabe immer noch reicher.
Oh, wie gnädig vom Staat, dass er nur einen Teil enteignet...  :wand:

Zitat von: MichaK am 23. Juni 2016, 20:45:24Der Vergleich steht also schief, denn der Reiche will noch reicher sein und der Arme will "nur" nicht arm sein. Wenn du ganz genau hinschaust, wirst du in dem Vergleich auch schon die Lösung des Rätsels erkennen, ohne irgendwelche Paragraphen bemühen zu müssen.: Der Reiche kann nur reich bleiben, wenn der Arme auch arm bleibt.
Ganz und gar nicht. Mal abgesehen davon, dass es "den Reichen" und "den Armen" (wobei Letzterer bei dir natürlich nur nicht mehr arm sein will. Ja ja, Geld verdirbt den Charakter, vor allem wenn man keines hat...) nicht gibt. Es steht dem "Armen" frei, seine Leistungen und Fertigkeiten auf dem Markt anzubieten und selbst "reich" zu werden.

MichaK

Zitat von: Gast37751 am 23. Juni 2016, 21:25:32Mal abgesehen davon, dass es "den Reichen" und "den Armen" (wobei Letzterer bei dir natürlich nur nicht mehr arm sein will. Ja ja, Geld verdirbt den Charakter, vor allem wenn man keines hat...) nicht gibt. Es steht dem "Armen" frei, seine Leistungen und Fertigkeiten auf dem Markt anzubieten und selbst "reich" zu werden.

Durchaus richtig, was du schreibst, abgesehen von den Unterstellungen, Geld verdürbe nur den Charakter und der Arme würde ja nicht wollen, obwohl er gut könnte. Dein Vergleich ist nicht um ein Grad "aufrechter" geworden.  :grins:

Natürlich gibt es Reiche, die nicht noch mehr wollen und Arme, denen das auch reicht - aber von Denen reden wir ja nicht, oder ??

binational

Aber in einem Punkt ist das Urteil doch schon mal ein Fortschritt : Immerhin wird der Spieleinsatz berücksichtigt...  :zwinker: